Politik

Zauberhafte Hütten

Aus ff 50 vom Donnerstag, den 13. Dezember 2018

Daniel Alfreider
Daniel Alfreider ist ein Mann mit magischen Kräften: Er kann alte Hütten kilometerweit verschieben – und Kubaturen wieder errichten, die womöglich gar nicht da waren. © Alexander Alber, ff-Grafik
 

Der angehende Landesrat Daniel Alfreider hat zwei Almhütten gebaut und für zwei weitere das Fundament gelegt. Die regen Tätigkeiten des geschmeidigen Machers interessieren nun auch die Staatsanwaltschaft.

Die Szenerie könnte idyllischer kaum sein. Zwei zauberhafte Hütten leuchten im Rot der untergehenden Herbstsonne: Vorne blickt man auf die imposanten Felsen des Sellastocks, über dem Wald hinter den Hütten erhebt sich majestätisch der Gipfel des Sassongher.
Die Hütten gehören niemand Geringerem als Daniel Alfreider. Der 37-Jährige saß fünf Jahre lang für die SVP im römischen Parlament, er ist Vizeobmann seiner Partei und wurde frisch in den Landtag gewählt. Da er der ladinischen Sprachgruppe angehört und sich außerdem gut mit dem Landeshauptmann versteht, ist ihm der Platz in der Landesregierung sicher.
Der angehende Landesrat ist ein rühriger Bauherr. Ob das damit zu tun hat, dass er fünf Jahre lang Referent in Corvara, seiner Gemeinde, war – zuständig für Raumordnung, Planung und Bautätigkeit? In seiner Amtszeit (2010 bis 2015) erhielt er von der Gemeinde sieben Baukonzessionen.
Eine davon, ausgestellt am 15. November 2013, betrifft die beiden eingangs beschriebenen Almhütten. In der Konzession steht, dass er eine Kochhütte und ein beschädigtes Wirtschaftsgebäude verschieben darf. Von einem Wald unterhalb des Grödner Jochs, der ihm und seiner Familie gehört, auf das Grundstück nahe seinem Luxusbauernhof (ff 51/2017 berichtete über seinen Urlaub-auf-dem-Bauernhof-Betrieb für betuchte Gäste).
Verschieben heißt, dass bestehende Hütten abgebrochen und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden können. Das sieht das Landesraumordnungsgesetz, Artikel 107, vor. Bedingungen: Gefahrensituation an der Bestandsstelle, Wiederaufbau in unmittelbarer Nähe, dieselbe Zweckbestimmung, dieselbe Größe.
Diese beiden Hütten hat Alfreider abgebrochen und wiedererrichtet. Oberhalb seines Hofes Rönn, der dem kleinen Weiler bei Kolfuschg in der Gemeinde Corvara den Namen gibt. Für zwei weitere Hütten unterhalb seines Hofes hat er eine Baukonzession bereits in der Tasche. Die Gemeinde stellte sie am 5. Mai 2015 aus – fünf Tage vor der Gemeinderatswahl 2015, bei der Daniel Alfreider nicht mehr antrat. Auch sein Posten als Baureferent der Gemeinde lief damit aus.
Die Hütten sollen unterhalb des Hofes errichtet werden, die Fundamente sind bereits gelegt. In der Konzession steht, dass er das baufällige Wirtschaftsgebäude an Ort und Stelle neu errichten und eine Kochhütte auf das Grundstück herschieben darf. Von einem Stück Ödland oberhalb von Corvara, das ihm und seiner Familie gehört.
Das alles, so scheint es, geht bei Daniel Alfreider ganz leicht. Viel leichter als bei normalen Bürgern.
Daniel Alfreider findet das nicht. Er sagt, dass so ein Hof im Allgemeinen unglaublich arbeitsintensiv sei. Ohne die Hilfe seiner Eltern, seiner Frau und der beiden Buben würde er das nicht stemmen können.
Im Speziellen erfordere die Planung und der Bau solcher Hütten „viel Geduld und Arbeit“, sagt er. „Es ist mit viel Aufwand verbunden.“ Es brauche eine Menge Zettel und Genehmigungen, die er natürlich alle habe. Alle mit positivem Bescheid. Alfreider versichert, dass seine Hütten allen rechtlichen Voraussetzungen entsprechen.

