Rechte Partein versuchen, aus dem Mord in Schlanders politischen Profit zu schlagen. Doch wir brauchen nicht mehr Rassismus, sondern eine effektivere Gewaltprävention, sagen Laura Volgger und Jona Klemenc.
Leitartikel
Redet endlich Klartext!
Aus ff 34 vom Donnerstag, den 24. August 2023
Wenn die SVP bei den anstehenden Landtagswahlen verliert, dann weil sie auf dem rechten Auge blind ist.
In Schlanders wird eine junge Frau ermordet. Ihr Ex-Freund, der ursprünglich aus der Türkei stammt, wird wegen des Verdachts auf Mord festgenommen.
Nur wenige Tage später wird eine andere junge Frau in der Toilette eines Meraner Lokals vergewaltigt. Beim mutmaßlichen Täter soll es sich um einen 30-jährigen Ausländer handeln.
Während solche Ereignisse bei den rechten Parteien in Südtirol zu einem lauten Aufschrei der Empörung führen, schweigt die Regierungspartei SVP. Südtiroler Freiheit, Freiheitliche und auch Jürgen Wirth Anderlan poltern über „Ausländergewalt“, schimpfen über „Sicherheitsprobleme“ und fordern „Migrationsstopp“. Und was sagt die SVP? Nichts. Sie lässt poltern.
Merans SVP-Vizebürgermeisterin Katharina Zeller zeigt sich zumindest „fassungslos“. Sie sagt, man müsse in der Lage sein, „sichere Räume zu schaffen“. Das ist immerhin ein Versuch, wenn auch ein missglückter. Denn ganz Meran sollte doch sicher sein, so wie auch ganz Südtirol sicher sein sollte.
Merans heutiger Bürgermeister, Dario Dal Medico, sagte schon vor zwei Jahren: „Wir müssen über Sicherheit reden.“ Dal Medico war damals noch im Wahlkampf, er versprach: „Meran soll eine sichere und schöne Stadt werden, bei Tag und Nacht.“ Denn diese „gefühlte Unsicherheit“ stelle „tatsächlich ein Problem“ dar.
Nun, diese Unsicherheit ist schon lange nicht mehr nur „gefühlt“. Sie ist ein hochaktuelles und reales Problem – und zwar in ganz Südtirol. Es bleibt die Frage: Was hat die SVP anzubieten? Man weiß es nicht. Selbst wenn sie ein Konzept haben sollte, so redet sie nicht öffentlich darüber.
Arno Kompatscher sprach bei seiner Bilanzpressekonferenz jüngst einmal wieder von einem Abschiebezentrum für Südtirol. Wer kein Bleiberecht habe und sich nicht an die Regeln halte, müsse abgeschoben werden, so der Landeshauptmann. Es ist eine Forderung, die er und seine Partei seit einigen Jahren gegenüber Rom immer wieder aufs Tapet bringen. Bislang ohne Erfolg. Die rechten Parteien sehen darin das „Eingeständnis einer gescheiterten Migrations- und Integrationspolitik“.
Die Sprachlosigkeit der SVP bei Themen der inneren Sicherheit, der Einwanderung und der Gewaltdelikte ist bezeichnend. Sie hat verlernt, Dinge klar beim Namen zu nennen. Seit ihr auf ihrem rechten Flügel die markanten Persönlichkeiten wie ein Franz Pahl oder Roland Atz abhandengekommen sind, ist diese Flanke offen. Das gibt anderen und neuen Parteien starken Auftrieb. Jüngstes Beispiel ist der ehemalige Landeskommandant der Schützen, Jürgen Wirth Anderlan, mit seiner neu gegründeten Liste JWA.
Am rechten Rand der SVP bröckelt es massiv. Wenn der Obmann und der Landeshauptmann ihre Partei aber zusammenhalten und Wählerinnen zurückgewinnen wollen, müssen sie diese Flanke schließen. Das wäre auch wichtig für die Demokratie. Denn diese braucht politischen Streit und Parteien, die sich klar voneinander unterscheiden. Will die SVP ihr Profil schärfen, muss sie das rechts von der Mitte tun. Ohne sich dabei zu radikalisieren. Ohne die Modernisierung preiszugeben, die sie in den vergangenen Jahren durchaus auch geschafft hat.
Wenn die SVP die anstehende Landtagswahl verliert, dann nicht wegen einer Liste wie „Für Südtirol mit Widmann“. Wenn die SVP verliert, dann weil sie auf dem rechten Auge so lange blind war.
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Leserkommentare
2 KommentareRegina
24. August 2023, 23:39Bravo, so ist es, eine Partei verweichlicht in jeder Hinsicht, wenn an der Spitze die Führungskompitzenz und Toleranz fehlt. antworten
Antworten als Unbekannt
Artim
26. August 2023, 13:31Wie man sieht, Macht kann auch bedeuten, nichts machen zu müssen. Nicht darauf einzugehen, was Kritiker, Gegner, Berater und Parteikollegen wieder und wieder anführen. Die SVP ist samt Spitzenpersonal zu lange schon im sog. Kompatscher-Achhammer-Modus. Nur. Anders als Merkel hat Kompatscher sich nicht mal an seine im Jahr 2013 selbst auferlegte Amtszeitbeschränkung gehalten. Ebenso wenig wurde etwas von seiner Ankündigungpolitik der Reform umgesetzt. Heute heißt das Schlagwort "Nachhaltigkeit", mit dem er vor den Wahlen Handlungsfähigkeit beweisen will.
Es geht längst nicht mehr um rechts von der Mitte in der SVP. Es geht längst um die fehlende zentrale Leerstelle in der politischen Mitte Südtirols selbst.
Was es 2023 bräuchte, ist eigentlich die den SVP-Wählern und Wählerinnen 2013 von LH Kompatscher und OM Achammer versprochene neue SVP und Politik bzw. sonst eine Liste, die für die Mitte der dt./lad. Bevölkerung ein wählbares Angebot darstellt. Ein „Naturgesetz“ Volkspartei zu wählen gibt es nach zehn Jahren Politik (neuer) Beliebigkeit, der Einzelinteressen, der Selbstdemontage und des massiven Legitimationsverlustes wohl nicht mehr.
Wie glaubwürdig sind Kompatscher und Achammer (trotz smarten Lächelns) noch, die die national-rechtsextremen Brüder Italiens vor kurzem als Gefahr für ganz Italien und das Südtirol bezeichneten und nach den röm. Parlamentswahlen 2022 trotz bisheriger Brandmauer diese in vorauseilender Andienerei nicht nur gleich normalisierten, sondern diese für die aus dem Widerstand entstandene SVP kurzerhand sogar für besonders anschluss- und koalitionsfähig erklärten?
Mal schauen, ob statt der Liste Widmann die sog. Grünen oder doch noch Team K (trotz ihrer Absage an die SVP) die Rolle der Erfüllungsgehilfen auf Zeit zusammen mit den national-rechtsextremen Brüdern Italiens nach den Wahlen im Herbst übernehmen.
Die anderen bleiben wohl auch weiterhin als unliebsame Opposition ausgeschlossen und Teil der historisch-politischen Vertretung für die lad./dt. Volksgruppe im Staate Italien. So zumindest die Vorhersage, sollte es nicht doch noch zu einer völlig unvorhersehbaren Wende kommen. antworten
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