Leitartikel

Die da oben

 

Die Regierung will mit der Verfassungsreform die Macht in der Hand des ­Ministerpräsidenten konzentrieren. Das wäre ein Schaden für die Demokratie.

D

ie italienische Regierung will die Verfassung demontieren. Sie stammt aus dem Jahr 1948, sie ist in der Erinnerung an die Jahre des Faschismus entstanden, als die Macht in den Händen des Mannes an der Spitze, Benito Mussolini, gebündelt war. Wir wissen, was der Duce mit dieser Macht gemacht hat, doch einige Leute aus der italienischen Rechts-rechts-rechts-Regierung tun heute so, als könne man das einfach vergessen oder als sei Mussolini gar ein ehrenwerter Staatsmann gewesen.

Giorgia Meloni und die Fratelli d’Italia wollen nun durch die Reform der Verfassung die Macht in der Hand des Ministerpräsidenten oder der Ministerpräsidentin konzentrieren. Ihr Entwurf sieht eine Direktwahl vor. Und er oder sie würde über sehr viel mehr Macht verfügen als bisher.

Die Regierungspartner folgen Meloni willfährig, jeder der drei hat ein Ziel: FdI die Direktwahl des Ministerpräsidenten; die Lega die „Autonomia differenziata“ (die es der Regierung erlaubt, eine Vielzahl an Kompetenzen an Regionen mit Normalstatut abzutreten und die wie die Verfassungsreform viele kritische Punkte aufweist); Forza Italia die Justizreform mit der Trennung der Karrieren von Richtern und Staatsanwälten.

Die Südtiroler Volkspartei wartet noch auf Zugeständnisse, etwa im Wahlrecht, um laut im Chor mit den Fratelli zu singen (in der Landesregierung in Bozen übt man ja schon). Sie trottet in der Erwartung auf ein paar Brosamen hinter den Rechten her. Und folgt damit der autoritären Versuchung. Was kümmert die Partei schon die Verfassung, die garantiert, dass in diesem Staat niemand zu viel Macht hat? In Rom sitzt man ja nur, Julia Unterberger einmal ausgenommen, um für Südtirol zu holen, was geht. Egal, wie es um den Rest des Landes steht. Die Aufgabe eines Mitglieds des Parlaments wäre es (der Konjunktiv ist hier geboten), auf das Gemeinwohl zu schauen.

Die feine Balance der Kräfte in der italienischen Verfassung hat einen Grund. Die Väter der Verfassung wussten, dass, wer die Macht hat, immer in Versuchung ist, sie zu vergrößern oder zu missbrauchen, dass Macht eine Eigendynamik entwickelt. Mit der Verfassungsreform wird die Rolle des Parlaments verkleinert, der Staatspräsident zu einem Grüßaugust degradiert. Der starke Mann oder die starke Frau an der Spitze war schon immer ein fiebriger Traum von Rechten und Rechtsextremen.

So werde der Staat stabiler, sagen die Befürworter, Regierungswechsel erschwert. Was ist der Preis? Der Preis ist die Demokratie. Die demokratischen Spielräume würden eng, das Parlament, und damit das Volk, entmachtet. Auch die Parlamentarier der SVP würden in Rom keine Rolle mehr spielen, wenn es für die siegreiche Koalition (oder Partei) einen Mehrheitsbonus gibt.

Das heißt, die Fratelli d’Italia würden mit vielleicht 30 Prozent die Mehrheit im Parlament stellen. Als Mehrheitsbeschaffer kann die SVP dann nicht mehr dienen.

Wollen wir uns wirklich nur auf einen Mann, eine Frau ganz oben verlassen?

Noch ist der Weg zur Verfassungsreform weit, es ist kompliziert. Am Ende steht vielleicht eine Volksabstimmung. Aber wie demokratisch das Land ist, das geht auch uns etwas an.

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