Leitartikel

Wir sind mittendrin

Aus ff 30 vom Donnerstag, den 29. Juli 2021

Leitartikel 30/21
Die Klima­krise ist nicht zuletzt auch eine Gesundheitskrise. © FF Media
 

Coronapandemie, Hochwasser und Artensterben veranschaulichen, wie eng alles zusammenhängt. Wir sind viel verletzlicher und vernetzter, als wir geglaubt haben.

Wenn die Menschen gegen die Natur leben, dann lebt die Natur gegen den Menschen. Zu dieser Erkenntnis müssten wir eigentlich alle gemeinsam nach 16 Monaten Pandemie gekommen sein. Und die jüngsten Wetterextreme wie Starkregen, Hitze und Stürme müssten endgültig ein Weckruf sein: Die Erderwärmung bringt an vielen Orten der Welt Menschen in Gefahr. Wissenschaftler sagen das seit Jahrzehnten voraus. Jetzt wird es immer stärker spürbar. Nicht nur woanders auf der Welt, sondern direkt vor unserer Haustür.

Der Klimawandel wird das größte und bestimmende Thema der nächsten Jahre und Jahrzehnte werden. Die nötigen Maßnahmen und die Dringlichkeit der Problematik aber sind noch immer zu wenig zu uns Menschen durchgedrungen. Dabei schaden Hitze, Artensterben und Umweltverschmutzung schon heute der Gesundheit. Die Klimakrise ist nicht zuletzt auch eine Gesundheitskrise. Bereits im Jahr 2009 bezeichneten Wissenschaftler in der Fachzeitschrift The Lancet den Klimawandel als die größte Bedrohung für die globale Gesundheit des 21. Jahrhunderts.

Wie drängend das Thema ist, würde uns die Coronapandemie nun eigentlich lehren. Sie zeigt, wie eng Ökosysteme und Gesundheit miteinander verbunden sind. Covid-19 ist im Grunde das Ergebnis unseres Umgangs mit der Natur. Wir kommen immer häufiger mit verschiedenen Wildtierarten wie Fledermäusen in Kontakt, weil wir die Ökosysteme um uns herum dramatisch verändert haben. Wenn Wälder für den Anbau von Futtermitteln für die Fleischindustrie gerodet werden, verschwinden Rückzugsorte von Tieren, die dadurch dem Menschen immer näher kommen – und tödliche Viren übertragen können. Wir haben es in Vergangenheit gesehen: Ebola stammt von Fledermäusen, HIV von Affen, die Vogelgrippe von Vögeln.

Wir kommen der Natur nicht aus. Wir sind selbst ein Teil von ihr. Wir sind mittendrin. Aber wir leben nicht mehr in Einklang mit ihr. Der Schutz der Natur ist eine Notwendigkeit, um das Überleben der Menschheit zu sichern. Ein gesellschaftliches Umdenken ist hier unbedingt erforderlich. Wir müssen den Wandel als Gesellschaft auch wirklich wollen. Und die Politik muss die entsprechenden Maßnahmen auferlegen.

Wenn die Landesregierung vergangene Woche ihre Ziele vorstellte, um nachhaltig zu leben und das Klima zu retten, dann ist das ein schönes und ambitioniertes Vorhaben. Noch fehlt den Worten die Substanz. Und auch wenn in den vergangenen Jahren einiges für den Klimaschutz weitergebracht werden konnte – die unangenehme Wahrheit ist: Das fruchtet alles noch nicht. Und es ist viel zu wenig.

Aus der Pandemie kann man lernen, dass Regierungen fähig sind, für existenzielle Bedrohungen Lösungen zu finden. Sie können hart durchgreifen und finden dafür sogar Zustimmung. So wie in der Coronakrise alle Kräfte gebündelt werden, würde man sich das auch für die Klima-krise wünschen.

Denn worum geht es? Darum, dass wir im Grunde genommen nicht das Klima retten müssen, sondern uns.

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