Leitartikel

Die Not der Italiener

Aus ff 02 vom Donnerstag, den 11. Januar 2024

 

Bei der Besetzung der Landesregierung tut die SVP alles, um die Italiener in Verlegenheit zu bringen. Aber Politik ist nur nachhaltig, wenn sie alle mitnimmt.

Wenn jetzt die italienische Sprachgruppe nicht zwei Landesräte bekommt, ist das der endgültige Beweis, dass die Italiener im Land nichts zählen. Und wenn Christian Bianchi von der Lega nicht Landesrat wird, wird das den endgültigen Niedergang der Lega bedeuten, des Verbündeten der SVP in den Jahren 2018–2023. Massimo Bessone und Giuliano Vettorato waren treue Vasallen, so treu, dass ihre Partei bei den Wahlen dahinschmolz wie Eis in der Sommersonne.

Die Italiener sind bei der Landtagswahl den Wahllokalen ferngeblieben, nur 50 Prozent von ihnen haben ihr demokratisches Recht ausüben wollen. Sie waren der Meinung, dass eh alle Politiker gleich sind, die Italiener sowieso nichts zählen. Wenn eine Sprachgruppe meint, dass sie nichts zählt, ist das eine Gefahr für das friedliche Zusammenleben im Land. Wenn die Politik, wer auch immer, nicht imstande ist, die Italiener mitzunehmen, ist Südtirol politisch nicht nachhaltig genug.

Landeshauptmann Arno Kompatscher, dem es obliegt, die Mitglieder der Landesregierung zu benennen, hat noch einmal probiert, die Italiener kleinzumachen, obwohl sie mit fünf Vertretern im Landtag eh schon klein sind (bei einem Anteil an der Bevölkerung von 26 Prozent). Sein Vorschlag: elf Landesräte, wenn Fratelli d’Italia, Lega und Angelo Gennaccaro (der Mann der Mitte mit einem Radius von 360 Grad) sich zur Koalition bekennen, also 19 Abgeordnete die Regierung stützen. Fällt einer aus, gibt es als Strafe nur acht Landesräte und einen Italiener in der Regierung. Wer es wird, darauf sollen die Koalitionspartner sich einigen. Acht ist die unwahrscheinliche Lösung, das würde den Pakt der Italiener sprengen und das Gleichgewicht in der SVP stören, aber Kompatscher kann hinterher sagen: Schaut her, ich bin wieder einmal zu etwas gezwungen worden, was ich nicht wollte.

Es ist ein fieser Schachzug, der Zwietracht sät und darauf abzielt, die Partner zu schwächen. Einigen sie sich nicht, halten die Italiener den Schwarzen Peter in der Hand. In ihrer Schwäche neigt die SVP immer noch zu politischen Spielchen, die das Klima in jeder Regierung vergiften müssen. Wie wollen diese Leute in den kommenden fünf Jahren zusammen regieren?

Jetzt ist das Koalitionsprogramm öffentlich und vom Parteiausschuss der SVP abgesegnet worden. Es ist glatt wie eine Eisfläche, die gerade von der Eismaschine gereinigt wurde. Bedenklich stimmt zum Beispiel der Versuch, die Freiheit der Landtagsabgeordneten durch einen Koalitionsausschuss einzuschränken. Ihm sollen die Abgeordneten der Mehrheit Beschluss- und Abänderungsanträge vorlegen, bevor sie in den Landtag gehen. Das beschränkt die Freiheit der Abgeordneten. Sie können nur mehr die Hand heben. Warum lassen sich Locher & Co das gefallen?

Und was noch bedenklich ist: Die Koalition will „einen Medien-beirat errichten, der kontinuierlich Südtirols Medien- und Informationslandschaft beobachtet, Fehlentwicklungen evaluiert und handlungsanleitende Maßnahmen für die Politik erarbeitet und vorschlägt“.

Was soll das? Aufgabe der Politik ist es, die Rahmenbedingungen für freie Berichterstattung zu schaffen, die Unabhängigkeit der Medien zu wahren und nicht sie zu kontrollieren.

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