Dynastien der Südtiroler Wirtschaft, Teil 6: die Produzenten im Süden von Bozen. Ihr Aufstieg. Ihr Einfluss. Ihre Zukunft.
Leitartikel
Überzeugen anstatt zwingen
Aus ff 14 vom Donnerstag, den 08. April 2021
Das Gesundheitspersonal muss sich impfen lassen. Jene Menschen, auf deren Rücken diese Pandemie ausgetragen wird. So dürfen die Politiker nicht mit ihnen umgehen.
Wer sich nicht impfen lassen will, verliert seine Arbeit. Damit droht Italiens neue Regierung dem Gesundheitspersonal. Diese Drohung ist nicht nur falsch, sie ist kontraproduktiv.
Doch der Reihe nach.
Es ist dringlich, dass sich möglichst viele Menschen gegen das Virus impfen lassen. Dies gilt vor allem für jene Berufsgruppen, die Kranke und Alte versorgen. Es ist enttäuschend, dass die Impfbereitschaft in Krankenhäusern und Altenheimen gering ist. Doch bevor man daran Kritik übt, sollte man eines bedenken: Die Pandemie wird zu einem großen Teil auf dem Rücken der Pflegekräfte ausgetragen. Seit über einem Jahr arbeiten sie ohne Ruhepausen und Urlaub. Auch schon vor Ausbruch der Pandemie konnten Pfleger und Pflegerinnen ihre Auszeiten nicht nehmen.
Wir wissen seit Jahren, dass in unserem Gesundheitssystem etwas schiefläuft. Wir haben zu wenig Pflegekräfte, zu wenig Ärzte. Die zu wenigen haben zu wenig Zeit für alte Menschen und Kranke. Corona hat viele Missstände erst ins ins Rampenlicht gerückt. Der Ausnahmezustand ist zu einem Dauerzustand geworden.
Spielten schon vor der Krise viele mit dem Gedanken zu gehen, so könnten wegen der Pandemie tatsächlich viele Pflegekräfte ihrem Beruf den Rücken kehren. Bereits in der zweiten Jahreshälfte könnte die Pandemie zu „einem Massenexodus aus dem Beruf“ führen, warnte jüngst der International Council of Nurses, der Weltbund der Pflegekräfte.
Noch vor einem Jahr bekamen die Pflegekräfte als Dank Applaus. Heute wird ihre Professionalität an ihrer Impfbereitschaft gemessen. Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, hätten am Pflegebett nichts zu suchen, heißt es jetzt seitens der Politik.
So dürfen die Politiker nicht mit dem medizinischen Personal umspringen.
Jede Impfung ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eines Menschen und bedarf dessen Zustimmung. Es geht hier nicht nur um einen kleinen „Piks“, sondern um die Verfügung über das eigene Wohlbefinden, den eigenen Körper. Die Bedenken vieler Pflegekräfte zu ignorieren, ja, sie mit einer Impfpflicht nun schlicht zu übergehen, schafft kein Vertrauen. Es schürt Frust und Ängste – bis tief in die Bevölkerung hinein. Mehr noch: Eine Impfpflicht würde die Fraktion der Skeptiker und Zweifler nur vergrößern.
Was muss eigentlich noch alles passieren, damit klar wird, wie groß das Misstrauen gegenüber der Politik geworden ist?
Wenn sich Pflegekräfte gegen die Impfung entscheiden, dann haben sie dafür Gründe. Oft ist es eine Mischung aus Unbehagen und Unwissenheit, was die Nebenwirkungen oder Langzeitfolgen der Corona-Vakzine sind. Diese Sorge muss man ernst nehmen, zumal gerade Pflegekräfte das Leid und Sterben von Corona-Patienten kennen und somit um die Notwendigkeit von Impfstoffen wissen. Es ist die Aufgabe von Politik und von Wissenschaft, den Menschen die Zweifel an den Impfstoffen zu nehmen. Das sollte auf politischer Ebene vorangetrieben werden.
Davon möchte man mehr hören und lesen – und nicht von Zwang und Pflicht.
Überzeugen, aufklären, zum Vorbild werden, immer und immer wieder – das ist der richtige Weg.
Auch wenn er unglaublich mühsam ist.
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