Leitartikel

Politik, die den Leuten misstraut

Aus ff 06 vom Donnerstag, den 06. Februar 2025

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Zuerst beschließen, dann informieren. Der Umgang mit dem Hofburggarten in Brixen ist ein Musterbeispiel – für die mangelnde Bürgerbeteiligung im Land. von Georg Mair, Chefredakteur

Wie man es nicht macht mit der Bürgerbeteiligung, hat die Gemeinde Brixen gerade vorgemacht. Die Leute dürfen nicht mitreden, sie werden informiert – der Passiv passt in diesem Fall perfekt.

Es geht um den Garten der Hofburg, eine grüne Insel mitten in der Stadt (siehe auch Artikel ab Seite 16). Er gehört der Kurie, die Gemeinde zahlt dafür schon seit vielen Jahren Miete – da hat sich einiges zusammengeläppert für die Kirche.

Die Gemeinde hat die Gestaltung des Gartens in die Hände von André Heller gelegt. Sie hat sich blenden lassen von der Aura dieses Spektakelmachers, der bekannt ist für seine (rhetorischen) Feuerwerke. Er will daraus nichts weniger als „ein Paradies“ machen. Mit Pflanzen und Kunstwerken, für die Kunstwerke hat er den Südtiroler Kunsthistoriker und Leiter des Kunstvereins in Wien, Günther Oberhollenzer, verpflichtet. Einen Heller-Lobredner.

Die Gemeindebosse, die sich Heller ausgeliefert haben, wollen eine Attraktion für den Tourismus. Auch wenn sie beteuern, dass sie nur im Interesse der Bürgerinnen und Bürger handeln und mit Gratis-Eintritt locken.

Doch wie sehr die Gemeindemächtigen der Bevölkerung misstrauen, hat sich vergangene Woche gezeigt, als auch André Heller, 77, in der Stadt war, um sein Projekt vorzustellen. Der Gemeinderat stimmte, mehrheitlich, für das Heller-Projekt. Und stellte es am nächsten Tag im Forum der Bevölkerung vor. Man informiert erst, wenn schon Fakten geschaffen sind. Heller war da schon nicht mehr dabei.

Das Vorgehen zeigt, dass die Regierenden noch immer nicht verstanden haben, was für Politikverdrossenheit sorgt, warum Menschen nicht wählen gehen, warum sie für Demokratie und Engagement nur mehr ein Schulterzucken übrig haben, warum sie sich nicht ernst genommen, nicht ausreichend informiert fühlen, warum sie glauben, dass man eh nichts machen kann.

Brixen ist dafür ein Musterbeispiel.

Denn ähnlich läuft es bei anderen Projekten. In Antholz wird für die Biathlon-Anlage für Olympia 2026 gigantisch viel Geld ausgegeben, im Pustertal werden die Straßen für die Spiele ausgebaut, so, dass man auch hinterher durchs Tal brettern kann, in Ulten hat man sich erst nach langem Zögern und Protest auf eine Bürgerbeteiligung beim Bau des Pumpspeicherkraftwerks eingelassen – wenigstens das.

Ein Projekt wie der Hofburggarten würde sich gut für eine Volksabstimmung eignen. Wo Argumente ausgetauscht, Kosten (14 Millionen Euro und dabei wird es nicht bleiben) und die Folgen abgewägt werden und dann die Bürgerinnen und Bürger, gut informiert, entscheiden.

Demokratie lebt von Debatte, aber es darf keine Schein-debatte sein. Sie lebt davon, dass die Menschen das Gefühl haben, sie dürfen wirklich mitreden, nicht nur reden, ohne dass es Folgen hat. Ja, solche Prozesse sind mühsam, sie erfordern viel Zeit und Geduld – und man hat schnell Querulanten am Hals. Demokratie ist so, sie erfordert Zeit und Geduld – und zerrt manchmal an den Nerven.

Ein Manko der (Südtiroler) Demokratie ist, dass es trotz der Versprechen (die vor den Wahlen an- und hinterher schnell abschwellen) keine echte Bürgerbeteiligung gibt.

Leserkommentare

1 Kommentar
Phil
06. Februar 2025, 13:41

Ja leider ist es so, was mir aber schon auch ziemlich zu bedenken gibt, ist die gewaltige Summe von 14 Millionen. Und dabei ist die Finanzierung noch gar nicht gesichert. Damals 2010-11 wurde in Sand in Taufers die Cascade, das Hallenbad errichtet (ja ein ganzes Hallenbad!), um ungefähr der selben Summe. Damals hat der Bürgermeister ebenfalls von einer Finanzierung über mehrere Millionen vom sogenannten Freundeskeis geredet, die Freunde waren dann allerdings nicht mehr so spendabel. Dies hat unter anderem dazu geführt, dass Sand in Taufers damals zur meist verschuldensten Gemeinde Südtirol wurde. Ich dachte mir damals, dass so eine irrwitzige Finanzierung für alle eine Lehre wäre, aber wie man sieht wird es wohl wieder so kommen. antworten

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