Giacomo Fornari, scheidendender Direktor des Musikkonservatoriums, hat eine Vision: Er möchte Brixen zu einer zweiten Mozart-Stadt machen.
Leitartikel
Mordende Männer
Aus ff 47 vom Donnerstag, den 23. November 2023
Italien wird von einem Frauenmord erschüttert. Schon wieder. Wir Männer haben ein massives Problem.
Wie konnte das bloß passieren, er war doch so ein guter Junge? Das fragt sich derzeit nicht nur der Vater des 22-jährigen Täters, sondern halb Italien. Er stammt aus gutem Hause, studierte und stand vor einer glänzenden Zukunft. Seine Freundin, ebenfalls 22 und ebenfalls Studentin, wollte aber nicht mehr Teil seines Lebens sein. Sie wollte ein anderes Leben führen, ein Leben ohne ihn. Er konnte mit der Trennung nicht umgehen – und brachte sie um.
Italien wird in diesem Jahr vom 83. (dreiundachtzigsten!) Frauenmord erschüttert, Femizide sind in diesem Land mehr die Regel als die Ausnahme.
Diesmal ist die Aufregung aber größer als sonst, möglicherweise, weil Opfer und Täter noch sehr jung sind. Endlich, möchte man fast sagen, endlich wird über Frauenmorde öffentlich in einem größeren Rahmen diskutiert. Auch wenn der Anlass dafür schrecklich tragisch ist.
Trotzdem ist leider zu befürchten, dass zwar wieder ein bisschen an der Oberfläche gekratzt wird, das Grundproblem aber dasselbe bleiben wird: Wir – und davon ist Südtirol nicht ausgenommen – leben in einer Gesellschaft, die Frauen systematisch als Wesen zweiter Klasse betrachtet. Das ist keine leere Behauptung, sondern durch Tatsachen belegt: Frauen verdienen zum Beispiel weniger als Männer, Frauen sind in Politik und Wirtschaft unterrepräsentiert, Frauen sollen den Haushalt stemmen, die Kinder großziehen, die Eltern pflegen und gleichzeitig einem Teilzeitjob nachgehen.
„Mann“ lebt mit dieser Ungleichheit gut, und es sind keineswegs nur die älteren, weißen Männer, die das tun. Bereits kleine Buben in Schülerbussen oder auf Fußballplätzen schimpfen auf die „Weiber“, die deppert seien und ihnen ohnehin niemals das Wasser reichen könnten. An den Stammtischen geht das blöde Gerede weiter, aus dummen Witzen werden krasse Vorurteile, aus Vorurteilen nicht selten Frauenhass.
Der Hintergrund eines Frauenmords ist fast immer derselbe: Der Partner oder der Ex-Partner kann die Trennung nicht akzeptieren, er stellt ihr nach, bedroht sie. Oft verlangt er noch ein letztes Treffen, bei dem es dann passiert. Der Mann kann sich nicht damit abfinden, die Kontrolle über „seine“ Frau zu verlieren. Wenn ich sie schon nicht mehr haben kann, soll das auch kein anderer tun.
Jetzt wird wieder einmal nach schärferen Gesetzen geschrien, nach mehr Aufklärung, nach besserer Vorbeugung. Männer, heißt es, stellten bei Trennungen eine Risikogruppe dar und sollten geschult werden, mit Trennungen besser umzugehen. Auch müssten sie lernen, über ihre Gefühle zu sprechen, nicht alles in sich hineinzufressen. Denn dann komme oft der Punkt, an dem es nicht weitergeht – und aus vermeintlich braven Buben Mörder werden.
Allein, das wird nicht zu weniger Frauenmorden führen. Denn das Problem liegt tiefer. Wenn wir Femizide erfolgreich bekämpfen wollen, müssen wir als Gesellschaft – alle gemeinsam – umdenken. Wir müssen Frauen endlich als gleichwertig ansehen, die Geschlechter müssen einander auf Augenhöhe begegnen. Das geht am besten, indem wir diese Gleichwertigkeit jeden Tag vorleben: zu Hause, in den Schulen, an den Arbeitsplätzen, in der Gesellschaft. Überall.
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