Südtirols Wasserstoff-Offensive ist ins Stocken geraten. Interview in ff 19/22 mit dem Präsidenten des H2-Zentrums in Bozen
Leitartikel
Schön, gefährlich, ratlos
Aus ff 21 vom Donnerstag, den 26. Mai 2022
Bürgermeister Dario Dal Medico versprach seiner Stadt mehr Sicherheit. Doch nichts davon hat er eingelöst.
Meran ist eine schöne, aber eine gefährliche Stadt. Passanten, die entlang der Passer promenieren, kann es schon passieren, dass sie mit einem Messer am Hals bedroht und ausgeraubt werden. Aber was heißt hier: kann? Überfälle, Schlägereien, Einbrüche, all das ist in Meran inzwischen fast schon Alltag. Wenn es so weitergeht, dann wird bald schon das Heer durch die Straßen der Stadt patrouillieren. Nein, das ist keine Idee einer Kommentatorin, die es wieder einmal übertreibt. Dario Dal Medico, der Bürgermeister der Stadt, ruft nach Polizisten UND Soldaten, um Herr der Lage zu werden.
Das ist nicht ohne bittere Ironie. Dal Medico gewann im Herbst die Wahlen in Meran, indem er sich als Mann präsentierte, der Recht und Ordnung durchsetzen wird. „Wir müssen über Sicherheit reden. Meran soll eine sichere und schöne Stadt werden, bei Tag und Nacht.“ Mit diesem Satz machte Dario Dal Medico vergangenen Herbst Wahlkampf. „Noch“ sei das „kein großes Problem“, sagte er damals. Jedoch: „Die gefühlte Unsicherheit“, die sei „tatsächlich ein Problem“. Mal nebenbei gesagt: Man fragt sich schon, ob die Ausgeraubten und Bedrohten in Meran sich nur „gefühlt“ unsicher fühlen.
Der Bürgermeister jedenfalls sagt jetzt im Tagblatt der Südtiroler, dass er „stuff“ sei. „Stuff“ von der Sicherheitslage und den Beschwichtigungen. In dem Punkt hat er gewiss recht. In Meran hat die Stadtverwaltung in den vergangenen Jahren beide Augen fest zugedrückt. Nur als Beispiel: Im Herbst 2015 etwa wurde eine islamische Terrorzelle in der Stadt ausgehoben. Der damalige Bürgermeister Paul Rösch verstieg sich zu dem inzwischen legendären Satz: „Das sind doch nur vier Hansel, die dieselbe Sache auch in anderen Städten durchziehen können.“ Die „vier polli“ (Zitat Rösch) hatten es nach den Erkenntnissen der Ermittler mit Anschlägen sehr ernst gemeint. Sie wollten Menschen töten und waren bei ihren Planungen schon weit gekommen. So viel zu Röschs „polli“.
Dal Medico nun spricht seit Monaten vom „controllo di vicinato“ – von der „Nachbarschaftshilfe“. Die Kooperation zwischen Bewohnern der Stadtviertel und der Polizei soll für mehr Sicherheit sorgen. Mehrmals schon gab es Runde Tische zum Thema. Herausgekommen ist nicht viel. Und jetzt ruft Dal Medico nach mehr Polizei und nach dem Heer. Man mag schon fast Mitleid haben mit dem 53-Jährigen. Das Ganze ist ein Bild des Jammers. Der Bürgermeister der alten Landeshauptstadt Tirols und zweitgrößten Stadt Südtirols gerät bei seinem ureigenen Thema in die Defensive. Es ist offensichtlich, dass er nicht weiterweiß.
Es ist Zeit zu handeln. Aber mehr Polizei allein reicht nicht, um das Problem in den Griff zu bekommen. Die Kriminalität, unter der die Menschen in Meran leiden, ist nicht nur Sache der Polizei. Um eine Lösung zu finden, braucht es eine ganzheitliche Debatte. Die Gewalt hat viele Ursachen: soziale Randständigkeit, Cliquenbildung, Konsum von Gewaltmedien, misslungene Integration, schlechte Familienverhältnisse, geringere Schulaussichten, soziale Schwächen. Gefordert ist die Gesellschaft, gefordert sind die Menschen, die nach Südtirol eingewandert sind. Gefragt ist eine Sicherheitspolitik der Stadt, die eine Linie und ein Konzept haben sollte.
Meran sieht sich selbst als tolerante Stadt, aber diese Toleranz bestand zumeist darin, dass sie wegschaut. Dal Medico redet zwar über die Sicherheit in der Stadt, aber er hat nichts anzubieten.
Als eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger Merans den Mann in das höchste Amt der Stadt wählten, knüpften sie die Erwartung an ihn, ohne Furcht durch die Straßen ihrer Stadt gehen zu können. Die Erwartung ist enttäuscht worden.
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