Leitartikel

Rotwild schießen, Bäume retten

Aus ff 24 vom Donnerstag, den 16. Juni 2022

Zitat
© FF Media
 

Ohne Wald gibt es kein Leben. Wenn das weiter so bleiben soll, müssen wir dem Wald helfen. Zuallererst muss die Politik ihm helfen.

Hitzewellen, Stürme, Borkenkäferbefall – der Wald hat in den vergangenen Jahren viel mitgemacht. Die Auswirkungen haben wir bis auf kahle Flächen kaum bemerkt. Denn der Wald leidet still. Doch sollten wir uns im Klaren darüber sein, wie wichtig er für unser aller Leben ist.

Der Wald ist ein gewaltiger CO2-Speicher, er liefert Holz, speichert Wasser, bietet vielen Tieren einen Lebensraum, Touristen und auch wir selbst wollen uns in ihm erholen. Wenn das weiter so bleiben soll, dann müssen wir dem Wald helfen. Zuallererst muss die Politik ihm helfen.

Die Probleme sind bekannt. Rotwild fügt dem Wald massiven Schaden zu, immer öfter werden junge Bäume durch sogenannten Verbiss geschädigt (siehe auch den Artikel dazu ab Seite 32). Vor allem das Rotwild knabbert die Knospen von den Bäumen. Das hat negative Auswirkungen für die Pflanzen. Denn in den Knospen stecken die Blätter und Zweige des nächsten Jahres. Auch wird die Rinde von Bäumen gefressen. Fehlt ihnen erst einmal diese schützende Hülle, entsteht eine Eintrittspforte für Pilze und Parasiten. Über kurz oder lang führt das dann zum Absterben des Baumes.

Wenn das nur eine überschaubare Menge an Wildtieren macht, ist das kein Problem. Wenn jedoch im Wald eine viel zu hohe Zahl an Wild existiert, werden viel zu viele der neuen Bäumchen aufgefressen. Der Wald kann sich nicht mehr verjüngen, auch fehlt die Mischung der Baumarten. Der Schutzwald wird zunehmend schwächer und schützt weniger.

Damit neue Bäume wachsen können oder neu gepflanzte Bäume erhalten werden, hat man bislang Wildzäune angelegt. Aber dieser Schutz scheint nicht mehr auszureichen.

Eine neue, umfassende Strategie ist gefragt. Helfen würde eine intensivere Jagd. Es gibt zu viel Rotwild, die Abschusspläne müssen angepasst werden. Hier wäre ein größeres Miteinander zwischen Forstwirten und Jägern gefragt. Hier bräuchte es eine gute und enge Abstimmung.

Leider verharrt die Südtiroler Jägerschaft noch in alten Traditionen und Denkmustern. Um so wichtiger wäre eine klare politische Linie und den Erfordernissen entsprechend klare Vorgaben. Wenn das Ökosystem Wald leidet, leiden am Ende auch wir.

Der Wald bedeckt in Südtirol die Hälfte der Landesfläche. Beinahe 60 Prozent davon sind Schutzwald. Es ist noch nicht lange her, da kündigte Forstlandesrat Arnold Schuler an: „Wir wollen den Wald mit seinen Leistungen nicht nur erhalten, sondern die ökologischen, ökonomischen und sozialen Herausforderungen aktiv angehen.”

Die Herausforderung Wildverbiss und Jagd wurde bislang nicht wirklich aktiv angegangen. Klar, in dieser Debatte stoßen unterschiedlichste Interessen aufeinander, die dazu noch meist sehr emotional diskutiert werden. Die Jagd hat in Südtirol eine lange Tradition; der Verband lässt sich nicht gerne einschränken. Aber nur gemeinsam können Jäger und Förster dem Wald wieder auf die Beine helfen.

Wildzäune jedenfalls sind keine Lösung mehr, sondern das Zeichen eines Versagens. Allein im Vinschgau gibt man dafür jedes Jahr an die 150.000 Euro öffentlicher Gelder aus – das ist Geld des Steuerzahlers.

Schon allein deshalb wäre es höchst an der Zeit, dass sich die Politik hier endlich bewegt.

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