Dynastien der Südtiroler Wirtschaft, Teil 5: Sie kamen, weil sie in ihrer Heimat keine Zukunft sahen. Sie sind geblieben. Heute sind sie aus Südtirol nicht mehr wegzudenken.
Leitartikel
Die halbe Welt
Aus ff 13 vom Donnerstag, den 01. April 2021
Der Rat der Gemeinden ist kein Abbild der Gesellschaft. Es werden auch künftig mehrheitlich Männer das Sagen haben. Schade um eine verpasste Chance.
Frauen gehört die halbe Welt. Heißt es. Doch das ist eine Theorie, die auch Männer in Südtirol gerne verbreiten. Nur, sie stimmt halt nicht. Schon gar nicht in Südtirol. Wenn es hart auf hart kommt, gehört den Frauen nicht die halbe Welt, ja nicht einmal ein Bruchteil davon. Den Beweis lieferte jüngst wieder die Wahl zum Rat der Gemeinden. 17 Posten gibt es dort zu vergeben. Die Männer teilten die Sitze unter sich auf (15 Männer zu 2 Frauen), und von den drei Vizepräsidenten gaben sie schon gar keinen Sitz einer Frau ab.
Das ist ein klarer Verstoß gegen das entsprechende Gesetz, in dem es heißt: „Die Zusammensetzung des Rates berücksichtigt den Grundsatz der Vertretung der Frauen, im Verhältnis zur Anzahl der Gemeindereferentinnen und Bürgermeisterinnen“. Demnach müssten fünf Frauen im Rat sitzen. Der Ausgang der Wahl ist also eine schallende Ohrfeige für die Bürgermeisterinnen – im Grunde für alle Südtirolerinnen.
Viele Frauen wollen das nicht mehr akzeptieren. Nach der Wahl im Gemeindenverband erhob sich lautstarker Protest – und er hält an. Die männlichen Pfründeverwalter geraten gehörig unter Druck. Das ist gut so.
Der Rat der Gemeinden ist kein Abbild der Gesellschaft. Es werden auch künftig mehrheitlich Männer alle Gesetzentwürfe des Landtages begutachten. Das tut dem Land nachweislich nicht gut. Zahlreiche Studien belegen, dass gemischte Teams erfolgreicher sind. Es entsteht mehr Kreativität und Widerspruch. Ein höherer Frauenanteil ist also kein Selbstzweck für karrierebewusste Politikerinnen. Es sollte ein gemeinsames Projekt beider Geschlechter sein, denn es hat Vorteile für alle.
Die Ratsherren aber sehen das nicht. Sie sind nicht bereit, wenigstens ein paar der von ihnen besetzten Stühle zu räumen. Sie maßen sich an, dass sie die andere Hälfte der Bevölkerung angemessen vertreten können. Hauptsache, jede Kleinstgemeinde, jeder Bezirk, jede Stadt ist zum Zug gekommen – nur die Frauen nicht. Das ist kleinkariert und zu kurz gedacht im Jahr 2021.
Man fragt sich, warum kein Mann zugunsten einer Frau zurückgetreten ist und verzichtet hat. Warum zum Beispiel nicht der jüngste unter den Bürgermeistern, der zugleich Chef der Jungen Generation in der SVP ist, den Mut gehabt hat, ein Zeichen zu setzen und einer Frau das Vizepräsidenten-Amt zu überlassen. Das wäre ein Schritt von hoher Symbolkraft. Das wäre ein Zeichen, dass auch Männer verstanden haben.
Wer mehr Frauen in der Politik will – und das behaupten ja Männer bei jeder Wahl – der muss ihnen auch einen Platz einräumen. Das geht logischerweise erst einmal auf Kosten der Männer. Sie müssen Macht teilen und Posten aufgeben können. Lohnen würde es sich allemal – für Frauen wie für Männer.
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