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Leitartikel
Nehmen, egal, vom wem
Aus ff 27 vom Donnerstag, den 08. Juli 2021
Roberto Calderoli von der Lega wird in Zukunft bestimmen, wie und ob Südtirols Autonomie erweitert wird. Was findet die SVP an einem Mann, der nicht nur ein überzeugter Autonomist ist, sondern auch wegen rassistischer Äußerungen verurteilt wurde.
Die Südtiroler Volkspartei weiß natürlich, mit wem sie sich einlässt, wenn sie einen Politiker wie Roberto Calderoli hofiert.
Calderoli war vergangenes Wochenende nach Bozen gekommen, um mit seinen Kameraden von der Lega und mit dem Landeshauptmann zu plauschen. Vor drei Jahren bekam Arno Kompatscher noch einen Ausschlag bei der Berührung mit den Legisten, jetzt ist er offenbar gegen sie immunisiert.
Oder auch er hat sich in seinem Verhältnis zur Lega opportunisiert, um es einmal so auszudrücken. Als im Januar 2019 der Pakt im Land mit der Lega verkündet wurde, stand Kompatscher neben den Vertretern der Lega, als sei er eben aus seiner Heimat vertrieben worden. Vielleicht war sein Gesichtsausdruck und seine abweisende Körperhaltung damals auch ein wenig übertrieben, denn die zwei Vertreter der Lega in der Landesregierung, Giuliano Vettorato und Massimo Bessone, haben sich bisher als äußerst anpassungsfähig, um nicht zu sagen, harmlos, erwiesen.
Roberto Calderoli, 65, Senator der Lega, hat sich in seiner Karriere ebenfalls als äußerst wendig erwiesen. Er wurde 1992 das erste Mal in das Parlament in Rom gewählt, das letzte Mal 2018 als Senator, er hat dem Parteigründer Umberto Bossi gedient, so wie er jetzt Matteo Salvini dient, der die Regionalpartei Lega Nord in die Lega, eine nationale und nationalistische Partei, verwandelt hat. Calderoli war Minister in zwei Regierungen unter Silvio Berlusconi. In einem ist er sich in den vergangenen 30 Jahren treu geblieben, in seinen verbalen Entgleisungen.
Jetzt sitzt Calderoli in einem Gremiun, das wesentlich über die Geschicke Südtirols bestimmt, der Sechserkommission. Er wird vermutlich deren Präsident, mit Billigung von Arno Kompatscher und der Südtiroler Volkspartei. Parteiobmann Philipp Achammer und Senator Meinrad Durnwalder sehen die Anliegen der SVP bei der Lega sowieso gut aufgehoben.
In der Sechserkommission werden die Durchführungsbestimmungen zum Autonomiestatut erarbeitet. Dort entscheidet sich, wie die Südtirol-Autonomie gedehnt und gestreckt und im besten Fall ausgebaut wird. Die Nominierung von Calderoli und der Ausschluss von Mitte-links durch Regionenministerin Gelmini ist vermutlich nicht ohne Billigung der SVP-Oberen geschehen. Parteiobmann Achammer und Senator Durnwalder fahren ja mit der Lega einen Schmusekurs. Man kann davon ausgehen, dass Calderoli der SVP so einiges versprochen hat. Was wäre sonst der Grund, auf ihn zu setzen? Den Vertreter einer Partei, die am vergangenen Wochenende zusammen mit anderen europäischen Rechtsparteien (mit Viktor Orban oder Marine Le Pen) ein antieuropäisches Manifest unterzeichnet hat.
Wenn die SVP etwas bekommt, Zuständigkeiten und vor allem Geld aus Rom, ist es egal, von wem sie es bekommt. Doch man würde schon gern wissen, warum die Partei penetrant wegschaut? Denn Calderoli ist nicht nur ein erklärter Autonomist, sondern wurde auch wegen rassistischer Äußerungen verurteilt.
2019 wurde er von einem Gericht in Bergamo zu einer Haftstrafe von anderthalb Jahren verdonnert. 2013 hatte er über die Schwarze Cécile Kyenge, damals Ministerin für Integration, gesagt, sie habe „Ähnlichkeit mit einem Oran Utan“. 2006 zeigte er sich mit den umstrittenen Mohammed-Karikaturen im italienischen Fernsehen. Flüchtlinge im Mittelmeer wollte er mit Schüssen vertreiben: „Eine Salve vor den Bug und eine vor das Heck, und kein Boot mit Illegalen würde mehr einen Hafen verlassen.“ Die Lombardei sah er durch ein „Sammelbecken von Arschfickern“ bedroht, „wir riskieren, ein Volk von Schwulen zu werden.“ Das sind nur ein paar Beispiele.
Was finden also Arno Kompatscher, Philipp Achammer, Meinrad Durnwalder oder Dieter Steger an diesem Mann? Wie ernst meint es die Partei mit ihren Bekenntnissen gegen Rassismus und Homophobie? Schwer zu glauben, dass Calderoli in Zukunft enthaltsam, ohne seine „starken“ Sprüche leben kann.
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