Leitartikel

Böse Buben

Aus ff 48 vom Donnerstag, den 30. November 2023

 

Vor der Landtagswahl hatte man den Eindruck, Südtirol habe ein massives Sicherheitsproblem. Davon profitiert hat vor allem eine Partei.

Ach, was muss man oft von bösen Kindern hören oder lesen! Wie zum Beispiel hier von diesen, welche Max und Moritz hießen.“ Mit diesen Zeilen beginnt das gleichnamige Buch von Wilhelm Busch. Die bösen Buben seien sogar zur Übeltätigkeit bereit – doch wehe, wehe ...

Vor der Landtagswahl hatte man den Eindruck, in Südtirol wimmle es geradezu von solch bösen Buben. Es verging kein Tag, an dem nicht von einer Schlägerei berichtet wurde, von gewalttätigen Jugendbanden oder von Männern, die kleine Kinder mit Bonbons ins Auto locken würden. Besonders in den sozialen Medien ging die Post ab, da konnte man nachlesen, was alles mit den Tätern passieren müsse, sollte man sie erwischen. Doch auch in klassischen Medien wie Zeitungen, Radio oder Fernsehen erhielt das Thema „Sicherheit“ viel Platz. Nach der Landtagswahl hat sich das Bild geändert. Das Thema „Sicherheit“ ist wieder in den Hintergrund gerückt. Medial. Gesellschaftlich. Und auch politisch. Warum eigentlich?

Die Zahlen geben es nicht her, Südtirol als unsicheres Land abstempeln zu können. Nach Angaben des Statistikinstituts Istat wurden 2018 in Südtirol im Durchschnitt 42 Delikte pro Tag bei den Behörden angezeigt. Im Vorjahr waren es 45 Delikte pro Tag. Das ist eindeutig eine Zunahme – und nicht schönzureden. Allerdings stehen wir besser da als andere Provinzen.

Umgerechnet auf die Einwohnerzahl wurden in Südtirol im Jahr 2022 etwa 30 Delikte pro 1.000 Personen angezeigt. In der Provinz Brescia waren es zum Beispiel 34, in der Provinz Turin 52, in der Provinz Rom 55 und im gesamtitalienischen Durchschnitt 38 Delikte pro 1.000 Leuten.
Damit soll das Thema Gewalt nicht verharmlost werden. Im Gegenteil. Es ist aufzugreifen und mit Besonnenheit und Konsequenz anzugehen. Was aber wenig hilft, sind Zündler, die das Thema künstlich aufbauschen. Oder politische Gruppierungen, die sich als vermeintliche Problemlöser aufspielen – und gar keine Lösungen anbieten. Die Südtiroler Freiheit und ihr Chef, Sven Knoll, tun so, als ob sie das Land im Handumdrehen sicherer machen könnten. Dazu stellen sie Videos ins Netz, auf denen man sieht, wie Jugendliche – zum Beispiel in Meran – aufeinander losgehen.

Knoll kennt die Schuldigen offenbar bestens und schreibt von „mehreren Ausländern“, die „auf einen Mann eingeschlagen“ hätten. Sein Patentrezept, um solche Schlägereien künftig zu verhindern: „Für so ein Verhalten darf es keine Toleranz mehr geben. Diese Leute müssen sofort aus Südtirol entfernt werden. Wir wollen diese Kriminellen nicht in unserem Land!“

Das klingt natürlich hart und entschlossen. Was aber, wenn diese „Ausländer“ gar keine solchen sind, sondern italienische Staatsbürger? Was, wenn mit den betreffenden Ländern keine Abkommen vorliegen, die eine Abschiebung überhaupt ermöglichten? Und was tun wir, wenn das nächste Mal Bozner und Sarner einander an die Gurgel gehen? Auch abschieben?

Die Südtiroler Freiheit weiß natürlich ganz genau, was sie tut. Das Schüren der Angst hat bereits bei der Landtagswahl gezogen, nun sitzen vier statt zwei ihrer Leute im Hohen Haus. Da stellt sich unweigerlich die Frage, ob die bösen Buben und Mädchen nur vor dem Landtag ihr Unwesen treiben.

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