Leitartikel

Jeder für sich

Aus ff 16 vom Donnerstag, den 18. April 2024

 

Josef Noggler ist jetzt wieder Rebell. Er steht exemplarisch für den Zustand der SVP. Und für einen Politikbetrieb, der von Kränkungen getrieben ist.

Josef Noggler ist ein erfahrener Politiker, er sitzt seit 2008 für die SVP im Südtiroler Landtag. Er galt einmal als Rebell, zusammen mit Arnold Schuler, der später als Landesrat Karriere machte. Beide wurden etwas, Noggler freilich etwas weniger als Schuler. Aber immerhin: Man konnte vor Rebellen das Präfix Ex setzen. In der letzten Legislatur musste Noggler sich als Landtagspräsident Zurückhaltung auferlegen, obwohl das nicht seine Natur ist. Aber er kann auch die Rolle eines Zeremonienmeisters gut ausfüllen.

Jetzt ist Noggler (siehe eigenen Artikel in diesem Heft) wieder ein Rebell, er stänkert gegen seine eigene Partei, die SVP, er treibt sie vor sich her, wo er nur kann. Er hat den Posten eines Vizepräsidenten des Regionalrates eingeheimst. Und er hat seiner Partei den Vorsitz in einer Gesetzgebungskommission im Landtag abgerungen, gegen deren Willen. Was wiederum Nogglers Fraktionskollegen Franz Locher zornig gemacht hat. Was Locher missmutig macht, freut freilich die Opposition, im Landtag darf sie jetzt immer damit rechnen, dass die Regierungskoalition untergeht.

Noggler ist jetzt wieder, offen, ein Rebell, beim Kollegen Schuler ist es beim Ex geblieben, er sitzt jetzt auf dem Posten des Landtagspräsidenten, den Noggler gerne gehabt hätte. Aber warum hat das Rebellentum immer mit einem Posten zu tun?

Der Fall Noggler ist exemplarisch für die SVP, in der die Fliehkräfte groß sind – und die mit eigenwilligen Persönlichkeiten schlecht umgehen kann. Selbst ein neuer Parteiobmann wird sich schwertun, die Kräfte zu bündeln, die Partei zu einen, die SVP auf das Gemeinwohl auszurichten – zu stark sind die Einzelinteressen in der Partei geworden.

Dieter Steger, der designierte Obmann, wird es nicht leichter haben, als Philipp Achammer es gehabt hat. Denn da sind die Interessen der Lobbys, da sind die Interessen von Privatpersonen, die Interessen von beleidigten Männern und (einzelnen) Frauen, die sich nicht den Beschlüssen der Partei unterordnen, Niederlagen nicht akzeptieren können und wollen. Noggler etwa ist gerade mit allen beleidigt.

Der Fall Noggler steht auch für einen Politikbetrieb, der sich immer mehr aufsplittert, kaum jemand will einen Schritt zurück machen. Wenn mir meine Partei nicht mehr passt, bin ich in der Partei außerhalb der Partei wie Noggler. Oder ich gründe gar eine eigene Partei oder wenigstens eine eigene Fraktion im Landtag wie der Ex-Freiheitliche Andreas Leiter Reber. Er hat seine Partei verlassen, als sie schwach (Ergebnis bei der Landtagswahl) und stark zugleich war (die Freiheitlichen wurden der erste deutsche Koalitionspartner in der Landesregierung, seit es eine gibt). Aber vielleicht ist der Austritt auch konsequenter und ehrlicher, als in einer Partei zu bleiben, von der man sich nicht wertgeschätzt fühlt. Es würde Klarheit schaffen. Und freilich: Die Landesregierung (SVP, Freiheitliche, Fratelli d’Italia, Lega, Lista Civica) ohne Mehrheit zurücklassen,

Unterordnung unter die Beschlüsse der Partei, sich an Inhalte halten, die gemeinsam festgelegt, Personalentscheidungen, die mehrheitlich getroffen wurden – das war in der SVP einmal. Das war früher, als die Partei sich noch als Wertegemeinschaft begriff. Wusste, wer sie war.

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