die Südtiroler Volkspartei muss sich nun selber genau befragen, mit wem sie es hält. Die Frage, mit wem koalieren, bringt die Partei in ...
Politik
Die neue Achammer
Aus ff 46 vom Donnerstag, den 15. November 2018
Jasmin Ladurner ist die jüngste Landtagsabgeordnete der SVP und platzt fast vor Ehrgeiz. Doch hat sie wirklich das Zeug zur Landesrätin?
In allen Südtiroler Gemeinden hat Jasmin Ladurner bei den Landtagswahlen Stimmen bekommen, nur in Waidbruck nicht. So hat sie in ganz Südtirol 6.825 Vorzugsstimmen eingesammelt. 500 Kilometer gelaufen, 12.000 Kilometer gefahren, an 6.000 Türen geklopft, um sechs in der Früh bei der Arbeit gewesen, nach acht Stunden das Büro verlassen und sich in den Wahlkampf gestürzt, als 14. von 15 Mandataren der Südtiroler Volkspartei gewählt.
Jetzt ist Jasmin Ladurner, 24 Jahre alt, die jüngste der 35 Abgeordneten im Landtag, eine von vier Frauen in der SVP-Fraktion, eine von neun im Südtiroler Parlament.
Ist sie gar auf dem Sprung in die Landesregierung? „Meine Wahl zeigt, dass uns Jungen Vertrauen und Verantwortung geschenkt wird. Ich stehe für Erneuerung und einen neuen politischen Stil. Ich traue es mir zu“, sagt sie, „ich will dem Wählerauftrag Rechnung tragen, Verantwortung übernehmen und glaube, dafür die richtigen Kompetenzen mitzubringen.“
Landesrätin werden wollen darf sie nicht, es wäre fatal, solche Ambitionen anzumelden, aber es sich zutrauen, das darf sie schon. „Die Leute“, sagt sie, „haben gespürt, dass ich mit Freude und Leidenschaft dabei bin.“ Sie ist jetzt das Neue, die Neue in der Südtiroler Volkspartei. Doch wie schnell das Neue sich abnutzt, konnte man an Landeshauptmann Arno Kompatscher feststellen.
Am Mittwoch, dem 14. November, nahm Ladurner das erste Mal ihren Platz im Landtag ein, die Geschäftsordnung hat sie schon studiert, nachgeschaut, wie viel sie als einfache Landtagsabgeordnete verdient (um die 5.800 netto im Monat, minus Abgaben an die Partei). Am vergangenen Freitag war ihr letzter Arbeitstag in der Verkaufsabteilung des Seilbahnbauers Doppelmayr in Lana – dort hatte sie erst zu Jahresbeginn ihre Tätigkeit aufgenommen.
Jasmin Ladurner, eine fleißige und brave Schülerin, war nach der Matura an der Handelsoberschule in Meran sechs Jahre lang weg gewesen. Hatte Politikwissenschaft und Wirtschaft studiert, Praktikum bei der Europäischen Volkspartei in Brüssel gemacht, war persönliche Referentin von Staatsminister Spänle in München gewesen, hatte den Wahlkampf eines CSU-Kandidaten für die Bundestagswahl in München koordiniert.
Und dann wieder heim. Da, wo es schön ist, aber die Leute oft nicht sehen, wie groß die Welt hinter den Bergen ist, sagt sie. Da, wo die Eltern leben, in Partschins – der Vater Landwirt, die Mutter Vermieterin von Ferienwohnungen und Gemeindereferentin. Leute, die in der Gemeinde etwas zu sagen haben, die sich einmischen. Ein bisschen gefürchtet.
Jasmin Ladurner ist nicht in ihr altes Kinderzimmer gezogen, sondern in das Häuschen des Großvaters in Hafling.
Sie ist ein Mensch mit viel Energie. Speedig. Helle Stimme, helles Lachen, immer freundlich. Man kann sich vorstellen, wie sie Leute um den Finger wickelt. Sie rennt mehr, als sie geht. „Ich gebe Gas“, sagt sie gerne. Wahlkampf machte sie auch noch am Tag der Wahl: „Soll ich mich daheim einsperren?“
Als sie in Wien ihren ersten Marathon lief, übernahm sie sich, der Kreislauf machte für kurze Zeit schlapp. Doch sie biss sich durch – in vier Stunden und 30 Minuten. Das nimmt sie mit, das Beharrungsvermögen, nicht das Kreislaufversagen. Im vergangenen Sommer nahm sie am Südtiroler Ultrarace teil, die Marathon-Distanz, 42,195 Kilometer, bergauf und bergab schaffte sie in knapp sieben Stunden.
