Fotografie – Bildband: (aw) Immer und immer wieder ist Fotograf Othmar Seehauser mit seiner Fotokamera in die flächenmäßig ...
Leitartikel
Nicht warten, einfach handeln
Aus ff 35 vom Donnerstag, den 02. September 2021
Das zweite Schuljahr in der Pandemie beginnt. Viele große Fragen sind immer noch unbeantwortet. Aber wir haben viel gelernt, daraus sollten wir die richtigen Lehren ziehen.
Am Montag kehren die Schülerinnen und Schüler Südtirols in die Klassenräume zurück. Sie tun das im zweiten Jahr der Pandemie. Natürlich sind die Hoffnungen groß, dass der Schulbetrieb jetzt normal laufen wird. Wenn wir aber eines in den vergangenen zwei Jahren gelernt haben, dann dies: Wir verfügen über sehr wenig Gewissheiten. Was auf die Schüler und Schülerinnen zukommt, kann daher niemand wirklich voraussagen.
Sicher ist, dass sich Südtirol in einer heiklen Phase der Pandemie befindet. Die Fallzahlen steigen, die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen werden heftiger. Viele Menschen werden sich dem indirekten Impfzwang durch den Grünen Pass nicht beugen wollen. Daher wird es beim Lehrpersonal zu Suspendierungen und Kündigungen kommen. Es könnten in der Folge zu wenig Lehrpersonen für alle Klassen zu Verfügung stehen. Und damit ist das große Ziel für dieses Schuljahr in Gefahr: Präsenzunterricht für alle.
Man kann darüber klagen, doch besser ist es, sich jetzt auf das zu konzentrieren, was wir gelernt haben, und daraus Schlüsse zu ziehen. Unsere Schule ist digitaler geworden, und viele Lehrpersonen und Schülerinnen und Schüler haben erstaunlich flexibel auf die neuen Herausforderungen reagiert. Sie hatten im Grunde ja auch keine Wahl. Vor allem aber haben die vergangenen Monate ganz deutlich gezeigt, was Schule sein sollte. Ein Ort, an dem Kinder sozial und intellektuell wachsen können. Ein Ort, wo die Schülerinnen und Schüler und ihre Bedürfnisse im Vordergrund stehen – und nicht die der Schule als System oder die der Lehrkräfte.
Kinder haben ein Recht auf Bildung, unabhängig von ihrem sozialen Status und unabhängig von ihrem Impfstatus. Monatelang haben sie nicht nur weniger gelernt, sondern auch gelitten unter den Schulschließungen, unter dem Fernunterricht, unter den mangelnden sozialen Kontakten zu Mitschülern. Deshalb sollten jetzt alle ihre Energie auf wirksame Konzepte verwenden. Denn längst sind noch nicht alle Fragen beantwortet.
Einige Beispiele gefällig? Das Verfahren in Sachen Quarantäne bleibt ungewiss. Unklar ist, ob es Aufholprogramme gibt, mit denen Lerndefizite ausgeglichen werden können. Lehrpersonen sollten sicher sein können, dass sie von unterrichtsfremden Aufgaben entlastet werden (keine Nasenflügeltest-Einsätze am Morgen, kein Betreuungsersatz am Nachmittag). Sie sind Pädagogen und Bildungsexperten, das sollte wieder in den Fokus rücken. Die Schulkinder sollen nicht wie Ölsardinen in Schulbusse gequetscht den Weg von und zur Schule zurücklegen müssen. Damit werden sämtliche Coronaregeln in den Schulen ad absurdum geführt. Außerdem: Können in den Klassenzimmern überhaupt die Abstandsregeln eingehalten werden? Ausreichend Räumlichkeiten fehlten bereits im vergangenen Jahr.
Unklar ist auch noch, inwieweit die Lehrpersonen dazu bereit sind, Bildung in Präsenz unter Bedingungen der Pandemie zu gestalten. Also Prüfungen und Lehrpläne entschlacken und entrümpeln, die Lücke finden, um Platz zu haben für die Dinge, die wirklich wichtig sind, Tagesabläufe umkrempeln, statt Frontalunterricht mehr Zeit für selbstständiges Arbeiten. Das Schulsystem mag ein schwerfälliger Tanker sein. Aber die einzelne Schule muss nicht auf Reformen von oben warten, um etwas zu verändern. Sie kann es einfach tun.
Die Pandemie führt der Gesellschaft vor Augen, wie nötig es ist, das Schulsystem von Grund auf neu zu denken. Wenn alte Strukturen bröckeln und lähmend sind, dann ist es verführerisch, sich in alte Routine zu flüchten.
Dafür aber ist es zum Glück zu spät. Neue Wege sind eingeschlagen worden, wenn auch noch sehr zaghaft. Das ist für die Bildungspolitik eine große Chance. Und für unsere Kinder erst recht.
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