Das ist schön für Daniel Alfreider. Aber stimmt das auch? Menschen aus Kolfuschg, Corvara und darüber hinaus bezweifeln das. Und nicht nur die. Auch die Bozner Staatsanwaltschaft führt erste Erhebungen durch, ob es bei der regen Bautätigkeit des geschmeidigen Politikers mit rechten Dingen zugeht.
ff hat sich auf Spurensuche begeben.
Zunächst geht es auf das Grödner Joch. Dort befindet sich ein Waldstück, 3,2 Hektar groß, das zu Alfreiders Hof gehört. Hier sollen sich eine Kochhütte und ein beschädigtes Wirtschaftsgebäude befunden haben. Beim Lokalaugenschein Anfang Oktober sind keine Gebäude mehr auszumachen.
Das ist wenig verwunderlich. Daniel Alfreider sagt, sie seien unmittelbar nach dem Bau der neuen Almhütten abgebrochen worden. So, wie es das Gesetz vorsieht.
Das Gesetz sieht allerdings einen Wiederaufbau „in derselben Lage oder in unmittelbarer Nähe“ vor. Das ist zwar schwammig formuliert, die Schmerzgrenze hierfür liegt aber bei 100 Metern. Weiter weg dürfen Hütten nicht verlegt werden.
Bei Daniel Alfreider waren es 1,3 Kilometer.
Alfreider sagt, die beiden Hütten hätten an Ort und Stelle aus drei Gründen nicht wieder aufgebaut werden können: 1. wegen des instabilen Geländes; 2. wegen der Seilbahn, deren Trasse darüber hinweg führt; 3. wegen eines Baches, der Kolfuschg und Corvara mit Wasser versorgt und hier entspringt.
Im Projekt von „Alfreider Engineering“ – Daniel Alfreider hat es als Ingenieur selbst entwickelt und bei der Gemeinde eingereicht – steht zu lesen, dass der Standort der alten Hütten „im Gefahrenzonenplan der Gemeinde Corvara als Zone H3 – Hohe Gefahr ausgewiesen“ sei. Dummerweise gibt es für das Gebiet keinen gültigen Gefahrenzonenplan. Die alten Hütten standen zwar in einer Rutschzone, wie Volkmar Mair, Direktor des Landesamtes für Geologie, bestätigt.
Alfreider hätte, bei etwas gutem Willen, an anderer Stelle desselben Waldstücks einen sicheren Standort finden können. Allein: Er war daran nicht interessiert.
Er drängte von Anfang an auf eine Verlegung der Hütten um 1,3 Kilometer auf ein Grundstück nahe seiner Hofstelle. Die Gemeinde hat ihm das heikle Vorhaben am 15. November 2013 genehmigt, wie die Baukonzession belegt.
Im Jahr darauf ließ Daniel Alfreider die beiden Almhütten rund 200 Meter oberhalb von seinem Wohnhaus, seiner Luxusherberge und seinem Stall errichten.
Zupass kam ihm dabei eine Änderung der Durchführungsbestimmungen des Bauleitplans der Gemeinde Corvara. Sie ging im November 2010 vom Gemeinderat aus, in dem zu diesem Zeitpunkt auch Alfreider saß. Die Bestimmungen sehen vor, dass Koch- und Schlafhütten von Höfen bis auf 30 Quadratmeter erweitert werden können.
So kann aus der kleinen alten Hütte (12 Quadratmeter) eine schöne Almhütte mit 30 Quadratmetern werden. Um die Wohnfläche zu erhöhen, hat Alfreider sie zweigeschossig gebaut. Das Fenster im Obergeschoss ließ er aber erst in einem zweiten Moment einbauen. Das belegen Fotos, die diesem Magazin vorliegen.
Der Stadel gleich daneben weist eine Grundfläche von etwa 40 Quadratmetern auf. Alfreider hat in sein Projekt geschrieben, die alte Hütte sei vorher auch schon so groß gewesen. Fotos lassen daran Zweifel aufkommen.

Lorenz Oberbacher würde sich im Grab umdrehen, wenn er denn könnte. Jahrelang hatte der inzwischen verstorbene Mann aus Kolfuschg versucht, eine kleine Heuschupfe zu verlegen. Sie steht unterhalb des Weilers Rönn neben einem Skilift, der auf das Grödner Joch führt.
Allein, die Gemeinde spielte nicht mit. Die Baukommission lehnte Oberbachers Projekt 2008 ab. Vier Jahre später unternahm er einen neuen Versuch. Anders als bei Alfreider schaltete die Gemeinde bei Oberbacher das Amt für Landschaftsschutz ein. Dieses kam zum Schluss: Die neue Hütte sei zu weit vom Standort der alten entfernt. Daher müsse das Projekt – leider, leider – abgelehnt werden.
Es ging um 150 Meter.
In Oberbachers Fall waren also 150 Meter zu viel.
Bei Alfreider hingegen waren 1,3 Kilometer in Ordnung.
Daniel Alfreider hatte natürlich den Vorteil, dass er zu jener Zeit selbst der zuständige Referent für genau diese Dinge war. Und er weiß genau, dass die Zone unmittelbar neben seinen beiden neuen Almhütten dem Skibetrieb gewidmet ist.
Im entsprechenden Plan sind ein Skilift und eine Skipiste wenige Meter neben Alfreiders Hütten vorgesehen. Damit würden sie sich ideal als Skihütten eignen.

