Politik

Auffrisierte Politiker

Aus ff 32 vom Donnerstag, den 06. August 2020

Gruppenbild Politiker
Gruppenbild mit Haar bei einem Gipfeltreffen im Dezember in London (in der Mitte von links): Donald Trump, Giuseppe Conte, Angela Merkel. © Apa/Pool/AFP/Peter Nicholls
 

Haare haben es in sich, auch in der Politik. Sie sind stark mit Symbolik verbunden und das erste optische Merkmal einer Person. Erfolgreich oder nicht – das ist auch eine Frage der Frisur.

Jetzt hat’s auch Italiens Ministerpräsidenten Giuseppe Conte erwischt. Nach vier Tagen EU-Gipfel mit wenig Schlaf stellte die italienische Presse fest, Conte habe plötzlich mehr weiße Haare als vor dem Gipfel. Damit ereilte Conte das Schicksal von Barak Obama. Der amerikanische Präsident war nicht allzu lange im Amt, als seine schwarzen Haare anfingen zu ergrauen. Daraufhin wurden Studien zu Stress und ergrauten Haaren durchgeführt und Statistiken erstellt, welcher amerikanische Präsident noch schneller als Obama im Amte ergraut sei.

Haare haben es in sich, auch in der Politik, sind sie doch stark mit Symbolik verbunden und das erste optisches Merkmal einer Person. Und seitdem die Parteibindungen immer dünner werden, hat im Zuge der Personalisierung der Politik auch das Outfit der politischen Akteure immer mehr an Bedeutung gewonnen. Sympathie und Antipathie, ob man jemanden wählt oder nicht, hängt auch mit der Äußerlichkeit zusammen, auf die Wähler und Wählerinnen blicken.

Den ersten Friseursalon gab es übrigens im alten Griechenland, ein wichtiger Treffpunkt der Männer, wo über Politik und Philosophie diskutiert wurde. Nicht anders als heute. Der heute fast 100-jährige ehemalige amerikanische Außenminister Henry Kissinger ließ sich auf dem Höhepunkt der Vietnamkrise gerne in einem traditionellen „barber shop“ fotografieren, allerdings umhäuft von Akten und Memoranden, um nicht dem Vorwurf der Geschwätzigkeit ausgesetzt zu werden.

Haare sind auch Ausdruck für politische Einstellungen. Lange Haare standen in der Studentenbewegung für den Protest gegen die autoritäre Gesellschaft, der Bubikopf für die Emanzipation der Frau nach dem Ersten Weltkrieg. Wie früher werden auch heute die Haare politischer Akteure zur Analyse ihrer Persönlichkeit herangezogen.

So wird der niederländische Rechtspopulist Gerd Wilders wegen seiner wasserstoffblond gefärbten Haare eher als trügerisch angesehen, da die unechte Haarfarbe (besonders von seinen Gegnern) als Zeichen für eine unehrliche Politik interpretiert wird. Auch Nordkoreas Diktator Kim Jong Un wird wegen seiner kurzen, gerade geschnittenen schwarzen Betonfrisur mit seiner unberechenbaren, strengen und dikatatorischen Politik verglichen. Oder die deutsche grüne Politikerin Claudia Roth, die mit ihren ständig wechselnden schrillen Frisuren als aufgedreht, aber auch fröhlich bezeichnet wird.

Für eine gepflegte Haarpracht sind Politiker bereit, auch hohe Summen auszugeben. Der französische Präsident Francois Holland zahlte seinem Friseur monatlich rund 10.000 Euro, damit seine Frisur zu jeder Zeit perfekt sitzt. Dem britischen Prime Minister Toni Blair wurde hingegen vorgeworfen, er nehme seinen (teuren) Friseur auf allen Staatsbesuchen mit.

Ins Haar-Gerede war auch Sebastian Kurz gekommen. Dem österreichischen Bundeskanzler wurde vor den Nationalratswahlen 2017 sein draller Haarschopf vorgeworfen und sein Stolz auf das, was auf und nicht in seinem Kopf wachse.
Beim nächsten Wahlkampf 2019 wurden Kurz seine Friseurrechnungen zwischen 300 und 600 Euro unter die Nase gerieben.

Wie bei Obama haben graue, vor allem gefärbte Haare von politischen Akteuren zu unzähligen publizistischen und wissenschaftlichen Analysen geführt – bis hin zu gerichtlichen Urteilen.

