Hoch über Kurtatsch liegt auf einem Sonnenbalkon das winzige Dörfchen Graun, vom Tal aus ist nur der kecke Kirchturm auszumachen, die wenigen ...
Leitartikel
Die Flamme züngelt
Aus ff 39 vom Donnerstag, den 29. September 2022
Italien hat ein neues Parlament – und mit Giorgia Meloni eine Siegerin, die für Verunsicherung sorgt. Doch auch sonst gibt es wenig Grund zur Freude.
Der amerikanische Sender CNN bringt es auf den Punkt: Wahlsiegerin in Italien sei die extreme Rechte. Seit dem faschistischen Diktator Benito Mussolini habe es so etwas nicht mehr gegeben: Fortan wird das Land geführt von einer Koalition aus Konservativen, Populisten und Postfaschisten.
Das sorgt weltweit für Verunsicherung. Ob in Berlin, Brüssel oder Washington: Überall schüttelt man den Kopf über Italien. Wie kann man nur einen Mario Draghi durch eine Giorgia Meloni austauschen? Draghi steht in den Augen vieler für Stabilität, für ein einiges Europa und für Vertrauen.
Meloni verkörpert das Gegenteil davon: Sie führt mit den Fratelli d’Italia (FdI) eine Partei an, die in Teilen rechtsextrem ist. Viele ihrer Parteigänger fühlen sich als Erben Mussolinis. Nicht umsonst trägt FdI im Parteizeichen die „fiamma tricolore“, die über einem schwarzen Strich züngelt. Dieser Strich symbolisiert den Sarg des faschistischen Diktators. Meloni wehrt sich zwar immer dagegen, dass sie und die Ihrigen als Postfaschisten bezeichnet werden. Als sie aber vor Wochen dazu aufgefordert wurde, auf die züngelnde Flamme im Logo zu verzichten, weigerte sie sich und sagte: „Wir sind stolz darauf.“
Nun schickt sich Giorgia Meloni an, Ministerpräsidentin zu werden. Sie wäre die erste Frau in diesem Amt. Was ein Grund zur Freude sein müsste, sorgt bei den meisten Frauen für Skepsis. Denn Meloni betreibt Politik aus einer männlichen Optik heraus, für Frauenrechte oder Gleichberechtigung hat sie wenig übrig. Sie will Frauenquoten wieder abschaffen, kämpft gegen den angeblichen Genderwahn, gegen Schwule, Lesben, Leihmutterschaft und Abtreibung.
Südtirol ist ebenfalls nicht ein Liebkind Melonis. Die Autonomie, erklärte sie jüngst in einem Brief an die Dolomiten, gelte nicht nur für Menschen deutscher und ladinischer Muttersprache, sondern für das „ganze Gebiet“. Und zwar „eingegliedert“ ins „Gesamtspektrum der nationalen Einheit“. Solche Worte sorgen innerhalb der SVP und bei anderen Parteien in Südtirol für Alarmstufe Rot.
Nicht zu unrecht. Denn Melonis Fratelli sind rechtsnational und zentralistisch. Eine Autonomie, wie es sie in Südtirol gibt, ist in ihrem Parteiprogramm nicht vorgesehen.
Unterschätzen sollte man Giorgia Meloni nicht. Sie ist eine entschlossene Frau, die ein klares Ziel vor Augen hat. Sie fährt den Kurs klassischer Rechtspopulisten: zuerst Italien, dann lange nichts. Ihr Traum ist es, das politische System umzubauen. Italien soll wie Frankreich einen starken Präsidenten bekommen – und dieser starke Präsident (sie verwendet keine weiblichen Sprachformen) solle am besten sie selbst sein.
Um das politische System umbauen zu können, müsste die Verfassung geändert werden. Dafür sind zwei Drittel der Stimmen in Kammer und Senat notwendig. Das wird der Rechtsallianz nicht aus eigener Kraft gelingen. Das ist die gute Nachricht dieser Wahl. Allerdings wird die Rechtsallianz alles daran setzen, ihre Ziele durchzusetzen.
Zunächst muss es ihr aber gelingen, eine Regierung auf die Beine zu stellen. Meloni ist die klare Nummer 1 dieser Allianz, sowohl Matteo Salvini (Lega) als auch Silvio Berlusconi (Forza Italia) sind ihre Juniorpartner. Ob die beiden Egos sich Meloni unterordnen werden? Und wenn ja, für wie lange?
Fachleute prognostizieren, dass die Rechtsallianz schnell wieder zerbrechen werde. Gesagt ist das nicht. Denn Regierungen rechts der Mitte halten oft länger als jene links der Mitte. Berlusconi hat es vorgemacht. Unter seiner Führung gab es die Regierung mit der längsten Haltbarkeit in der Nachkriegsgeschichte.
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