Leitartikel

Wir machen vieles richtig

Aus ff 16 vom Donnerstag, den 21. April 2022

Leitartikel 16-22
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Bei all den negativen Nachrichten der vergangenen Wochen ist es Zeit, daran zu erinnern, dass sich auch viel Gutes in Südtirol ereignet hat.

Wer in diesen Wochen auf Südtirol schaut, der erblickt zwei grundverschiedene Gesichter dieses Landes. Das eine, das freundliche Gesicht, ist geprägt von Bürgerinnen, von der Zivilgesellschaft. Das andere, das unfreundliche, ist von der Südtiroler Volkspartei und der Landesregierung. Aus dem ersten spricht Willkommen, aus dem anderen Misstrauen und Streit.

Das freundliche Gesicht ist seit über 50 Tagen zu beobachten, seit der russischen Invasion in der Ukraine. Rund 1.500 ukrainische Flüchtlinge sind seither nach Südtirol gekommen. Die Hilfsbereitschaft für sie ist groß. Bürger kaufen Windeln und Lebensmittel, organisieren Benefizabende und fahren Tausende von Kilometern, um Bedrängte aus der Ukraine herauszuholen. Viele Privatleute überlegen nicht lange, sammeln Sachen, stellen Räumlichkeiten zur Verfügung. Sie kümmern sich einfach. Nur zehn Prozent der ukrainischen Flüchtlinge in Südtirol sind in Strukturen der öffentlichen Hand untergebracht.

Es passiert also viel Gutes, in Südtirol und in der Welt. Das wird bei all dem Leid und den täglichen Schreckensnachrichten leicht vergessen. Allzu oft sehen wir nicht, was Grund zu Optimismus gibt. Das ist verständlich. Eine Krise jagt die andere. Das ist beängstigend, und zwischendurch würde man am liebsten den Kopf in den Sand stecken. Aber das würde alles nur noch schlimmer machen. Krisen vergehen nicht, wenn wir wegschauen.

Der Krieg in der Ukraine bringt furchtbares Leid über die Ukraine, Tag für Tag. Die Menschen dort verstecken sich in Kellern, Millionen sind auf der Flucht, Familien werden auseinandergerissen und wissen nicht, ob sie einander wiedersehen. Fassungslos schauen wir zu, wie die russische Armee ganze Städte vernichtet.

Und trotzdem: Es gibt viele Menschen, die zurzeit sehr vieles richtig machen. Ärzte reisen ins Land, Hilfsorganisationen bringen Essen und Medikamente – überall auf der Welt versammeln sich Menschen und demonstrieren gegen diesen Überfall und für den Frieden. Das alles macht Mut.

Man muss Südtirol nicht besser machen, als es ist. Aber wahr ist nun einmal auch: Die Hilfsbereitschaft ist enorm. Es gibt zig soziale und gesellschaftspolitische Initiativen und Projekte im Land, die dort ansetzen, wo die öffentliche Hand es nicht tut oder nicht tun kann.

Es gibt sicher auch die Tendenz des Landes, sich darauf zu verlassen, dass vieles von privaten Initiativen geleistet wird. Und es gibt viele private Helfende, die finanziell bislang den Großteil alleine stemmen mussten. Die staatlichen Unterstützungsgelder dafür lassen nach wie vor auf sich warten. Das ist das Negative.

Flüchtlingshilfe funktioniert auf Dauer nur dann, wenn Staat, Land und die vielen Ehrenamtlichen im Wissen um die Schwäche des jeweils anderen vertrauensvoll zusammenarbeiten. Südtirol wird in dieser Krise einen langen Atem brauchen: Der Krieg in der Ukraine wird lange dauern. Darauf müssen wir uns einstellen. Es bleibt daher zu hoffen, dass diese beispiellose Welle der Hilfsbereitschaft anhält.

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