Leitartikel

Unfair und ungerecht

Die Politikerrenten sind wieder zurück. Das ist ein fatales Signal in Zeiten, in denen die Mindestrenten nur um 3 Euro pro Jahr steigen.

V

or zehn Jahren wurde Südtirol vom Politrentenskandal heimgesucht. Es war herausgekommen, dass sich Landtagsabgeordnete enorme Vorschüsse gönnen wollten, um die damals als zu üppig empfundenen Politikerrenten zu senken.

Der Skandal hatte das Zeug, die frisch gewählte Regierung unter Arno Kompatscher (SVP) in den Abgrund zu reißen. Der Landeshauptmann hatte alle Hände voll zu tun, um Volkes Seele zu beruhigen. Kompatscher sagte 2014 also Sätze wie: „Politiker dürfen nicht besser behandelt werden als Normalsterbliche.“

In Windeseile arbeitete er mit seinem Trentiner Amtskollegen ein neues Gesetz aus, das die Politikerrenten reformierte. Für die neuen Abgeordneten sollte es keine Privilegien mehr geben. Kompatscher damals zu ff: „Wir gehen mit 67 Jahren in Rente und bekommen rund 2.800 Euro aus der Ergänzungsvorsorge, zu der wir selbst beitragen.“

Das ist Schnee von gestern.
Vor ein paar Tagen beschloss der Regionalrat – Kompatscher ist derzeit Präsident der Regionalregierung – ein neues Gesetz zur Rentenregelung für Abgeordnete. Es sieht vor, dass sie künftig mit einer Legislaturperiode Anspruch auf eine monatliche Rente erhalten; sie soll um die 800 Euro netto betragen. Mit zwei Legislaturen steigt diese Rente auf etwa 1.500 Euro. Und so weiter.

Es ist die Rückkehr zur alten Regelung vor dem Politrenten-skandal – mit (derzeit noch) geringeren Beträgen. Der Einbringer des Gesetzes, Roberto Paccher (Lega), verteidigt die Neuregelung damit, dass sie die öffentliche Hand weniger koste als die bisherige Regelung. Das erinnert fatal an die Absichten von vor zehn Jahren. Auch damals wollte man sparen und den Abgeordneten dafür einmalige Vorschüsse auszahlen. Das führte dazu, dass seitdem jedes Jahr einige ehemalige Abgeordnete eine sechs- oder siebenstellige Summe ausbezahlt bekommen. Insgesamt waren es bisher mehr als 18 Millionen Euro.

Selbst namhafte SVP-Leute sind wenig begeistert vom neuen Gesetz. So erklärte etwa Merans Vizebürgermeisterin Katharina Zeller in den Dolomiten: „Wenn man in Zeiten wie diesen statt anderen zu helfen bei sich selbst anfängt, ist dies nicht das richtige Signal.“ Drastischer formuliert es Tony Tschenett, Chef der Gewerkschaft ASGB. Er spricht von einem „Skandal“ und einem „Schlag ins Gesicht für alle Arbeitnehmer“: „Während immer mehr Rentner nicht wissen, wie sie das tägliche Leben bestreiten sollen, beschließen Politiker in einer Hauruck-Aktion Privilegien, die weit jenseits jeglicher Realität für normale Arbeitnehmer liegen.“

Tschenett macht dazu ein Beispiel: Eine öffentlich Angestellte, die 1999 mit einem Gehalt von 23.000 Euro begonnen hat und 2024 das Doppelte verdient, erwirtschaftet in 25 Jahren Beitragszahlung eine Rente von
750 Euro brutto. Davon werden noch die Steuern abgezogen. Und das nach jahrzehntelanger harter Arbeit.

Bei den Abgeordneten reicht es, fünf Jahre im Landtag zu sitzen, um auf eine Rente von 800 Euro netto zu kommen. Noch dazu dürfen sie das Geld bereits mit 64 abgreifen, während Normalsterbliche erst mit 67 in den Genuss einer Rente kommen. Das sei – und da hat Tschenett völlig recht – unfair und ungerecht. Außerdem ist es ein fatales Signal in Zeiten, in denen die Mindestrenten nur um 3 Euro pro Jahr steigen. Da darf man sich nicht wundern, wenn sich die Menschen enttäuscht und angewidert von der Politik abwenden.

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