Nachfrage
Leitartikel
Vielfalt für alle
Aus ff 15 vom Donnerstag, den 15. April 2021
Schwule und Lesben werden heute von einem Großteil der Gesellschaft akzeptiert. Und das ist gut so. Der Weg in die Normalität aber ist noch weit.
Südtirol pflegt gern das Selbstbild, ein besonders modernes und tolerantes Land zu sein. Falsch ist das nicht. Ein großer Teil der Bevölkerung zum Beispiel begegnet Lesben und Schwulen heute mit dem gleichen Respekt wie Heterosexuellen.
Es gibt gleichzeitig immer noch Menschen, die gegen Homosexuelle Stimmung machen. Sie haben anscheinend nie gelernt, dass Homophobie, also die Abneigung oder sogar Feindseligkeit gegenüber Lesben und Schwulen, falsch ist.
Als vergangene Woche im Tagblatt der Südtiroler ein Leserbrief veröffentlicht wurde, in dem offen gegen Homosexuelle gehetzt wurde, kam dies wie ein Wetterleuchten aus heiterem Himmel. Zwar „bedauerte“ das Tagblatt einige Tage später den Abdruck des Briefes und „distanzierte“ sich von den Aussagen hinsichtlich Homosexualität. Aber da war der Schaden schon angerichtet.
Man kann sich jetzt fragen, ob man einen Leserbriefschreiber ernst nehmen muss, der Homosexualität als „Schreckensnachricht“ und „Modeerscheinung“ bezeichnet?
Man muss hier dagegenhalten, weil hier das alte, gefährliche Gift der Homophobie in neue Schläuche gefüllt wird. In ein Leserbrief-Format mit dem Titel „Osterwunsch“.
Mit der Homophobie ist es nicht anders als mit Rassismus, Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit. Als Ressentiments mag es sie immer geben. Eine Bedrohung dürfen sie nicht sein.
Homosexuelle Menschen haben es trotz aller Fortschritte in Südtirol immer noch schwer. Was ist beispielsweise mit dem Recht auf Familienleben, wenn einem die Adoption von Kindern verweigert wird? Und warum hat man noch nie von einem offen schwulen Politiker oder einer lesbischen Politikerin gehört? Oder einem Richter in eingetragener Lebensgemeinschaft?
Es stimmt schon: Homosexuelle leben heute so frei wie nie zuvor in der Südtiroler Geschichte. Aber jeder kleine Schritt vorwärts muss gegen große Widerstände erkämpft werden. So wie jüngst die Verordnung der obersten Glaubenshüter: Katholische Priester dürfen homosexuelle Verbindungen nicht segnen. Die Kirche tut sich immer noch schwer damit, dem einzelnen Menschen seine Autonomie zuzugestehen.
Wir als Gesellschaft sollten nicht denselben Fehler machen. Es braucht deshalb das Engagement jeder und jedes Einzelnen. Indem man offen ist für Menschen, die anders sind als man selbst. Indem man einschreitet, wenn jemand „Du schwule Sau“ ruft.
Eine demokratische Gesellschaft muss das Recht durchsetzen, jederzeit und an jedem Ort ohne Angst anders sein zu können.
Weitere Artikel
-
Unendlicher Durst
Wasser ist ein kostbares Gut, zunehmend auch in Südtirol. Denn die Nachfrage steigt und das Angebot sinkt. Was das bedeutet.
-
Pingpongspiel zwischen Politik und Justiz
Bozen – Einkaufszentren
Leserkommentare
Kommentieren
Sie müssen sich anmelden um zu kommentieren.