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Leitartikel
Antiwerbung am Brenner
Aus ff 23 vom Donnerstag, den 10. Juni 2021
Wir geben Millionen aus, um Touristen ins Land zu locken. Kommen sie dann endlich, werden sie am Brenner in Geiselhaft genommen. Über ein Versagen namens „Euregio“.
Am Samstag vermeldete die Landesverkehrsmeldezentrale im Halbstundentakt kilometerlange Staus im Abschnitt Sterzing–Brenner. Zuerst nur auf der Autobahn, dann auch auf der Staatsstraße: 5 Kilometer, 8 Kilometer, 18 Kilometer Stoßstange an Stoßstange. Nichts ging mehr.
Tausende Menschen, zumeist Urlauber aus Österreich und Deutschland: in Geiselhaft genommen. Oder wie soll man es bezeichnen, wenn man im eigenen Auto gefangen gehalten wird – und dies ohne ersichtlichen Grund?
Die Landesverkehrsmeldezentrale nannte als Begründung „Überlastung“. Will heißen: Die Autobahn war nicht in der Lage, die vielen Autos zu schlucken.
Man musste nicht selbst am Brenner schmachten (und fluchen), um zu wissen: Die kilometerlangen Staus waren keiner „Überlastung“ geschuldet, auch keinem Unfall, keinem Murenabgang. Die Staus waren die Folge einer von Österreich verfügten Fahrbahnverengung von zwei Spuren auf eine Spur, um „Stichprobenkontrollen in der Pandemiebekämpfung“ durchzuführen.
Während südlich des Brenners sämtliche Baustellen beseitigt wurden, um noch vor Fronleichnam – seit jeher Auftakt für die Sommersaison – einen möglichst flüssigen und staufreien Verkehr zu ermöglichen (was auch tatsächlich gelungen ist), errichtete Österreich beziehungsweise Tirol künstliche Barrieren. Die Verantwortlichen der A-22 waren – wie Autobahnpräsident Hartmann Reichhalter bestätigt – von der Aktion nicht informiert geworden – und entsprechend sauer.
Heute im Namen von Coronavirus, morgen im Namen des Umweltschutzes. Wenn sich von Klausen bis zum Brenner LKW stauen, dann liegt auch dies nicht an „Überlastung“. Der Grund sind Maßnahmen, die sich die Tiroler Landesregierung erfindet und umsetzt: Nachtfahrverbot, sektorales Fahrverbot, Wochenendfahrverbot und so weiter nach Belieben.
Corona und die Umwelt sind ernste Probleme und Anliegen, die – so möchte man meinen – grenzüberschreitend angegangen werden müssten. Die Zeiten, in denen jede Region, ja jeder Bezirk seine Grenzbalken hatte, um Kassa zu machen, Rechte einzufordern oder seine eigenen Regeln durchzusetzen, sollten vorbei sein.
Bundespräsident Alexander van der Bellen und sein Amtskollege Sergio Mattarella haben bei ihrem Treffen in Rom an diesem Montag versprochen, „die Zusammenarbeit zwischen Österreich und Italien zu verstärken“. Genannt wurden die Coronapandemie und die Klimakrise. Wow!
Das Versprechen, die Zusammenarbeit in der EU – und vor allem in der Euregio! – zu verbessern, haben wir schon x-mal gehört. Am Sonntag wird geredet, am Montag stehen wir wieder im Stau. Gerade Covid-19 und der Verkehr führen uns täglich vor Augen, dass jede Region ihr eigenes Süppchen kocht, sich um ihre Interessen kümmert. Grenzüberschreitende Zusammenarbeit? Fehlanzeige. Der viel beschworene europäische Geist zerschellt an der Mauer regionaler Eigenbrötelei.
Neu ist höchstens, dass diese Zustände nicht mal mehr eine Meldung wert sind. So als würden uns die Menschen, die da im Stau stecken, egal, ob LKW-Fahrer oder Touristen, nichts angehen.
Wir geben Millionen aus, um Touristen ins Land zu locken und den Wirtschaftsstandort Südtirol zu stärken – gleichzeitig akzeptieren wir, dass am Brenner Antiwerbung gemacht wird: Leute, macht einen Bogen um unser Land!
Wollen wir mal hoffen, dass dieser Botschaft nicht Folge geleistet wird.
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