Die beiden Almhütten sind nur der erste Streich von Daniel Alfreider. Zwei weitere Hütten sind etwa 500 Meter unterhalb seines Wohnhauses geplant. (Nur ein paar Meter daneben steht immer noch die windschiefe alte Hütte von Lorenz Oberbacher.)
Auch hier durfte Daniel Alfreider eine Kubaturverschiebung vornehmen, die ihresgleichen sucht. Die Gemeinde stellte die entsprechende Baukonzession am 5. Mai 2015 aus. An Ort und Stelle sieht man derzeit zwei Fundamente aus Beton.
Immerhin: Eine der beiden Hütten, der Stadel, ist als Bauparzelle auf Alfreiders Grundstück verzeichnet. Sie ist mit 33 Quadratmetern im Grundbuch eingetragen, der neue Stadel soll 62 Quadratmeter groß werden. Das ist ganz schön üppig.
Zudem fragen sich Kritiker: Was sollen die ganzen Kabel und Schläuche, die aus dem Fundament ragen, in einem Stadel? Soll das wirklich ein Gebäude für den Bauernhof werden – oder will Alfreider hier nicht vielmehr eine Skihütte daraus machen?
Die Lage wäre perfekt. Unmittelbar neben den beiden Fundamenten führt die Piste vom Grödner Joch herunter nach Kolfuschg vorbei. Eine Skihütte hier wäre vermutlich auch finanziell lukrativ.
Und es ist nicht nur eine, sondern es sind zwei Hütten, für die hier das Fundament gelegt ist. Die Kubatur für die zweite Hütte stammt von einem Grundstück, das Alfreider östlich vom Hauptort Corvara besitzt. Es liegt mitten auf der ­sogenannten „Mure von Corvara“, einem Gebiet also, das ständig in Bewegung ist.
Bei einem Lokalaugenschein dort sieht man nicht viel mehr als karge Weiden, niedere Büsche, ein paar Bäume und viel Ödland. Hier und da findet sich eine kleine Almhütte. Nur auf dem 1,6 Hektar großen Grundstück von Alfreider steht weder eine „Kochhütte“, wie im Projekt angegeben, noch sonst ein Gebäude.
Zum Glück gibt es Satellitenbilder. Doch auf jenen des Landes ist keine Hütte auf Alfreiders Grundstück zu erkennen. Das hat nichts mit der Qualität der Satellitenbilder zu tun. Auf den umliegenden Grundstücken erkennt man jede einzelne Hütte. Nur auf Alfreiders Grundstück will das nicht gelingen.
Im Landesamt für Geologie hat man umfangreiche Akten zur „Mure von Corvara“. Eine Hütte, sagt Amtsdirektor Volkmar Mair, habe auf Alfreiders Grundstück zwischen 1994 und 2014/15 nicht gestanden. Dies würden die Satellitenbilder belegen, die er sich extra genau angeschaut hat. Mair verweist auf die Forstbehörde: Vielleicht habe die Unterlagen dazu. Doch auch Florian Sottara, Leiter der zuständigen Forststation La Ila, verneint: Im Archiv der Station gebe es keine Dokumentation beziehungsweise Fotos über eine Hütte auf Alfreiders Grundstück.
Sottara geht sogar noch weiter. Gegenüber ff erklärt er schriftlich: „Von der Forstbehörde wurde diesbezüglich der zuständigen Gemeinde mitgeteilt, dass kein Gebäude (Kochhütte) auf der Grundparzelle … (Alfreiders) bestand.“
Selbst im Projekt von Alfreider (eingereicht von Architekt Andreas Vallazza am 27. August 2014 in der Gemeinde Corvara) gibt es weder ein Foto noch einen Beleg, dass die gegenständliche ­Hütte tatsächlich dort gestanden hat.
Im Projekt wird lapidar darauf verwiesen, dass das Gebäude „vor einigen Jahren von einer sich stark bewegenden Grundmasse (,Ro da Corvara‘) mitgerissen und zerstört“ worden sei.
Glaubt man den Projektunterlagen, soll die Geisterhütte 4 mal 5 Meter groß und 5 Meter hoch gewesen sein. Sogar ein Fenster und Fensterläden hat der Architekt auf die Fassade der „Kochhütte“ gezeichnet. Dabei waren solcherlei Kochhütten gemeinhin äußerst primitive Bauten: winzig im Grundriss, fensterlos und oft so niedrig, dass man nur gebückt darin stehen konnte. Bei Alfreiders Kochhütte scheint das anders gewesen zu sein.
Es stellt sich die Frage: Darf eine Hütte, die es vielleicht einmal gegeben hat (und das ist nicht gewiss; dazu befragte Nachbarn können sich nicht an eine Hütte erinnern), auf ein anderes Grundstück verschoben werden?
„Nein“, sagt ein Raumordnungsfachmann des Landes, „das darf sie ganz sicher nicht.“ Um eine Hütte verschieben zu können, muss sie materiell da sein. Und zwar zum Zeitpunkt der Verschiebung. Ist sie nicht da, kann auch keine Verlegung der Kubatur an einen anderen Ort stattfinden.
Der andere Ort liegt in diesem Fall 4,2 Kilometer entfernt. Die Gemeinde Corvara hat Alfreider diese Verschiebung genehmigt. Zur Erinnerung: Dieselbe Gemeinde hat im Verbund mit dem Amt für Landschaftsschutz einem anderen ihrer Bürger – besagtem Lorenz Oberbacher – eine Verschiebung um 150 Meter abgelehnt. Mit der Begründung, dass die Distanz zu groß sei.
In den Projektunterlagen über Alfreiders ­Megaverschiebung, die ff vorliegen, findet sich das Schreiben des Forstinspektorats Bruneck. Amtsdirektor Silvester Regele schrieb demnach am 14. Oktober 2014 an die Gemeinde: „Sulla p.f. 462 del C.C. Corvara non esiste una ,ciasota‘ da spostare.“
Auf Alfreiders Grundstück auf der „Mure von Corvara“ existiere also keine Hütte, die verschoben werden könnte. Schrieb die Forstverwaltung, die es wissen muss. Trotzdem stellte die Kommission für Natur, Landschaft und Raumentwicklung am 5. Dezember 2014 eine Unbedenklichkeitserklärung aus. Die Hütte dürfe aber nur „in derselben Größe“ wiederaufgebaut werden.
Dass die Kochhütte dennoch 30 statt 20 oder 10 oder 0 Quadratmeter groß werden darf, hängt wiederum mit den geänderten Durchführungsbestimmungen des Bauleitplans zusammen. Zum Vorteil der Hüttenbesitzer.

