Leitartikel

Wird es das wert gewesen sein?

Aus ff 33 vom Mittwoch, den 14. August 2024

Die SVP hat sich den Fratelli d’Italia hingegeben. Der Autonomie wegen. Und schaut ungerührt zu, wie Italien von Giorgia Meloni autoritär umgebaut wird.

Für die Autonomiereform kuschelt die SVP mit Giorgia Meloni und ihren Brüdern und Schwestern im Geiste. Nur deshalb, so sagt Arno Kompatscher, sei er im Land den Pakt mit Rechten und Rechtsrechten eingegangen (siehe Titelgeschichte in diesem Heft). Alles andere zählt nicht. Wenn es um andere Minderheiten geht, sind Fratelli d’Italia und Lega nicht so freundlich.

In Rom hütet sich die Mehrzahl der SVP-Parlamentarier, alle bis auf eine, sich gegen die Regierungskoalition aus Fratelli d’Italia, Lega und Forza Italia zu wenden. Wenn es etwa um das Recht auf Abtreibung oder um Migranten geht, die in Lager in Albanien gesperrt werden, oder wenn die Rechtsrechts-Koalition Posten nach Belieben besetzt, vor allem im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die EU hat Italien wegen des Versuchs, die Rai willfährig zu machen, schon gerügt.

Die SVP hat zu alledem nichts zu sagen. Auch nicht, wenn irgendeinem Funktionär der Fratelli die Hand zum römischen Gruß entgleist. Es sei denn, es geht um eine Briefmarke. Abgebildet ist darauf der Philosoph Giovanni Gentile (1875–1944), der als faschistischer Unterrichtsminister dafür gesorgt hat, dass die deutsche Schule in Südtirol verboten wurde. Die Entrüstung über die Briefmarke ist billig, das Manöver leicht durchschaubar: Es kann nicht viel passieren, aber Achammer, Steger & Co. machen eine gute Figur. Derweil regiert man in Bozen (und mehr oder weniger auch in Rom) ungerührt mit FdI, auch wenn man vielleicht von den Kameraden nicht viel hält.

Für die SVP kann es nie genug Autonomie sein, wenn es dem Machterhalt dient, man so mehr Geld verteilen kann. Die herrschende Erzählung ist seit einiger Zeit, befördert von Verfassungsrechtlerinnen und -rechtlern, dass die Autonomie durchlöchert ist, die Kompetenzen durch das Verfassungsgericht ausgehöhlt worden sind. Im Alltag merkt man kaum etwas davon, Südtirol hat so viel Geld wie nie zuvor. Und vielleicht ist es bei den Allmachtsfantasien der SVP gar nicht so schlecht, wenn irgendwo jemand ist, der denen in Bozen Einhalt gebietet.

Arno Kompatscher hat seine letzte Regierungszeit an die „Wiederherstellung“ der Autonomie gebunden. Die Sache ist kompliziert, der Weg dahin zäher als erwartet. Im Herbst, wie vom Landeshauptmann versprochen, wird es sicher nicht so weit sein. Optimistisch gerechnet, wird es mindestens zwei Jahre dauern. Der Prozess hängt auch von den anderen großen Reformen der Regierung Meloni ab: Direktwahl des Ministerpräsidenten, Trennung der Karrieren von Richtern und Staatsanwälten, differenzierte Autonomie (dazu kommt vielleicht eine Volksabstimmung).

Zu alledem hat die SVP wenig zu sagen, auch wenn die Verfassung umgestülpt wird wie ein alter Strumpf, die Balance der Gewalten ausgehebelt, die Macht des Parlaments, des Gesetzgebers, beschränkt wird – und damit auch die Macht des Volkes.

SVP und Landesregierung unterwerfen alles dem einen Ziel, der „Wiederherstellung“ der Autonomie (die gut funktioniert, wie sie funktioniert). Derweil wird Italien zu einer illiberalen Demokratie umgebaut. Und die SVP schaut nur auf sich, für das Gesamte übernimmt sie keine Verantwortung. Sie wird sich einmal fragen lassen müssen: War es das wert?

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