Leitartikel

Mehr Demokratie

Aus ff 36 vom Donnerstag, den 07. September 2023

 

Die Lobbys trommeln für ihre Kandidatinnen und Kandidaten. Warum eigentlich benehmen sich Bauernbund, HGV & Co., als wären sie eine Partei?

Es ist etwas passiert in Südtirol. Ein Verband, der HGV, unterstützt bei der Landtagswahl nicht nur den Kandidaten der SVP, sondern auch die einer anderen Partei, der Liste für Widmann. Das ist ein Bruch, auch wenn man ihn hinter einer dürftigen Kompromissformel tarnt.

Der Hoteliers- und Gastwirteverband, der täglich, mit gnädiger Hilfe der Dolomiten, seine Anliegen unter das Volk streut, schert aus. Künftig will man die Landtagskandidaten, die man unterstützt, per Vorwahl bestimmen. So macht es schon der Bauernbund, der zuverlässig die Kandidatinnen und Kandidaten der Südtiroler Volkspartei auswählt. Das Land ist der SVP nicht mehr absolut treu, aber der Bauernbund tut immer noch so, als würde es keine grünen, blauen oder sonstigen politischen Farben unter den Landwirten geben.

Die Entscheidung des HGV ist kein Zeichen der Demokratie, sondern eine Warnung an die SVP und ein Zeugnis für Arnold Schuler, der neben der Landwirtschaft auch den Tourismus zu seinen Agenden zählt: Wir sind nicht zufrieden mit dir. Der Landesrat versucht den Tourismus zu bremsen, so zumindest hat er immer wieder in der Öffentlichkeit kundgetan. Gelungen ist es ihm nicht wirklich. Das hat auch mit der Lobbyarbeit des HGV zu tun, die Gesetze zuverlässig verwässert. Oder der Bauernbund schreibt sie gleich selber – mit seiner muskulösen Rechtsabteilung.

Der Vorgang im HGV bedeutet: Der Verband richtet sich darauf ein, dass die SVP bei der Landtagswahl an Stimmen verliert, dass Widmann bei der Landtagswahl erfolgreich sein wird. Und so baut man vor: Man weiß ja nie. Sicher ist: Man hätte gerne einen Landesrat für Tourismus, der es Hoteliers und Gastwirten leicht macht. Ähnliches gilt für die Landwirtschaft. Paradoxerweise könnte also ein Machtverlust der SVP einen Machtgewinn der Lobbys bedeuten. Gerade weil die Lobbys ihre Kandidatinnen und Kandidaten durchbringen.

In Südtirol ist die Arbeit der Lobbys penetrant: HGV, LVH, HDS, Bauernbund. Die Wirtschaft rührt sich – und wird gehört. Auch die Gewerkschaften oder Sozialverbände rühren sich – und werden viel weniger gehört. Kaum anzunehmen, dass Gesetze, die Soziales betreffen, Schule oder Kinderbetreuung, in den (weniger üppig ausgestatteten) Zentralen von Sozialverbänden geschrieben werden. Und direkt den Weg in die Landesregierung finden.

Dass ein Verband seine Interessen vertritt, ist legitim. Doch warum hört man nicht endlich damit auf, Kandidatinnen und Kandidaten für die Landtagswahlen zu nominieren, als sei man eine Partei – egal welcher Partei sie angehören. Südtirol demokratisiert sich ja immer mehr, oder die Parteienlandschaft zersplittert, wie immer man das sehen will. Die Macht der SVP bröckelt, aber die Verbände schalten sich immer noch freiwillig gleich. Warum lassen die Mitglieder sich das gefallen?

Ist das demokratisch oder eine Verzerrung der Demokratie? Menschen, die eh schon an der Demokratie zweifeln, müssen den Eindruck gewinnen, es werde alles in kleinen Zirkeln ausgehandelt.

Weniger Lobbyismus bedeutet: mehr Transparenz und Demokratie.

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