Politik

„Doppelte fregatura“

Aus ff 17 vom Donnerstag, den 23. April 2020

Das neue Seniorenzentrum Projekt
Das neue Seniorenzentrum der Gemeinden Brixen, Vahrn und Lüsen soll einmal so aussehen. Das Projekt stammt von den Architekturbüros Pinearq (Barcelona), Cooprogetti (Pordenone) und Solarraum (Bozen). Es wurde über einen internationalen Wettbewerb ermittelt. Das Heim Elisabethsiedlung sieht 84 Wohn- und Pflegeplätze sowie 30 Seniorenwohnungen vor. Das Grundstück, auf dem ab 2021 gebaut werden kann, ist derzeit noch eine Obstwiese – nördlich des Brixner Krankenhauses gelegen. Gesamtkosten des Projekts: etwa 43 Millionen Euro. © Rendering: Solarraum/Pinearq/Cooprogetti
 

Brixen, Vahrn und Lüsen möchten gemeinsam ein Seniorenzentrum errichten. Dafür erwerben sie ein Grundstück von der Kirche. Zahlen die Gemeinden zu viel?

Peter Brunner hält den Tausch für angemessen. „Unter diesen Vorgaben“, sagt der Brixner Bürgermeister, „ist es gelungen, eine langersehnte Lösung für den Neubau des Bürgerheims zu finden.“

Die Gemeinde Brixen braucht mehr Plätze für Senioren, die bestehenden Strukturen platzen aus allen Nähten. Daher hielt sie bereits vor zehn Jahren Ausschau nach einem Grundstück, um darauf ein neues Seniorenheim zu errichten.

Doch das Grundstück erwies sich als zu klein. Ein anderes, größeres musste her. Fündig wurde man bei drei kirchlichen Einrichtungen, die eine Obstwiese nördlich des Krankenhauses besitzen. Sie würde sich für den Bau eines Heimes eignen. Angepeilt wird nun ein Tausch: Die Gemeinde erhält die Obstwiese und gibt dafür das Grundstück, das sich als zu klein erwiesen hat. Ein guter Deal? Die Opposition im Gemeinderat zweifelt daran. Es stellt sich die Frage: Zahlt die Gemeinde drauf?

Doch von Anfang an: Im April 2011 kauft die Gemeinde Brixen, damals noch unter Bürgermeister Albert Pürgstaller, in der Zone Landwirt 7.000 Quadratmeter Grund. Er liegt im Norden des Stadtzentrums. Die Gemeinde zahlt 290 Euro pro Quadratmeter, macht in Summe etwas über 2 Millionen Euro.

In der Folge weist die Gemeinde das Grundstück als Zone für öffentliche Einrichtungen aus. Das dauert. Als dann der öffentliche Betrieb für Pflege- und Betreuungsdienste in Brixen das Raumprogramm für ein Seniorenzentrum vorstellt, der Schock: Das Grundstück ist zu klein. Ein größeres muss her.

Da man in den Nachbargemeinden Vahrn und Lüsen ebenfalls auf der Suche nach Plätzen für Senioren ist, beschließt man, gemeinsam vorzugehen. Ein neues Grundstück – das genannte nördlich des Krankenhauses – wird gefunden. Es liegt im Vahrner Gemeindegebiet. Bereits im März 2018 wird die Obstwiese als Zone für übergemeindliche Einrichtungen „Seniorenzentrum Elisabethsiedlung“ ausgewiesen.

Die Obstwiese ist 21.000 Quadratmeter groß. Sie gehört drei kirchlichen Einrichtungen, die in Brixen angesiedelt sind: dem Vinzentinum, dem Priesterseminar und dem Klarissenkloster. Sie zeigen sich bereit, einen Teil der Obstwiese für das Seniorenheim abzutreten. Anstatt einer Entschädigung wünschen sie sich jedoch eine Ersatzfläche.

Und die ist schnell ausgemacht. Es handelt sich um die 7.000 Quadratmeter Grund in Brixen, auf dem ursprünglich das Seniorenheim hätte entstehen sollen. Der Brixner Gemeindebedienstete Roberto Siniscalchi führt eine Schätzung der beiden Flächen durch und kommt zum Schluss, dass es sich um einen gleichwertigen Deal handelt.

Doch wie ist die Kirche in den Besitz der Obstwiese gekommen? Verhältnismäßig günstig. Die Klarissen, denen ein Viertel des Grundes gehört, haben ihn 1933 ersessen. Das Vinzentinum, Eigentümer ebenfalls eines Viertels, kaufte den Grund im Juni 1996 für umgerechnet
18 Euro pro Quadratmeter. Und das Priesterseminar, dem die Hälfte der Obstwiese gehört, erwarb diese für gut
6 Euro/m2 im Juni 1993.

