Leitartikel

Wer nimmt, soll auch geben!

Aus ff 46 vom Donnerstag, den 18. November 2021

Leitartikel 46-21
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Unternehmer haben eine soziale Verantwortung. Werden sie ihr aber gerecht? Die Konflikte um moderate Erhöhungen der Irap und der Gemeinde-Immobiliensteuer Gis erwecken einen anderen Eindruck.

Die Südtiroler Wirtschaft hat in der Pandemie vom Land um die 400 Millionen Euro an Unterstützung bekommen – die Beihilfen des Staates und die bedingungslose Lohnausgleichskasse nicht eingerechnet.

Das ist viel Geld bei einem Landeshaushalt, der für das Jahr 2022 auf 6,3 Milliarden Euro veranschlagt wird.

Es ist richtig, in Krisenzeiten Geld auszugeben, statt zu sparen. Wer in Krisenzeiten spart, spart sich zu Tode. Genauso richtig ist es, in guten Zeiten von denen zu nehmen, denen man vorher gegeben hat.

Landeshauptmann Arno Kompatscher will jetzt die Irap, die regionale Wertschöpfungssteuer, erhöhen. Sie ist eine Steuer, die auf die Einkünfte erhoben wird, die in der lokalen Produktion anfallen. Kompatscher meint, wer in der Not bekommen habe, müsse in besseren Zeiten geben.

Die Unternehmen in Südtirol zahlten bisher nicht den Höchstsatz von 3,9 Prozent an Irap, sondern einen reduzierten Satz von 2,68 Prozent – auch das eine Beihilfe für die Wirtschaft. Die Reduzierung ist nicht an Bedingungen gebunden. Die Gewerkschaften etwa verlangen seit Langem, dass die Reduzierung der Irap an Betriebsabkommen, an höhere Löhne, gebunden wird. Davon wollen die Unternehmer nichts wissen.

Der Landeshauptmann will im Haushaltsgesetz für das Jahr 2022, das demnächst in den Landtag kommt, die Irap wieder auf 3,9 Prozent anheben. Kompatscher begründet sein Vorhaben auch mit einem finanztechnischen Argument: Wenn der Staat die Irap abschafft, muss er dafür den
Regionen einen Ausgleich anbieten. Ist der
Steuersatz niedrig, fällt auch ein allfälliger Ausgleich niedriger aus.

Die Erhöhung der Irap auf den Normalsatz von 3,9 Prozent würde dem Land in einem Jahr um die 66 Millionen Euro einbringen. Das Land hat der Wirtschaft mehr als 400 Millionen in der Covid-Krise gegeben. Es hat also großzügig gegeben, es will jetzt moderat nehmen. Ist das falsch? Nein. Es ist, im Sinne eines soziales Ausgleichs und der gerechten Verteilung des Einkommens, sogar geboten.

Heiner Oberrauch, Präsident des Unternehmerverbandes, bezeichnete die Erhöhung der Irap als „Vertrauensbruch“. Das ist heftig. Das ist die größte Keule, die der Vertreter der Südtiroler Unternehmer schwingen kann. Der Angriff ist durch die Sümmchen, die die einzelnen Betriebe an Irap abführen müssen, nicht gerechtfertigt. Worum geht es also? Es geht darum, wer das Sagen im Land hat. Es geht um Macht.

Die Irap ist nur ein Symbol für den Verteilungskampf in der Gesellschaft. So wie der Konflikt um die Erhöhung der Gis, der Gemeinde-Immobiliensteuer, für leerstehende Wohnungen. Beides Vorschläge von ganz oben aus der Politik, beide von den Interessenvertretern der Wirtschaft in Bausch und Bogen abgelehnt. Unternehmer und Gastwirte habe im Pandemiejahr gar keine oder eine reduzierte Gis gezahlt, wenn der Umsatzrückgang mehr als 20 Prozent ausgemacht hat.

Heiner Oberrauch (Salewa-Oberalp) ist ein Unternehmer, der sich gerne sozial gibt. Im Privaten. Als Verbandsvertreter hingegen bemängelt er regelmäßig die hohen öffentlichen Ausgaben für Soziales und Gesundheit und fordert einen Rückbau der öffentlichen Verwaltung. Was hilft es den Unternehmen, wenn in der Verwaltung Arbeitsplätze abgebaut, in der Sanität und im Sozialen gespart wird? Sie werden nicht besser dastehen, aber viele, die schon wenig haben, schlechter.

Unternehmer haben eine soziale Verantwortung. Ihren Reichtum haben sie nicht alleine erwirtschaftet. Dazu haben viele Menschen beigetragen, dazu braucht es eine Gesellschaft, die nicht von Konflikten zerrissen wird. Für das Gedeihen der Wirtschaft ist ein funktionierendes Gesundheits-, Sozial- und Bildungssystem wichtig.

Vielleicht ist es nur Theater, das Verbandsfunktionäre aufführen müssen, wenn sie öffentlich (und mit gnädiger Hilfe der Dolomiten) gegen moderate Vorschläge für Steuererhöhungen wettern. Aber der Eindruck ist, dass sie ihre soziale Verantwortung gerne an die öffentliche Hand abgeben. Die Sozialwohnungen baut, die einspringen muss, wenn die Gehälter nicht für ein würdiges Leben reichen.

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