Und was sagt die Gemeinde Corvara zu alldem? Nichts. Sekretär Erich Pescollderungg erklärt, dass man es nicht einmal schaffe, die ordentliche Tätigkeit fristgerecht abzuwickeln. Da könne niemand erwarten, dass er alte Projekte herauskrame, nur weil ein Reporter ein paar Fragen hat.
Man kann aber mit Daniel Alfreider über die Projekte reden (siehe Interview), war doch er in dieser Zeit der zuständige Referent für Raumordnung, Planung und Bautätigkeit in der Gemeinde.
Er sagt, alles sei in bester Ordnung. Sein Gewissen, die Papiere, die Vorgangsweise. Und natürlich habe er bei Abstimmungen in der Gemeinde, die seine Projekte betroffen hätten, den Saal verlassen.
Entwickelt sich alles so, wie es Daniel Alfreider beteuert, werden die vier Hütten schon bald vor lauter Heu und Schafen aus allen Nähten platzen. Seinen Rönnhof werde er so richtig zum Blühen bringen.
Und sonst gibt es immer noch das neue Raumordnungsgesetz, das 2020 in Kraft treten soll. Dort ist in Artikel 34 ein Passus enthalten, der auf
Drängen des Rates der Gemeinden in das Gesetz aufgenommen wurde.
Der Passus scheint wie geschaffen für Alfreiders Hütten, die allesamt am Pistenrand stehen: „Die Landesregierung kann … Standorte von ­Sondernutzungsgebieten für die Errichtung von Speis- und Schankbetrieben zur Versorgung in Skigebieten genehmigen.“ Für Daniel Alfreider ist das eine fantastische Perspektive.
Ob sie Wirklichkeit wird, ist freilich ungewiss. Sicher ist hingegen, dass Landesrat Alfreider den Saal verlassen wird, sollte die Landesregierung eines Tages tatsächlich solche Sondernutzungsgebiete rund um den Rönnhof in Kolfuschg ausmachen – und genehmigen.

weitere Bilder

  • Daniel Alfreider Infografik Almhütten

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