Leitartikel

Neben der Mitte

 

Die Südtiroler Volkspartei hat ihren Schwerpunkt verschoben. Nach rechts. Ist sie noch eine Sammelpartei?

D

ie SVP hat sich in den vergangenen Jahren nach rechts geneigt. Auch wenn sie jetzt auf der Landesversammlung beteuert hat, sie stünde fest in der Mitte.

Dass die Partei nach rechts gerückt ist, belegt der Umstand, dass man sich in Bozen und Rom mit Parteien wie den Fratelli d’Italia und der Lega eingelassen hat, Parteien, die in Teilen rechtsextrem sind. Man hätte nicht müssen, man tat es, weil die Mehrheit der SVP bei Grünen und Team K mehr Bauchweh bekommt als bei Fratelli oder Lega. Was denkt die SVP eigentlich über Matteo Salvini, ihrem Verbündeten, der gegen EU und die Europäische Volkspartei (zu der auch die SVP gehört) hetzt, wo er nur kann?

Der zweite Umstand, der die Verschiebung belegt, ist, dass die Arbeitnehmerinnen, die sich früher als die Sozialdemokraten in der SVP verstanden, jetzt die „soziale Mitte“ sind. Der soziale Flügel der Partei (früher einmal mächtig) hat eine Leerstelle besetzt, den Platz, den andere geräumt haben.

Die ehemaligen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Partei haben aber damit aufgegeben, was sie von Bauern, Hoteliers oder Wirtschaftstreibenden unterscheidet, den Platz links von der Mitte. Freilich, heute gelten selbst moderate Sozialdemokraten als links oder gar linksextrem, wenn sie soziale Gerechtigkeit oder eine höhere Besteuerung der Reichen fordern.

Die soziale Mitte hat sich verloren, sie ist verloren, weil niemand in der Partei auf sie hört. Noch beklagen sich ihre Vertreterinnen nur hinter vorgehaltener Hand über ihre Bedeutungslosigkeit. An der sie selbst nicht unschuldig sind (die Titelgeschichte in diesem Heft beschreibt, wo die Partei steht und welche Rolle die soziale Mitte spielt). Niemand, so berichtet es mein Kollege Alexander van Gerven (er analysiert den Rechtsdrift der SVP in der Titelgeschichte), ergriff auf der Landesversammlung das Wort, außer die offiziellen Redner, niemand hatte offensichtlich etwas zu sagen. Nennt man das nun Einigkeit oder Friedhofsruhe? Und: Es dominierten die Herrschaften.

Dass sich die SVP nach rechts verschoben hat, zeigen auch die Figuren an der Spitze: Harald Stauder, der Landessekretär, und Dieter Steger, der Parteiobmann, auch wenn Steger sich gerade als Staatsmann zu präsentieren versucht und die Weltlage erläutert. Stauder sagte in seiner Rede, auch in Südtirol säßen Parteien wie die AFD oder die FPÖ im Landtag. Wen hat er in dieser Reihe vergessen? Die Fratelli d’Italia.

Doch wo die SVP steht, zeigte am besten die Rede von Parteiobmann Dieter Steger, Senator in Rom, auf Kuschelkurs mit der Regierung Meloni. Die Themen, die Steger anführte, (in dieser Reihenfolge) waren Migration (wo man natürlich hart durchgreifen muss, dafür hat man dann ja die richtigen Partner), die Wirtschaft, das leistbare Wohnen (welches das Mantra von der Nachhaltigkeit ersetzt hat) und die Bildung (reduziert auf das ewige Bozner Problem mit den Kindern in den Klassen, die nicht deutscher Muttersprache sind). Das heißt: Zuerst kommen Wirtschaft und Sicherheit, erst nachgeordnet Themen wie Klimaschutz oder Soziales. Schließlich, so die Argumentationslinie von Steger, ist es die Wirtschaft, die Wohlstand schafft.

Man sieht schon, hier hat sich ordentlich etwas verschoben. Ist die SVP wirklich noch eine Sammelpartei?

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