Das führt uns zum ehemaligen deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder. Im Jahre 2002 kam es zu einer Unterlassungsklage gegen die Nachrichtenagentur Deutscher Depeschendienst, welche Aussagen einer Imageberaterin veröffentlicht hatte, Gerhard Schröder töne seine grauen Schläfen. Schröder klagte auf seine echten Schläfen und gewann. Wochenlang standen er und seine grauen Schläfen im medialen Mittelpunkt. Die von den Politikern mit allen Mitteln gesuchte Medienpräsenz war gesichert.

Von Deutschland in die USA. Donald Trump ist derzeit der Politiker mit der wohl größten medialen Aufmerksamkeit wegen seiner Frisur. Das geht vor allem auf die sozialen Medien Facebook, Twitter und Instagram zurück, die mittels Photoshop Bilder von The Donalds Frisur veröffentlichen und in Windes-eile um die Welt schicken. Mit entsprechenden Kommentaren.

Das ärgert Trump. Als er einmal vor die Kameras trat, konnte man fast zeitgleich via Twitter lesen: „Danke Herr Präsident, dass sie sich für eine andere Farbe als Kanarienvogel-Gelb entschieden haben.“ Im Gegensatz dazu gibt es fast nie eine öffentliche Debatte, wenn Frauen ihr Haar färben. Dies ist offensichtlich als Teil der westlichen Kultur längst internalisiert worden.

Übrigens stellt der britische Ministerpräsident Boris Johnson eine ähnliche Frisur wie sein Freund Donald zur Schau, mit ähnlicher Farbe. Im Gegensatz zur Berichterstattung über Trump finden die britischen Medien den Wuschelkopf Johnsons als lustig und fröhlich.

Zwischendurch ändern Politiker auch ihre Frisur. Die Änderung gilt als Erneuerung, als ein Neuanfang. Der ehemalige deutsche Bundesminister für Verteidigung, Karl-Theodor von und zu Guttenberg, war über die Plagiatsaffäre bezüglich seiner Dissertation gestolpert und musste zurücktreten. Für eine Zeit lang verschwand er aus der Öffentlichkeit. Als er sich zurückmeldete, trat er mit einer neuen Frisur auf, was einen Neuanfang markieren sollte.

SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer macht 2001 mit seiner neuen Haar-Matte mehr Furore als mit jeder politischen Idee. Ganz verschont wurden auch Südtirols Politiker von der Debatte rund ums Haar nicht. Landeshauptmann Arno Kompatscher hatte einmal zu kurze Haare, einmal nicht den richtigen Schnitt gefunden. Bei Sven Knoll amüsierten sich die Medien über seine Frisur Marke Goldenes Dachl.

Nicht selten stehen Haare in Verbindung mit der Ideologie der ewigen Jugend. Paradebeispiel hierfür ist Silvio Berlusconi, der nicht nur eine Haartransplantation vorgenommen hat, sondern das Lifting zum Kult seiner Persönlichkeit erhoben hatte. Symbolisch sollte die Erneuerung des Körpers auf die Erneuerung der italienischen Politik hinweisen.
Mit dem Haar-Image hatte auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel lange zu kämpfen. Über ihre Frisur gibt es längst ellenlange Abhandlungen. Anfang der Neunziger trug sie als Bundesfrauenministerin eine Bubikopffrisur, auch Bobfrisur genannt. Dann waren die Portraits der heutigen Kanzlerin bis weit in die 2000er Jahre immer gleich. „Topf drauf und einmal herumgeschnitten“, schrieb die Süddeutsche Zeitung.

Der Haarschnitt war immer derselbe, die Fransen waren immer gleichmäßig herausgewachsen, die Kleidung unspektakulär. Im Laufe der Jahre hat sich aber nicht nur Frau Merkel, sondern auch ihre Frisur geändert. Die Haare wurden plötzlich heller, das Volumen der Haare voller. Immer öfter ließ sich die Kanzlerin bei wichtigen Ereignissen von professionellen Stylisten unterstützen. Die Trennung von der Bobfrisur wurde denn auch als symbolischer Neuanfang hin zum Machtstreben interpretiert.

Aber auch das muss man sagen: Wären Haare ausschlaggebend in der Politik, wäre Angela Merkel nicht seit 15 Jahren Bundeskanzlerin.

Günther Pallaver

Günther Pallaver, 65, ist Politikwissenschaftler an der Uni Innsbruck

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