Leitartikel

Fatale zehn Prozent

 

Ist es in Zeiten wie diesen angebracht, dass Politiker sich ihr Gehalt erhöhen? Nein. Das zeigt, wie weit weg die da oben von denen da unten sind.

Verdient der Landeshauptmann genug? Sind 14.000 Euro brutto im Monat zu viel oder zu wenig?

Im Interview mit dem Alto Adige sagt Arno Kompatscher nicht, 14.000 Euro seien zu wenig. Aber er sagt, der Direktor einer Bank verdiene ein Stück mehr, auch in seinem früheren Berufsleben habe er schon mehr verdient.

Die Abgeordneten des Regionalrats, der sich aus den Landtagen der Provinzen Bozen und Trient zusammensetzt, gönnen sich jetzt 1.000 Euro brutto im Monat mehr. Zerstritten haben sie sich über dem Thema nicht. Arno Kompatscher sagt, das sei eine Initiative der Abgeordneten gewesen – so, als wäre er nicht einer von ihnen. Und so habe man verhindern wollen, dass die Entschädigung für die Abgeordneten noch mehr steige, um 17 statt nur um 10 Prozent.

Wie edel, nur 10 Prozent, nur 1.000 Euro im Monat! Einfach so, während Lehrpersonen, Krankenschwestern oder Straßenarbeiter jahrelang um ein bisschen mehr Geld ringen müssen.

Nun, Politiker dürfen ordentlich verdienen, wenn sie ihre Arbeit tun, sei es an der Regierung, sei es in der Opposition. Es ist ein harter Job, nur wenige wollen ihn noch machen: wenig Lob, viel Kritik, viele Verpflichtungen, wenig Privatleben, große Vorhaben, kleine Wirkung. Die Politikerschelte, die Wut auf sie, ist gewiss nicht immer angemessen. Oft unfair. Und ja, die Gehälter von Führungskräften in der Privatwirtschaft sind schamlos hoch, viel höher als in der Politik. In der Krise haben die Manager nicht die Menschen gerettet, für die sie Verantwortung tragen, sondern sich selbst. Aber das taugt nicht als Begründung für Gehaltserhöhungen in der Politik.

Die Erhöhung der Entschädigung der Abgeordneten zeigt, dass sie sich von der Wirklichkeit entkoppelt haben, von der Wirklichkeit der Menschen, die sie gewählt, für die sie Sorge zu tragen haben. Sonst müssten sie sagen, wir verdienen genug, viel mehr als die Südtirolerinnen und Südtiroler im Durchschnitt, wir erhöhen uns unser Gehalt nicht.

Die Abgeordneten müssten eigentlich wissen, dass viele Menschen Schwierigkeiten haben, mit ihrem Gehalt ans Monatsende zu kommen, viele Seniorinnen und Senioren von einer Rente leben, die beschämend klein ist. Die -Sozialausgaben des Landes steigen, weil die Leute sie brauchen. Wissen die Abgeordneten, wie viel die Mindestpension in Italien beträgt?

Sie liegt bei 617,9 Euro – ein Abgeordneter in Rom verdient um die 16.000 Euro im Monat. Bestimmt wissen sie, wie es um Geringverdiener steht, aber warum haben sie sich dann selbst das Gehalt erhöht?

Wenn Politiker in einer Zeit, in der viele Menschen das Gefühl haben, Verlierer zu sein, sich einfach so ihre Bezüge erhöhen, erzeugt das Frust. Und Wut. Dann bestätigt das den Eindruck, die da oben sind weit, weit weg. Das entfernt die Menschen von der Demokratie.

Verzicht ist ein Wort, das niemand gerne hört oder in den Mund nimmt. Politiker umschreiben es, wenn sie von den Folgen eines Gesetzes reden. Doch ein Politiker, der auf Geld verzichtet, könnte sich auf einen Schlag beliebt machen.

Ein Verzicht auf mehr Gehalt wäre ein guter Zug, um die Akzeptanz der Demokratie und das Ansehen der Politik insgesamt zu fördern.

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