Leitartikel

Verschwörung fürs Soziale

Aus ff 50 vom Donnerstag, den 15. Dezember 2022

Landesrätin Waltraud Deeg will mehr Geld für ihr Ressort. Sie hat recht, das zu fordern. Gerade jetzt, wo viele Menschen in Südtirol verarmen.

Man stelle sich das vor: Die Landesrätin für Soziales kämpft um mehr Geld für ihr Ressort! In einer Zeit, in der die einen sich einen Urlaub leisten können, obwohl er ein Stück mehr kostet als im Vorjahr, und die anderen daheim sitzen und nicht wissen, wie sie Strom und Gas bezahlen sollen.

Ja darf Deeg das, sich in der Landesregierung bei der Abstimmung über den Landeshaushalt enthalten? Sie darf. Sie muss sogar. Denn die Menschen in unserer Nachbarschaft sind in Not, wie die Titelgeschichte in diesem Heft belegt.

Die Landesrätin für das Soziale findet: Das Soziale braucht ein höheres Budget. Das wurde ihr flugs als Verschwörung gegen den Landeshauptmann ausgelegt. Die Deeg, die hat nicht einen eigenen Kopf, sondern sie will den Landeshauptmann stürzen, sie will ja selber ganz nach oben. Jeder Konflikt in der SVP (die freilich nicht einmal einen Termin für eine reinigende Klausur zusammenbringt) ist jetzt eine Verschwörung. Medial ist die Schwarz-Weiß-Logik längst fixiert: Ein Aufmucken gegen den Landeshauptmann ist eine Verschwörung, auch wenn die sogenannten Anständigen sich der gleichen Mittel bedienen wie die sogenannten Verschwörer.

Eigentlich ist es ganz normal, wenn nicht sogar geboten, dass eine Politikerin sich für ihre Anliegen einsetzt. Und Druck aufbaut, indem sie, in diesem Fall dem Landeshauptmann, die Gefolgschaft verweigert. Auch eine Landesrätin darf eine Meinung haben. Zumal, wenn es um mehr Geld für das Soziale geht, in einer Gesellschaft, die es immer mehr auseinanderreißt, in die, die haben oder immer mehr haben, und in die, die immer weniger oder nichts haben. Die einen sitzen im Restaurant oder im Wellness-Center, die anderen daheim. Und überlegen, ob sie die Heizung einschalten sollen oder nicht.

Für die, die daheim bleiben müssen, ist dann die Landesrätin für Soziales zuständig – mit Beihilfen, für die die Leute demütig anstehen müssen. Um ihnen zu helfen, braucht es, gerade jetzt, viel Geld. Mehr Geld, als im Haushalt momentan vorgesehen ist. Waltraud Deeg kann es sich ja nicht selber geben, wie der Landeshauptmann, der drei Viertel des Landeshaushaltes verwaltet, weil er ja auch als Gesundheitslandesrat amtiert.

Man muss jetzt Landesrätin Deeg nicht zur Heldin verklären. Auch sie spielt ihr Spiel, sie ist gerissen und hat ein dickes Fell, sonst wäre sie in der SVP nicht so weit nach oben gekommen. Sie hat nicht immer einen exakten Plan für drängende Themen, den sozialen Wohnbau, das Pflegegeld oder die Kinderbetreuung etwa. Oder für die Unterbringung von Flüchtlingen (da muss erst ein Mensch erfrieren, bis die Politik sich wirklich rührt). Aber man stelle sich einmal vor, Deeg würde sich mit einem Budget zufriedengeben, das hinten und vorne klemmt. Dann würde es schnell heißen, das Soziale ist das Stiefkind, die Landesrätin hat kein Rückgrat. Über die SVP beugen sich derzeit viele Politdoktorinnen und Polittherapeuten. Jetzt sorgen sich sogar die, die einmal SVP-fern waren, um die Partei, das heißt um einen Teil von ihr, den liberalen oder den sozialdemokratischen, den irgendwie linken Flügel halt. Aber wer eine sozialdemokratische Partei in Südtirol will, muss halt eine gründen. Und damit untergehen. Die SVP kann man nicht dazu umbauen, ohne sie im Kern zu zerstören.

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