Myriam Atz Tammerle spuckt der eigenen Gastwirtszunft in die Suppe. Ihr Sager, wonach Köche aus fremden Kulturen andere Geschmacksnerven haben, um traditionelle heimische Gerichte zuzubereiten, schmeckt der Branche so gut wie gar nicht.
Politik
Die Infantilisierung der Männer
Aus ff 46 vom Donnerstag, den 16. November 2017
Jeder Mann kennt den Unterschied zwischen „Du bist eine geile Henne“ und „Du hast eine interessante Ausstrahlung“. Hierfür braucht es kein feministisches Sittengericht. Ein Gastkommentar von Brigitte Foppa
Ich denke an die Gesichter.
An die Gesichter der Buben im Schulhof, als sie uns über die gängige Sexualterminologie aufklärten.
An das Gesicht des alten Herren, der in der Bar so lange gewartet hat, bis ich, damals circa 12 Jahre alt, allein war und er versuchte, mich zu küssen (mit Zunge).
An die Gesichter der Gäste, die schunkelnd Mösenlieder sangen, während wir das Essen servierten.
An die Gesichter in der Hütte, als die Schnaderhüpflen zu den nacketen Weibern gesungen wurden.
An das Gesicht des jungen Betrunkenen, den ich des Lokals verwies und der mich daran erinnerte, welches Geschlechtsteil ich habe.
An das Gesicht des Typen vor dem Mädchenheim, als er den Mantel aufmachte.
An den Chef, der uns zum Service rief („Hennen!“) und fragte, wer denn heute der Chefin „das Würstl bringen“ wolle.
An den Kollegen im Gemeinderat, als er den Witz vom Rasenmäher erzählte („Weißt du den Unterschied zwischen einer Frau im Minirock und einem Rasenmäher? Nein? Dann halt mal die Hand drunter!“)
An die Gesichter der Kollegen im Gemeinderat, die uns Rätinnen wahlweise als Jungfrauen (naiv) oder als Flittchen (unbeständig) bezeichneten.
An den Kollegen im Landtag, der sagte, heute habe die Opposition (da war nur ich) keine Eier in der Hose.
An die Kollegen im Regionalrat, wenn sie die anwesenden weiblichen Abgeordneten kommentieren.
An die Gesichter all jener, die mir und anderen Frauen schon das ganze Leben lang nachschreien, dass wir schöne oder hässliche Beine, Pos oder Brüste haben.
An die Gesichter der Männer, die uns ihre Vermutungen darüber aussprechen, ob wir gut sind oder schlecht oder heiß oder frigide.
Ich sehe in diesen Gesichtern viele Unterschiedlichkeiten. Alle aber zeigen eines auf, nämlich garantierte Bewusstheit dessen, was sie gerade tun. Sie schmunzeln, grinsen, feixen, schauen gespannt auf die Reaktionen. Alle wissen, dass sie mich oder meine Geschlechtsgenossinnen irritieren, verstören, verletzen, beleidigen.
Die Hauptreaktion auf die Sexismusdebatte leugnet dies. Aussagen wie „Man wird jetzt keiner Frau mehr die Tür aufhalten dürfen“ verbinden die stets unfaire Paradoxierung als Argumentationstaktik, mit dem Versuch, Männer von ihrer Verantwortung zu entbinden.
Dabei werden Männer regelrecht infantilisiert. Ihnen wird die banalste soziale Kommunikationskompetenz abgesprochen, nämlich zu verstehen, was die eigenen Aussagen beim Gegenüber bewirken. Das ist schlichtweg absurd. Schon die kleinen Buben im Kindergarten erkennen, wann sie Mädchen verletzen. Jeder Mann kennt den Unterschied zwischen Aussagen wie „Du bist eine geile Henne“ und „Du hast eine interessante Ausstrahlung“. Hierfür braucht es kein feministisches Sittengericht, Männer haben diese Unterscheidungskompetenz genauso intus wie Frauen.
Die Bundeszentrale für politische Bildung zitiert eine Studie, die belegt, dass sich Männer und Frauen weitestgehend darüber einig sind, was in einer Interaktion als sexistisch, beleidigend oder entwürdigend empfunden wird. Ich glaube das auch. Alle Gesichter der Männer, die ich Revue passieren ließ, drücken dieses Bewusstsein darüber aus.
Dieser Aspekt ist von größter Bedeutung. Denn es heißt, dass Männer sich trotz dieses Bewusstseins für Sexismus entscheiden. Die Gründe dieser Entscheidung sollten in der laufenden Debatte einen sehr viel wichtigeren Anteil haben als die hilflose Flucht in Bagatellisierung, paradoxe Verzerrung und Opferumkehrung, die wir derzeit erleben. Sexistische Äußerungen sind Gesten einer gestörten Interaktion zwischen den Geschlechtern. Die Auseinandersetzung darüber, wie wir hier als Gesellschaft und als Männer und Frauen verändernd, verbessernd, ja vielleicht gar heilend einwirken können, verlangt uns viel ab. Es wird auch wehtun – und Zeit brauchen.
Die #metoo-Kampagne katalysiert, beschleunigt, fordert heraus. Dafür werden meine Tochter oder meine soeben geborene Großnichte vielleicht irgendwann in andere Gesichter schauen als ich, und hoffentlich auch anders gesehen werden. Auf Augenhöhe und mit Respekt im Blick.
Brigitte Foppa
Weitere Artikel
-
Ein Brief an unsere Leser
Liebe Tamara Oberhofer, was sind wir froh, dass Sie der schweißtriefenden Sauna-Debatte bei der jüngsten Plenarsitzung des ...
-
Unter Brummis
ff 44/2017 über das Dauerproblem LKW-Stau entlang der Brennerautobahn
Leserkommentare
Kommentieren
Sie müssen sich anmelden um zu kommentieren.