Leitartikel

Geld allein reicht nicht

Aus ff 22 vom Mittwoch, den 01. Juni 2022

Leitartikel 22/22
© FF Media
 

Pflege

Die große Partei SVP macht gerne große Versprechungen. Im Wahlprogramm 2018 stand zu lesen: „Wir garantieren das Pflegegeld auch für die Zukunft.“ Und weiter: „Genauso wie die entsprechende Unterstützung der öffentlichen Hand für Personen, die in einem Alters- oder Pflegeheim betreut werden.“ Schnell niedergeschrieben, solche Aussagen. Und dann geschieht nicht viel. Die Pflege hat in all diesen Jahren keine große Rolle gespielt. Das Thema wurde verdrängt.

Das ist fahrlässig. Schließlich werden alle Menschen einmal alt und sind dann auf Mitmenschen angewiesen, immer häufiger auf professionelle Hilfe. Aber in der Altenpflege fehlt es schon heute an Personal.

Letzte Woche haben die Gewerkschaften den neuen Bereichsvertrag für Pflegekräfte in Altenheimen und für Sozialbetreuer in Behinderteneinrichtungen platzen lassen. Obwohl das Land für drei Jahre je 15 Millionen Euro bereitgestellt hatte. Die Gewerkschaften fordern das Doppelte.

Wirtschaftsprofessor Gottfried Tappeiner wiederum rechnete jüngst im Tagblatt der Südtiroler vor, dass wir bis 2035 insgesamt 35 Prozent mehr Pflegefälle haben werden. Bedeutet: 170 Millionen Euro an Mehrkosten. Und Südtirol gebe heute schon 500 Millionen für Pflege aus, darin enthalten unter anderem das Pflegegeld, Hauspflege, Badanti, Zahlungen der Sanität an Heime. Er sagt: „Wir müssen Pflegekräfte besser bezahlen, wenn wir sie finden wollen.“

Die Pflege-Aufgabe ist gigantisch. Es reicht aber nicht, mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen zu fordern. Das Dilemma lässt sich mit Geld allein nicht lösen. Menschenwürdige Pflege lässt sich nicht outsourcen an Politik oder Fachleute. Sie muss ins Bewusstsein der Menschen rücken –
so wie der Klimawandel. Für uns alle sollte ein Imperativ gelten: Pflege die alten Menschen so, wie du selber irgendwann gepflegt werden willst.

Der nächste Schritt für die SVP wäre also: der Gesellschaft zu erklären, dass Pflege ihr künftig tatsächlich ebenso viel wert ist wie Tourismus – und dass die Partei genauso viel dafür tut.

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