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Leitartikel
Den Laden am Laufen gehalten
Aus ff 22 vom Donnerstag, den 03. Juni 2021
Über Lehrerinnen und Lehrer schimpfen – das ist in Südtirol ein beliebter Volkssport. Leider.
Die folgenden Zeilen sind ein Lob für Lehrerinnen und Lehrer. Das wird viele überraschen. Denn über Lehrkräfte maulen, das ist in Südtirol Volkssport. Aber man macht es sich zu einfach, wenn man sie als Sündenböcke für alle Probleme des Bildungssystems hinstellt. Das Klagelied über die Lehrkräfte erinnert an das über „die Politiker“ – es hat etwas Rituelles.
Das Corona-Jahr hat dies noch verschärft. Was ist nicht alles gesagt worden über die Schule: Homeschooling klappt nicht! Digitalisierung klappt nicht! Unterricht klappt nicht!
Und die Lehrer und Lehrerinnen? Faule, uninspirierte Beamte. Warum sollten sie sich auch anstrengen? Corona hin oder her, Fernunterricht hin oder her, ihren Lohn bekommen sie trotzdem überwiesen!
Natürlich gibt es viele gute Gründe, das Südtiroler Bildungssystem zu kritisieren. Die Corona-Krise hat ja auch viele Probleme zum Vorschein gebracht, mit denen die Institution Schule in Südtirol seit Jahren kämpft: schleppende Digitalisierung, zu wenige und oft auch zu schlecht ausgebildete Lehrkräfte, veraltete Lehrformen, Pädagoginnenmangel, ein Reform-Hin-und-Her.
Sicher, es gibt auch unter den Pädagoginnen schwarze Schafe. Es ist ein Leichtes, unter ihnen auch unmotivierte, ahnungslose und unfähige zu finden. Aber nichts davon trifft auf „die Lehrer“ im Allgemeinen zu.
Im Gegenteil. Wenn man etwas über sie sagen kann: Sie haben den Laden während der Pandemie unter tausend Schwierigkeiten am Laufen gehalten. Auch wenn manche Eltern – und auch Schüler – das anders empfinden mögen.
Seit über einem Jahr findet Schule statt, wie sie noch nie erprobt wurde. Ein Meter Mindestabstand in Klassenräumen, Labors und Werkstätten. In Turnhallen noch mehr. Maskenpflicht. Einhaltung der Hygienevorschriften. Staffelung der Eingangszeiten. Turnusse beim Essen in den Schulmensen. Geteilte Klassen. Wechselunterricht. Digitale Sprechstunden. Dann auch noch das Durchführen von Antigen-Nasenflügeltests. Manche Lehrkräfte telefonieren mit allen Schülerinnen und Schülern einzeln. Dazu kommen zig Videokonferenzen, Korrekturgespräche. Weniger Arbeit ist das alles nicht.
Was gerne übersehen wird: Schule ist nicht nur Lernort, sondern Lebensraum. Es geht um sozialen Austausch, soziales Lernen, Beziehungen. Viele Lehrerinnen und Lehrer fangen auf, was zu Hause oft nicht mehr geleistet wird. Viele haben in dieser Krise mit viel Kreativität und Engagement eigene Lösungen gefunden. Viele haben den persönlichen Kontakt zu ihren Schülern gehalten, sie nicht alleine gelassen.
Es sind diese Lehrerinnen und Lehrer, die zeigen, dass Schule viel mehr ist als Unterricht. Das verdient Anerkennung.
Abgesehen davon: Weniger maulen ist gesund.
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