Hat die Pandemie die Emanzipation wirklich um Jahre zurückgeworfen? Das wollten Forscherinnen der Uni Bozen und der Europäischen Akademie wissen. Sie haben dabei Erstaunliches herausgefunden.
Leitartikel
Schönredner brauchen wir nicht
Aus ff 25 vom Donnerstag, den 24. Juni 2021
Masken-Affäre? War da was? Nein, sagt die SVP. Den Umständen entsprechend sei alles bestens gelaufen. Das ist unglaubwürdig.
Begehen Politiker einen Fehler, suchen sie meist einen Sündenbock. Oder sie reden die Dinge reflexhaft schön, manchmal auch klein. Genau das führen die SVP-Vertreter vor. Der Abgeordnete Franz Locher etwa hat im Namen der Mehrheit – SVP und Lega – einen eigenen Abschlussbericht für den Untersuchungsausschuss (UA) zur „Maskenaffäre“ verfasst.
Zur Erinnerung: Im Frühjahr 2020 wurden über das Unternehmen Oberalp 1,5 Millionen Stück an mangelhafter Schutzausrüstung nach Südtirol geliefert. Die Mängel jedoch wurden nicht sofort kommuniziert, die Mitarbeiter darüber nicht informiert.
Wer hat all das zu verantworten?
Das aufzuklären, war die Aufgabe des UA des Landtags. Ein Jahr lang durchleuchtete er diesen Fall. In 17 Sitzungen hörte das zehnköpfige Gremium 79 Personen an. Das Ergebnis laut Locher: Wer entschied, tat dies ohne Fehl und Tadel.
Wie kommt der Mann darauf? Indem er auf die Umstände hinweist. Es sei eine „Ausnahme-situation“ gewesen, eine „außergewöhnliche Krisensituation“, da könne es „naturgemäß“ schon mal zu „Unregelmäßigkeiten bei Bestellungen und bei Lieferungen“ geben. Ja, diese „rasche und unbürokratische“ Eigeninitiative von Land und Sanitätsbetrieb müsse anerkannt werden.
Das ist natürlich ein ebenso erwartbarer wie geschickter Schachzug. Besondere Zeiten erzwingen besondere Maßnahmen, da kann es schon mal zu Fehlern kommen. Immerhin beschritten wir alle, als die Pandemie uns erfasste, Neuland. Da verirrt man sich leicht. Ja, wir hatten es mit der schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg zu tun. Die Landesregierung und der Sanitätsbetrieb standen unter enormem Druck. Alles geschenkt. Niemand verlangt von den Politikern, dass sie ohne Fehler sind. Doch eines muss der Wähler von ihnen erwarten können: Dass sie die beste Arbeit abliefern. Genau das haben sie in der „Maskenaffäre“ eben nicht getan. Und es ist notwendig, das deutlich zu benennen.
Deswegen war es richtig, diesen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Auch wenn der Abschlussbericht der Mehrheit ein Musterbeispiel an Schönrednerei ist. Wir stehen erst am Anfang der Aufarbeitung der Pandemie. Wir müssen aus den gemachten Fehlern lernen, denn die nächste Krise kommt bestimmt. Der Abschlussbericht der politischen Minderheit spricht schon mal einige Versäumnisse an. Da steht unter anderem zu lesen: „Es zeigt sich, dass bei den Entscheidungsträgern der Landesregierung und in der Führungsspitze des Sanitätsbetriebes Transparenz, offene Kommunikation und breite Einbindung von verantwortlichen Stellen in der öffentlichen Verwaltung nicht zum Standard gehören.“
Transparenz, Kommunikation, Teilhabe – das wären schon mal ein paar Stichworte für die Bewältigung der nächsten Krise. Viele andere große Themen beim Umgang mit der Pandemie sind noch wenig untersucht, im Bereich der Sanität ebenso wie beispielsweise in der Bildung oder bei den finanziellen Hilfen für Familien und Arbeiter. Der Landtag muss dabei eine hervorragende Rolle spielen. Es ist seine ureigenste Aufgabe, zu kontrollieren und zu gestalten. Die Abgeordneten sollten verstehen, dass sie vor allem gefordert sind.
Fehler sind menschlich, gewiss. Aber die Abgeordneten müssen im Namen der Bürger von den Regierenden das Beste und nur das Beste verlangen. Deswegen sind sie gewählt.
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