Wie viel ist diese Obstwiese heute wert? Bei einem Lokalaugenschein im Oktober 2019 stellt der Schätzer fest, dass der Grund gut erschlossen ist und an andere Obstwiesen und ein Wohngebiet anschließt. Das fließt in die Schätzung ein. Siniscalchi setzt für die Obstwiese einen Preis von 280 Euro/m2 fest. Auf diese stattliche Summe gelangt er, indem er einen Durchschnitt aus drei Werten bildet: jenem für Obstwiesen (75 Euro/m2), jenem für landwirtschaftlichen Wohnbau (215 Euro/m2) und jenem für Wohnbau (550 Euro/m2).

Er begründet das mit dem Umstand, dass die Obstwiese bestes Wohngebiet werden könnte. Durch den ansehnlichen Preis von 280 Euro/m2 brauchen die Kirchenleute nicht die ganze Obstwiese herzugeben. Einen Teil können sie behalten. Die restlichen 14.000 Quadratmeter seien laut Schätzung 3.950.000 Euro wert – und damit gleich viel, wie die 7.000 Quadratmeter in Brixen, die nun im Tauschweg an Vinzentinum, Priesterseminar und Klarissen gehen sollen.

Nimmt man den Einkaufspreis der Gemeinde für das Grundstück in Brixen her (290 Euro/m2), ist das für sie ein gutes Geschäft. Die Gemeinde hat für 2.050.000 Euro gekauft und tauscht nun ein Grundstück damit ein, das doppelt so groß und laut Schätzung 3.980.800 Euro wert ist.

Damit der Tausch trotzdem als gleichwertig erfolgen kann, hat der Schätzer auch das 7.000 Quadratmeter große Grundstück im Wohngebiet Landwirt neu bewertet. In dieser Zone, so Schätzer Siniscalchi, liege der Marktwert bei etwa 760 Euro pro Quadratmeter.

Da aber der gesamte Grund konventioniert werden müsse (die darauf errichteten Wohnungen müssen also Südtirolern vorbehalten werden), vermindere das den Wert. Genauso wirke sich auch die Erhöhung der Kubatur von 1,6 auf 2,1 Kubikmeter pro Quadratmeter negativ auf den Preis aus. Deswegen seien nicht 760, sondern nur 684 Euro pro Quadratmeter anzuwenden.

Über einen schwer nachvollziehbaren Rechenweg gelangt Schätzer Siniscalchi so auf einen Grundstückswert von 3.980.784 Euro. Daher, so steht es im Schätzbericht zu lesen, sei der Tausch vorteilhaft für die öffentliche Hand. Sie schneide um 16 Euro besser ab als die kirchlichen Eigentümer der Obstwiese.

Markus Frei, Gemeinderat der Grünen Bürgerliste in Brixen, merkt an, dass bei diesem Tausch so einiges nicht zusammenstimmt. Da sei zunächst einmal der Umstand, dass der Grund nördlich des Krankenhauses de facto noch eine Obstwiese ist. Den Preis von
280 Euro pro Quadratmeter hält er daher für überzogen.

Zugleich sei die Schätzung für den Grund im Wohnbaugebiet Landwirt erstaunlich niedrig ausgefallen. Dass der Preis wegen der höheren Baudichte abgewertet wurde, ist nach Ansicht Freis „eine doppelte fregatura“. Denn durch die höhere Dichte (2,1 statt 1,6 Kubikmeter pro Quadratmeter) könne die Kirche mehr Wohneinheiten bauen. Und zugleich müsse sie für den Grund weniger Geld auf den Tisch legen.

In der Tat erhalten Vinzentinum, Priesterseminar und Klarissenkloster mit der Dichte 2,1 ein Baurecht von 12.130 Kubikmetern. Das entspricht etwa 50 Wohnungen zu jeweils
80 Quadratmetern.

Eine Dichte von 1,6 ergebe hingegen ein Baurecht von 9.240 Kubikmetern. Das entspricht etwa 40 Wohnungen zu jeweils 80 Quadratmetern. Die höhere Dichte ist also ein beachtliches Geschenk – zu kleinerem Preis.

Bürgermeister Brunner verteidigt die Schätzung und damit den Preis. In der Umgebung sei die Gemeinde bei vergangenen Raumordnungsverträgen stets von 760 Euro pro Quadratmeter ausgegangen. Durch verschiedene Faktoren, wie etwa die Distanz zur Stadt oder das Vorhandenseins einer Schutzzone, vermindere sich dieser Wert entsprechend. Dies sei auch hier der Fall gewesen.

Private rechnen freilich mit anderen Preisen. Ein Bauträger hat ein Grundstück, das unmittelbar an jenes der Gemeinde anschließt, im April 2017 für 2.275 Euro/m2 gekauft. Allerdings, sagt der Bauträger diesem Magazin, sei das nur bedingt vergleichbar. Denn das Grundstück sei baufertig gewesen: Projektierung, Hangsicherung, Aushub und gewisse Infrastrukturen waren schon vorhanden, er konnte sofort mit dem Bau von Wohnungen beginnen.

Dennoch: Auch er hat „nur“ ein Grundstück gekauft. Allerdings zu einem dreimal höheren Preis.

weitere Bilder

  • Peter Brunner, Bürgermeister Markus Frei, Gemeinderat

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