Zur Politik kam Jasmim Ladurner über die Junge Generation in der SVP, das war schon in der Oberschule. So viele Junge, die Menschen für sich einnehmen können, gibt es dort nicht. Jetzt ist Jasmin Ladurner in der Politik ganz oben gelandet und erlebt, wie schnell Politiker, aber vor allem Politikerinnen, angegriffen werden, auch wenn sie noch nichts angestellt haben. Vor dem Computer fallen die Hemmungen der Leute. Als „Quotenbarbie“ verunglimpfte man sie auf Facebook. „Warum werden Frauen auf Alter oder Aussehen reduziert“, sagt sie, „in welcher Diskussion sind wir da stecken geblieben?“ Sie nimmt die Untergriffe eher nüchtern, aber ein dickes Fell müsse man sich als Politikerin schon zulegen.
Kerzengerade sitzt sie da im Gespräch, sie zeigt Haltung. Sie lacht viel, redet schnell. Räumt zwischendurch die Schokoladepapierchen vom Tisch. Schaut einen an mit der Botschaft: Ich bin ganz bei Ihnen. In der Kunst, einen mit Worten zu überrollen oder zu benebeln, gleicht sie Philipp Achammer (33). Der SVP-Obmann und Landesrat für die deutsche Schule und Kultur war es auch, der Jasmin Ladurner zur Kandidatur für die SVP überredete. Das war Anfang Juni. Sie ist über das Obmann- und Landeshauptmannkontingent auf die Liste der SVP gekommen.
Vorbilder? Ihre Tante – Martina Ladurner – saß von 2001 bis 2008 im Landtag und dann wieder für kurze Zeit 2013. Und der Landeshauptmann. „Bei uns in der Familie“, sagt sie, „ist schon immer politisiert worden.“ Ihre Themen sind: Jugend (was sonst?) – „wir müssen schauen, dass die jungen Leute zurückkommen“, Digitalisierung, Innovation, leistbares Wohnen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Jetzt geht es ans Eingemachte, an die Politik. Geradlinigkeit nimmt Jasmin Ladurner für sich in Anspruch, doch bei wichtigen Fragen zieht sie sich auf ein Sowohl-als-auch zurück. Wir sind jetzt im Reich des Ungefähren.
Warum die SVP? – „Hat sehr viel für unser Land getan und bietet weiterhin die besten Lösungen an. Aber natürlich, wo gearbeitet wird, werden auch Fehler gemacht.“ –
Was hat Sie an der Partei überzeugt? – „Sie besinnt sich auf unsere Werte und Traditionen und steht gleichzeitig für Fortschritt. Wichtig ist, dass wir eine starke Stimme im Land haben, die die Autonomie erhält und ausbaut. Gleichzeitig sage ich, dass es neue Ideen und Köpfe braucht.
Deshalb habe ich auch für die SVP kandidiert.“ Wahlkampfausgaben? – „Ich habe einen sehr zeitintensiven, aber kostengünstigen Wahlkampf geführt. Die Summe war eine der niedrigsten.“ –
Feministin? – „Würde ich so nicht sagen. Die Frauenquote hat es gebraucht, um etwas in Gang zu bringen. Aber ansonsten bin ich der Meinung, dass Kompetenz die Hauptrolle spielen soll. Aber Frauen haben viel aufzuholen, es gibt etwa immer noch große Gehaltsunterschiede. Das eigentliche Problem liegt ja darin, dass Frauen nicht Frauen wählen. Das ändern kann man nur durch Überzeugungsarbeit, die richtigen Zugpferde.“ –
Diskriminierung? – „Habe ich nie erlebt. Ich gehe mit Selbstbewusstsein in Gespräche. Es ist wichtig, dass uns Frauen bewusst ist, was wir können und was wir wert sind.“ –
Kenntnisse der zweiten Sprache? – „Sprachen lernt man nur, wenn man sie spricht, wenn sie gelebt werden. Italienisch kann man nicht ausschließlich durch Literaturunterricht erlernen. Deshalb finde ich es wichtig, dass neben dem Zweitsprachenunterricht auch Sprachaufenthalte, Austauschprojekte und Praktika weiterhin gefördert werden.“ –
PD/Grüne oder Lega? – „Es ist wichtig und demokratischer Grundsatz, mit allen zu reden und sich in Ruhe anzuschauen, wo es Übereinstimmungen gibt. Es gibt große Vorbehalte gegen die einen wie die anderen. Um zu sagen, wohin ich neige, muss ich erst wissen, wo die größten Berührungspunkte liegen. Die Lega wurde von den Menschen gut gewählt, das muss bei den Überlegungen zur Koalition respektiert werden.“ –
Sie ist ganz Politikerin, wenn sie Fragen ausweicht. Dann verpufft die Energie aus den Antworten. Die Power, die sie sonst demonstriert, die klare Kante, die sie für sich beansprucht. Manchmal errötet sie und antwortet gar nicht. Oder zieht sich auf Allgemeinplätze zurück wie „Luft nach oben“, „Ein Riesenerfolg, dass ich im Landtag sitze“, „Rückschläge helfen.“ Oder, wenn es um die politische Karriere geht: „Nichts erwarten, alles erhoffen.“
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