Leitartikel

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Aus ff 45 vom Donnerstag, den 11. November 2021

Leitartikel 45-21
Klimaschutz würde auch die vielen Rettungskräfte entlasten. © FF Media
 

Ob der Klimagipfel als Erfolg oder Misserfolg in die Geschichte eingehen wird, steht noch nicht fest. Fest steht, dass es immer mehr Menschen brauchen wird, die helfen und retten.

Die ganze Welt schaut in diesen Tagen auf die Klimakonferenz in Glasgow: Tausende Politikerinnen und Experten aus 197 Nationen sitzen dort bei der UN-Klimakonferenz zusammen. Von ihnen wird nichts weniger als eine echte Wende in der globalen Klimapolitik erwartet, die zentrale Frage ist: Wie kann das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, noch erreicht werden?

Für viele bedeutet Glasgow die letzte Chance.

Ob die Klimakonferenz als Erfolg – oder wohl doch eher als Misserfolg – in die Geschichte eingehen wird, steht noch nicht fest. Sicher hingegen ist, dass es kaum noch Naturkatastrophen gibt, bei denen nicht der Verdacht naheliegt, dass sie eine Folge des Klimawandels sind. Ob das Überschwemmungen in Deutschland sind, gigantische Waldbrände in den USA, Hitzewellen am Mittelmeer oder Muren in Südtirol. Was früher als extrem galt, ist mittlerweile das neue Normal.

Als sicher gilt auch, dass es immer mehr Menschen brauchen wird, die helfen und retten, wenn es drauf ankommt. Rettungskräfte müssen sich künftig wegen des Klimawandels auf mehr Unwetter-Einsätze einstellen.

Man muss Südtirol nicht besser machen, als es ist. Aber wahr ist auch: Die Hilfsbereitschaft hier ist enorm. Viele Menschen überlegen nicht lange, werden beim Weißen Kreuz, der Bergrettung oder der Feuerwehr aktiv, sie engagieren sich bei Rettungsorganisationen – ob unentgeltlich in ihrer Freizeit oder aber hauptberuflich. Sie kümmern sich. Die vielen Einsatzkräfte im Land sind buchstäblich unsere Retter in der Not.

„Die Einsätze bei Extremereignissen haben zugenommen“, sagt der Landesgeologe Volkmar Mair in dieser ff-Titelgeschichte. Er fragt sich, ob unsere Art und Weise zu leben, den Klimawandel aushalten wird. „80 Prozent der kleineren Murenabgänge und Rutschungen im bewohnten Gebiet sind im Wesentlichen hausgemacht.“

Eine Erkenntnis, die auch 2.500 Wissenschaftlerinnen im UN-Klimabericht von 2007 festhielten: Der Klimawandel sei menschengemacht, hieß es darin. Und dass er schneller voranschreite als bislang angenommen. Das war vor 14 Jahren.

Wunder sind auch von diesem Klimagipfel nicht zu erwarten. Überzeugen vom Klimawandel aber muss man heute wohl kaum mehr jemanden. Er ist längst überall auf der Welt spürbar. Wie gut aber ist Südtirol darauf vorbereitet? Was will und kann die Politik tun? Was jeder Einzelne von uns?

Man müsse „die Menschen mitnehmen“, heißt es oft. Aber die Menschen müssen auch mitgehen. Es wird nicht reichen, darauf zu warten, dass andere ihre Hausaufgaben machen. Es wird auch nicht reichen, darauf zu vertrauen, dass es schon die Politikerinnen und Politiker richten werden, schließlich werden sie dafür ja gewählt.

Die Gesellschaft muss akzeptieren, dass es sich nicht mehr vermeiden lässt, das eigene Leben zu verändern. Die parlamentarischen Vertreter müssen aber endlich den Mut und die Größe haben, ehrlich zu sagen, was jetzt zu tun ist und welche Maßnahmen gesetzt werden müssen. Es gilt jetzt, Geld auszugeben, klare und verbindliche Regeln zu schaffen und ja, auch gewisse Opfer zu verlangen.

Der Klimawandel erfordert Anpassungen. Das fängt bei der Ausweisung von Wohnflächen oder der Versiegelung von Böden an und hört bei der Förderung und Unterstützung von Katastrophenschutz noch nicht auf. Klimaschutz würde auch die Rettungskräfte entlasten. Ehrenamt ist heute nämlich keine Selbstverständlichkeit mehr.

Jeder kann was tun fürs Klima. Aber niemand muss die Welt im Alleingang retten.

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