Leitartikel

Bildung sichert Zukunft

Aus ff 36 vom Donnerstag, den 08. September 2022

Zitat
© FF Media
 

Lehrpersonen haben eine schwache Lobby in der Politik. Das muss sich ändern. Nehmt die Schule ernst wie den Tourismus oder die Landwirtschaft.

Es gibt Lehrpersonen, die einen schlechten Unterricht machen, nicht geeignet sind für den Job. Sie machen ihn, weil sie am Beginn der beruflichen Karriere irgendwo abbiegen mussten. Selbst wer‘s nicht kann, darf.

Halt, jetzt bin ich schon wieder kurz davor, auf die Lehrpersonen draufzuhauen!

Es gibt viele Lehrpersonen, die einen guten Job machen. Die nicht auf alten Unterlagen sitzen, nicht wie früher vom Pult predigen, wissen, wie man modernen Unterricht gestaltet, empathisch sind. Besonders sie leiden unter der mangelnden Wertschätzung durch Politik und Gesellschaft, die sich auch im Gehalt ausdrückt.

Die Last, die auf den Schultern der Lehrpersonen ruht, ist größer geworden. Das liegt an den Verwerfungen in der Gesellschaft, die Kinder und Jugendliche verunsichert, an zerrütteten Familien, an den Folgen der Pandemie, an vielen besonderen Bedürfnissen, den Ansprüchen, die ins Unermessliche gewachsen sind – was die Eltern an Erziehung nicht schaffen, soll die Schule erledigen. Viele Lehrpersonen, auch das ist durch Studien erhoben, arbeiten über die gesetzlich vorgesehene Arbeitszeit hinaus.

Man weiß es aus Untersuchungen: Schule hängt an den Menschen, die dort arbeiten. Kinder und Jugendliche lernen mit den Lehrpersonen. Wer sind die wichtigsten Menschen im Leben eines Kindes? Die Eltern, aber dann kommen schnell Kindergärtnerinnen und Grundschullehrerinnen.

Also: zuerst in die Menschen, dann in die Mauern investieren.

Lehrpersonen müssen arbeiten können. So, wie es jetzt ist, fressen Bürokratie und Sitzungen einen erheblichen Teil ihrer Zeit. Das muss sich ändern. Und sie müssen ordentlich bezahlt werden. Mehr als jetzt. Ihr Gehalt ist seit Jahren kaum gestiegen, jetzt wird das Einkommen von der Inflation gefressen.

Was Schule und Lehrpersonen freilich auch müssen: flexibler werden, Klassengrenzen sprengen, sich kontinuierlich fortbilden, Unterricht öffnen, die Außenwelt hereinlassen, Grenzen setzen, Begabungen fördern und Schwächen auffangen, im Team arbeiten, mit Kolleginnen und Kollegen, die ein loyales, konstruktives Feedback geben – Lehrpersonen sind, wenn es um ihren Unterricht geht, schnell in einer Verteidigungshaltung. Und da es immer mehr spezielle Bedürfnisse gibt, muss die öffentliche Hand für mehr personelle Ressourcen sorgen und sich nicht davor fürchten, dass dann wieder der Unternehmerverband kommt und die Personalkosten bemängelt.

Der Abbau von Personal findet ohnehin in der Schule schleichend statt. Viele gehen in Pension. Direktoren finden nur schwer Personal für Unterricht und Verwaltung. So haben jetzt manche Kindergärtnerinnen 30 Kinder zu betreuen. Aufgefüllt werden die Stellen mit Personal ohne Erfahrung und Studienabschluss.

Der Personalmangel ist auch hausgemacht. Die Freie Universität Bozen, zuständig für die Ausbildung von Kindergärtnerinnen und Grundschullehrerinnen, hat zu wenig Studienplätze bereitgestellt – man hätte es besser wissen können, man weiß ja, wann wer in Pension geht.

Wenn HGV und Bauernbund husten, leidet mindestens die halbe Landesregierung mit. Die Schule hat hingegen eine schwache Lobby. Bildung und Schule müssen für die Landesregierung den gleichen Stellenwert haben wie Industrie, Handel, Landwirtschaft und Tourismus. Bildung sichert Zukunft.

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