Leitartikel

Im Bann des Wolfes

Aus ff 38 vom Donnerstag, den 21. September 2023

1

Billige Wohnungen, höhere Löhne, mehr Kita-Plätze – das wären dringende Anliegen. Stattdessen will der Landeshauptmann Wölfe abschießen lassen.

Am vergangenen Samstag haben die Dolomiten die Mitglieder einer unbedeutenden Einrichtung des Landes an den medialen Pranger gestellt. Die fünf Fachleute, die der Wildbeobachtungsstelle des Landes angehören, kennt man jetzt im ganzen Land. Sie waren groß im Blatt, das heute für nichts anderes mehr kämpft als für den Abschuss der Wölfe. Was früher die Autonomie war oder die Sprache, ist heute der Wolf. Die Fachleute wurden, wenn man so will, zum Abschuss freigegeben. Sie werden es in den kommenden Wochen ziemlich ungemütlich haben.

Was ist passiert? Die Stelle hat, mehrheitlich, ein Gutachten zum Abschuss des Wolfes abgegeben, das den Dolomiten (den Bauern, dem Landeshauptmann, den Hoteliers) nicht passt. Sie haben aufgrund ihres Wissens und ihrer Erfahrung das Wolf-Abschussdekret des Landeshauptmanns kritisch bewertet. Sie haben ihre Pflicht getan. Ist das ein Skandal? Nein, Beamte sind keine Leibeigenen der Politik oder der Lobbys.

Früher haben Schriftsteller oder Historiker die Wut der Athesia zu spüren bekommen, heute sind es die Mitglieder der Wildbeobachtungsstelle.

Muss also in Zukunft jeder, der Michl und Toni Ebner nicht folgt, das Gleiche fürchten? Trauen sich Beamte in Zukunft noch zu widersprechen, Dinge anzusprechen, die nicht gesetzeskonform sind? Wenn unabhängig seine Arbeit tun bedeutet, dass man in Ungnade fällt, wird es bald keine unabhängige Verwaltung mehr geben.

Was ist das für ein Land, das seit ein paar Jahren einen sturen ideologischen Krieg um den Abschuss des Wolfs (und Bären) führt, das sich hartnäckig jeder vernünftigen Diskussion über das Thema widersetzt? Es ist richtig, dass man Wölfe abschießt, wenn sie ein Problem sind, aber es gäbe Alternativen zum Abschuss, wenn die Bauern nur wollten. Doch davon wollen sie partout nichts wissen. Ihre Haltung: geht nicht, geht nicht, geht nicht.

Zu den Wolfsjägern gesellt sich jetzt auch Landeshauptmann Arno Kompatscher. Er hat schon zwei Mal ein Dekret für den Abschuss von je zwei Wölfen unterzeichnet, das jedes Mal zuverlässig vom Verwaltungsgericht einkassiert wurde. Dafür hat das Land extra ein Gesetz zusammenmontiert, das quasi das ganze Land zu Weideschutzgebiet erklärt. Ein Kniff, der den Abschuss der Raubtiere erlaubt.

Südtirol ist ein Land, das trotz Wohlstands, trotz oft umsichtiger Verwendung des üppigen Landeshaushalts, viele Probleme hat: teures Leben, unbezahlbare Mieten, niedrige Gehälter in vielen Sektoren, einen Tourismus, den viele Menschen nicht mehr vertragen.

Doch lieber Wölfe abschießen. Das erfreut die Volksseele und die Dolomiten. Schön wäre es, würde der Landeshauptmann morgen ein Programm vorstellen, mit dem etwa 1.000 Wohnungen gebaut werden, die zu erschwinglichen Preisen verkauft oder vermietet werden, oder wenn er einen Plan für höhere Löhne hätte, damit Menschen ein würdiges Leben führen können, oder die öffentliche Hand so viele Leute für die Kinderbetreuung einstellen würde (ordentlich bezahlt), die es Eltern erlaubt, Familie und Beruf zu vereinbaren.

Altro che Wolfsabschüsse.

Leserkommentare

1 Kommentar
kritischer Blick
21. September 2023, 12:25

Respekt Herr Mair! Weiter so.......... Meine Unterstützung haben Sie!
Zu diesem Thema frag ich mich wirklich oft, was die Dolomiten mit diesem Glaubenskrieg bezweckt!? Es scheint schon lange so, dass es nicht um die Sache geht, sondern um politische Einflussnahme, Meinungsmache und Angsthetze, mit allen verfügbaren Mitteln. Oder hat die Führungsetage der Dolomiten vielleicht wirklich so viel Angst vom "bösen Wolf"? antworten

Kommentieren

Sie müssen sich anmelden um zu kommentieren.