Anneliese Kompatscher wurde als Kochbuchautorin bekannt. Das verdankt sich einer „Notlösung“, wie sie sagt. Denn eigentlich ist die gebürtige Völserin Fotografin.
Panorama
EuropaExpress
Aus ff 11 vom Donnerstag, den 12. März 2020
Unterwegs im alten Kontinent: Saulieu/Frankreich
EU-KOLUMNE VON ULRICH LADURNER:
Jean Marc Tingaud ist ein Fotograf, der die Welt gesehen hat – er war in Japan, Indien, Vietnam, in Nordafrika, in Schwarzafrika und sehr viel auch in Lateinamerika. Er hat ein Atelier in Paris, seine Fotobücher verkaufen sich gut, und wenn seine Ausstellungen eröffnet werden, dann ist ihm ein großes Publikum gewiss. Aber der 74-Jährige sagt trotz allem, er habe seine Heimat „nie wirklich verlassen“.
Tingauds Heimat ist die Kleinstadt Saulieu, im französischen Burgund, rund 70 Kilometer von Dijon entfernt, am Eingang zum Mittelgebirge des Morvan, Teil des französischen Zentralmassivs. Der Morvan besteht zu einem großen Teil aus Granit. Hier lässt sich, im Unterschied zum restlichen Burgund, nicht viel anbauen.
Holz und Hebammen waren die beiden wichtigsten „Güter“ des Morvan, Baumstämme wurden über die Flüsse und Kanäle in die weit entfernten Städte Frankreichs transportiert, und die Hebammen gingen nach Paris, wo sie die Kinder des Bürgertums großzogen. Frankreichs Elite, so heißt es hier, ist von den Frauen aus dem Morvan genährt worden. In dem Dorf Alligny en Morvan gibt es ein Museum, dass diesen Frauen gewidmet ist.
In dieser Gegend also ist der Fotograf aufgewachsen, in einem kleinen Dorf, an einer schmalen Straße. Den 10 Kilometer langen Weg zur Schule legte er mit dem Fahrrad zurück, bei klirrender Kälte und bei brütender Hitze. „Ich habe in meinem Leben mehrmals die Distanz der Tour de France zurückgelegt“, sagt Tingaud und lacht. Es war ein hartes Leben.
Davon losgekommen ist er nie, wollte er auch nicht. Sein erstes Fotobuch hat er den „Menschen vom Morvan“ gewidmet.
Als Tingaud hörte, dass in Saulieu das altehrwürdige Café de Paris abgerissen werden sollte, da niemand es weiterführen wollte, fühlte er einen Schmerz. Er hatte so viel Zeit in diesem Café verbracht, es war das pulsierende Herz der Kleinstadt. Und nun sollte es aufhören zu schlagen?!
Das wollte Tingaud nicht hinnehmen. Er fuhr nach Saulieu, verhandelte mit dem Besitzer des Cafés und verkaufte sein Atelier in Paris, um die Rechnung zu begleichen. Seitdem ist Tingaud nicht nur Fotograf, sondern auch Wirt des Café de Paris. „Es ist meine Arche Noah!“, sagt er, „hier ist jeder willkommen!“ Hier kann sich jeder vor den Fluten des Alltags eine Auszeit nehmen.
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