Leitartikel

Wo bleibt die Kreativität?

 

Die Talferwiesen vegetieren vor sich hin. Warum die Bozner Stadtverwaltung mitverantwortlich für das Abwandern der klugen Köpfe ist.

Ich kann Kollege Florian Kronbichler nur zustimmen. „Schäm Dich, Bozen!“, schrieb er im August des Vorjahres in seiner Außensicht (ff 31/2024). Bozens Central Park – so bezeichnete er die wunderbaren Talferwiesen – hätte keine öffentlichen Toiletten. Ein Skandal. In der Tat: Was sich die Landeshauptstadt mit dieser grünen Oase leistet, ist kaum in Worte zu fassen. Und steht exemplarisch für eine von Bürokratie getriebene Gemeindepolitik, die jede Kreativität im Keim erstickt.

Ein sonniges Wochenende liegt hinter uns. Tausende von Boznerinnen und Boznern zog es an die Talfer. Bedauerlich nur, dass ihnen nichts als Spazierengehen blieb. Sie hielten weder an, um sich in ein schönes Café zu setzen, noch um sich ein Eis zu kaufen und erst recht nicht, um einen Aperitif zu trinken. Warum? Weil es schlicht nichts gibt.

Der einzige Lichtblick – das Ahoi, also das Minigolf von Tobe Planer – ist in Winterpause. Was bleibt, ist die Antonius-Bar mit ihren skandalös weißen Plastikstühlen. Wer will hier schon seinen Sonntagnachmittag verbringen? Cool ist etwas anderes.

Cool ist das, was in anderen Städten passiert. Städte wie Berlin, Wien, Zürich würden sich reißen um diese Grünflächen entlang der Talfer.

Und sie würden sie beleben. Etwa mit Bars, Restaurants, Eisständen oder Biergärten, sie würden einen Teil mit feinstem Sand aufschütten, den Strand mit gestreiften Liegestühlen bestuhlen, mobile Grillstationen installieren, Konzerte, Theater, Freiluftkino, Yoga-Sessions, Workshops oder Performances organisieren. Und die jungen Menschen abends zu Elektro unter freiem Himmel tanzen lassen.

Die vergangenen Tage wurde viel über den Brain Drain geschrieben, also über die klugen Köpfe, die aus Südtirol abwandern. Ich bin überzeugt: Die trostlosen Talferwiesen – wenn auch mit schön renovierter Wasserpromenade – sind mitverantwortlich dafür. Nicht die Wiesen an sich, sondern ihre Führung. Sprich die Gemeinde, die nichts dafür tut, dass sich Bozen zu einer weltoffenen Stadt entwickelt.

Bozen braucht dringend eine nutzergetriebene moderne Stadtentwicklung. Und die Talfer hätte das Potenzial, die Stadt cooler zu machen. Hallo! Bozen ist eine Universitätsstadt! Lasst die Studierenden ran, sucht euch ein paar mutige Gastronominnen, die Lust haben etwas zu verwirklichen. Liebe Stadtverwaltung, öffnet euch doch endlich für Ideen. Blickt über den Tellerrand. Nutzt die Zeit des Wahlkampfs, um euch inspirieren zu lassen. Nicht von den Laubenkönigen, sondern von einer modernen Generation, die anderswo gelebt und studiert hat, die weiß, wie sich Stadtgefühl anfühlt. Und macht das wieder gut, was ihr in der vergangenen Legislatur in der Altstadt verbockt habt. Anstatt Kreativität zu fördern, habt ihr sie per Gesetz abgeschafft. Die Freiflächen vor den Gastlokalen wurden vereinheitlicht, die hübschen bunten Sonnenschirme bei den Fischbänken sind seither Geschichte. Das war kein Akt des Schönen, es war ein Akt der Langeweile. So was braucht keine weltoffene Stadt.

Die Talfer braucht keinen Heller und auch keinen Eintritt. Sie braucht Buntes, Innovatives und Kreatives, aber auch Gärtnerinnen und Gärtner, die sie pflegen und hegen. Und wichtig: Sie braucht Ordnung, Kontrolle. Und hier gilt: je mehr Leben – desto weniger Gefahr.

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