Was macht Südtirol als Urlaubsland so besonders? Und: Kann das Land seiner Favoritenrolle auch nach der Pandemie gerecht werden? Drei Blicke von außen.
Leitartikel
Er ist jetzt gekränkt
Aus ff 24 vom Donnerstag, den 17. Juni 2021
Ist Luis Durnwalder nach dem Urteil in der Causa Sonderfonds ein Märtyrer? Oder ein Justizopfer? Nein, ist er nicht. Das Urteil und die Reaktionen darauf erzählen auch eine ganz andere Geschichte.
Als Luis Durnwalder noch Landeshauptmann war, pflegte er die Menschen oft mit einem Geldschein zu beglücken. In Südtirol war (ist) das ein guter alter Brauch. Bei öffentlichen Anlässen zeig(t)en sich die Patriarchen spendabel. Der Schein, der die Seiten wechselte, war gleichzeitig eine Mahnung: Erinnere dich bei den nächsten Wahlen an mich, deinen Wohltäter.
Das Geld, das Luis Durnwalder verteilte, kam aus dem Sonderfonds, der ihm für solche Ausgaben zur Verfügung stand, 72.000 Euro im Jahr. Steuergelder, unser Geld. Ein Privileg, das es heute nicht mehr gibt. Durnwalder hat das Geld ausgegeben, um seinen Ruhm zu vermehren. Die Buchhaltung war extravagant. Der Landeshauptmann verrechnete die Zuwendungen, die er im Amt getätigt hatte, mit privaten Ausgaben.
Eine seltsame Praxis, mit öffentlichem Geld umzugehen, auch wenn Durnwalder bestimmt keinen Cent in die eigene Tasche gewirtschaftet hat. Was hätte dagegen gesprochen, die Ausgaben zu notieren, einzureichen und auf die Auszahlung des Geldes aus dem Sonderfonds zu warten, das öffentliche Geld strikt vom privaten zu trennen? Nichts hätte dagegen gesprochen.
Das alles muss man wissen, um zu verstehen, warum der Altlandeshauptmann (er wird im Herbst 80) in der Causa Sonderfonds jetzt in letzter Instanz vom Kassationsgerichtshof zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden ist. Dazu kommen 426.000 Euro an Schadenersatz (weitere 500.000 Euro hat Durnwalder wegen des Abschusses von Murmeltieren an die Staatskasse zu entrichten). Das alles, und seine Anwälte, muss er jetzt bezahlen. Er ist freilich kein armer Mann. Der Immobilienbesitz, der noch im Laufe seiner Amtszeit zusammengekommen ist, lässt sich sehen (so hat es dieses Magazin recherchiert), ebenso seine Pension.
Durnwalder und seine Anwälte konstatierten prompt: ein Fehlurteil. Durnwalder selber sieht sich natürlich als völlig unschuldig. Er habe es nur so gemacht, wie es seine Vorgänger es schon immer gemacht hätten. Wenn ein Südtiroler keine Argumente hat, sagt er gerne: So war es immer schon. Kein Funken von Selbstkritik, keine Sekunde Zweifel. Die anderen sind schuld. Die böse Justiz, die ein politisches Urteil gefällt hat, die undankbare Landesregierung, die ihn im Stich gelassen hat. Und dann dieser neue Landeshauptmann, der ihn 2013 abgelöst und die Bittgang-Demokratie abgeschafft hat, bei der im Morgengrauen im Landhaus 1 in Bozen gewährt wurde. Dieser Kompatscher, der sich deutlich von der -Durnwalder’schen Amtsführung abgesetzt hat.
Ist Luis Durnwalder jetzt ein Märtyrer, als den er sich in Interviews verkauft, ein Justizopfer? Nein, ist er nicht. Das Verfahren hat mehrere Wendungen genommen, die Justiz hat ungebührlich lange gebraucht, um ein Urteil zu fällen, aber sie hat ohne Ansehen der Person gehandelt. Eine unabhängige Justiz urteilt nicht nach Meriten. Durnwalder, so sagt es der Anwalt und ehemalige SVP-Senator Karl Zeller in der Tageszeitung, wäre gut beraten gewesen, einen Vergleich zu schließen. Er blieb stur.
In der Causa Sonderfonds begegnen wir der alten Politik wieder, die das Land lange geprägt hat und die wenig von Transparenz und einer unabhängigen Verwaltung hielt und viel von Verhandlungen hinter den Kulissen. Es war das Paradies der Seilschaften. Unter Luis Durnwalder ist Südtirol ein Wohlstandsland geworden, aber seine Ära kennzeichnet auch, dass er das Land stets regiert hat wie ein Großbauer seinen Hof. Stets genau in Freunde und Feinde unterteilend, jede Kritik abwehrend. Wer unabhängig dachte, gehörte nicht dazu.
Es geht jetzt um viel Geld, aber das ist vielleicht nicht der entscheidende Punkt. Der entscheidende Punkt ist, was von Luis Durnwalder in Erinnerung bleibt. Deshalb ist dieses Urteil für ihn eine große Kränkung. Aber vielleicht muss sich hier etwas Grundlegendes ändern. Erstens, dass Politiker Größe zeigen und einen Fehler eingestehen. Und zweitens, dass gerade das ihnen in der Öffentlichkeit Ehre und Ruhm einbringt.
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