Leitartikel

Nicht jeder Rekord ist ein Glück

 

Südtirols Tourismus erklimmt ständig neue Höhen. Das hat gute Seiten – und schlechte. Die Tourismustreibenden müssen auf der Hut sein.

Von September 2024 bis Februar 2025 kamen 3,93 Mil

Nicht jeder Rekord ist ein Glück

Südtirols Tourismus erklimmt ständig neue Höhen. Das hat gute Seiten –
und schlechte. Die Tourismustreibenden müssen auf der Hut sein.

von Karl Hinterwaldner, Vize-Chefredakteur

lionen Touristen nach Südtirol. Das sind um 0,6 Prozent mehr als im selben Zeitraum ein Jahr zuvor – und um 9,5 Prozent mehr als vor fünf Jahren. Der Tourismus eilt von Rekord zu Rekord. Das ist für die Branche – und für das Land – gut und schlecht zugleich.

Gut ist es, weil Wachstum höhere Einnahmen schafft und damit auch mehr Geld etwa in Löhne, Sozialleistungen und Steuern fließen. Außerdem steigt die Beschäftigung, während die Arbeitslosigkeit sinkt. Das kommt nicht nur dem Tourismus, sondern auch Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zugute.

Schlecht ist es, weil immer mehr Menschen mit dem Tourismus hadern. Sie nehmen ihn als etwas wahr, was ihnen mehr nimmt als gibt. Er wird verantwortlich gemacht für verstopfte Straßen, verbaute Natur oder steigende Wohnungspreise.

Südtirol zieht die Massen an, weil das Land so schön ist. Natürlich tragen aber auch die Tourismustreibenden zu den Rekorden bei; sie arbeiten fleißig und verstehen es, ihre Interessen durchzusetzen.

Und so entwickelt sich der Tourismus in Südtirol weg von den Saisonen hin zum Ganzjahresbetrieb. Die Gäste kommen also nicht mehr nur im Sommer oder im Winter. Sie sind immer da. Außerdem ist auch der Trend zu mehr Luxus klar erkennbar: Die Anzahl der 4- und 5-Sterne-Betten nimmt zu, während die der unteren Kategorien abnimmt. Der Luxus aber hat seinen Preis. Er benötigt mehr Personal und mehr Ressourcen, etwa mehr Wasser oder mehr Energie.

In Zeiten, in denen alles knapper wird, ist das eine Gratwanderung. Denn aus der Wirtschaftslehre wissen wir, dass mehr Nachfrage bei geringem Angebot die Preise nach oben schnellen lässt. Die hohen Preise gelten aber für alle, für Gäste genauso wie für Einheimische.

Dazu kommt die angespannte Lage bei der Personalsuche. Bereits heute stammt nur mehr rund die Hälfte des im Tourismus angestellten Personals aus Südtirol. Und es werden immer weniger. Denn die Betriebe greifen immer häufiger auf ausländische Arbeitskräfte zurück. „Drei von vier Neuangestellten kommen aus dem Ausland“ – das ist kein Spruch von Populisten, sondern kann im jüngsten Südtiroler Arbeitsmarktbericht nachgelesen werden. Beherbergung und Gastronomie sind bei dieser Entwicklung ganz vorne dran.

Dass das auch Probleme mit sich bringt, liegt auf der Hand. Ausländische Arbeitskräfte erhalten oft befristete Verträge oder müssen sich selbst um ihre Unterkunft kümmern. In einem Land, in dem Wohnraum knapp ist, ist das kein einfaches Unterfangen. Gerade dann, wenn Servierkraft oder Küchenhilfe nicht viel mehr verdienen, als das Dach über dem Kopf kostet.

Die prekäre Personallage wirkt sich leider auch auf die Qualität aus. In den Skihütten zum Beispiel stiegen die Preise in den vergangenen Jahren stark an, aber Güte und Geschmack sind mancherorts verloren gegangen. Hausgemachte Knödel kommen immer seltener auf den Tisch, man muss mit Würstchen oder Pommes vorliebnehmen.

Südtirols Tourismustreibende sollten also gewarnt sein. Denn: Nicht jeder neue Rekord ist ein Glücksfall.

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