Giovanni Mischí macht das Gadertalerische in einem zweibändigen Lexikon lebendig. Das Werk soll die Vorstufe sein für einen einheitlichen ladinischen Wortschatz.
Politik
Was wir brauchen
Aus ff 39 vom Donnerstag, den 30. September 2021
ff 38/2021 hat die Frauenfeindlichkeit in Südtirol thematisiert. Warum es immer noch nötig ist, über die Benachteiligung der Frauen zu reden. Ein Gastkommentar.
Geschockt verfolgen wir in diesen Wochen die Entwicklungen in Afghanistan. Besonders betroffen macht das Schicksal der Frauen. Dass die Islamisten das bisherige Frauenministerium nun geschlossen und es in ein Tugend- und Predigt-Ministerium umgewandelt haben, zeigt, dass die Taliban wohl zu ihrer frauenfeindlichen Politik zurückkehren.
Angesichts derlei Nachrichten stellt sich die Frage, ob es wirklich notwendig ist, über die Benachteiligung von Frauen in Südtirol zu reden. Die Antwort ist: Ja, es ist nötig. Denn obwohl die italienische Verfassung die Gleichstellung der Geschlechter vorsieht, ist der Weg dahin in der täglichen Realität immer noch ein weiter.
Die Politik bestimmt, wie es in unserem Land weitergeht. Um die Bevölkerung wirklich zu repräsentieren, wäre also eine Vertretung von 50:50 in den politischen Gremien nötig. Derzeit sind wir davon weit entfernt: Im Südtiroler Landtag sitzen 9 Frauen und 26 Männer, in den 116 Gemeinden Südtirols gibt es derzeit 13 Bürgermeisterinnen; die 2 Landesrätinnen verdanken wir auch nur der Frauenquote. Für wirkliche Fortschritte brauchen wir gemeinsame Bemühungen und den Zusammenhalt über die Geschlechterstereotype hinweg.
Dazu gehört auch, dass wir bestehende Ungleichheiten klar benennen und gemeinsam nach Lösungen zur Überwindung suchen.
Seit Jahren reden wir zum Beispiel über die ungleiche Bezahlung und als Folge davon die niedrigen Renten für Frauen. Lösungen gibt es immer noch keine. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist das Ziel. „Das gibt es doch schon, die Kollektiv-verträge sind ja für alle gleich“, das ist die Antwort, die wir immer hören.
Ja, das stimmt schon. Trotzdem liegen die Lohnunterschiede in Südtirol seit Jahren bei etwa 17 Prozent! Die Gründe sind vielfältig, einer ist offensichtlich: Während Frauen zwischen 20 und Ende 30 die Kinder bekommen, für die Erziehung beruflich kürzertreten und finanziell zurückstecken, klettern die Männer die Karriereleiter hinauf. Die Frauen unterbrechen ihre Arbeit, später dann arbeiten sie öfter in Teilzeit und häufiger in niedrig bezahlten Berufen und Positionen.
Gut bezahlte Führungspositionen sind selten mit Teilzeit zu vereinbaren. Wer sich um die Familie kümmert, um die Erziehung der Kinder oder um die Pflege der Eltern, leistet Care-Arbeit. Doch diese „Arbeit“ wird zum einen nicht bezahlt und hat zumeist schlechtere Bezahlung bei der Rückkehr in den Beruf zur Folge.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist daher ein großes Thema. Was wir brauchen, ist Wahlfreiheit für die Eltern, Kinderbetreuungseinrichtungen und eine angemessene finanzielle und soziale Absicherung jener, die sich in den ersten Lebensjahren um die Erziehung ihrer Kinder kümmern. Auch wer Angehörige pflegt, braucht eine Rentenabsicherung. Die Fragen, die wir uns stellen müssen: Sind Kinder Privatsache? Oder sind Kinder für die Zukunft unserer Gesellschaft wichtig? Haben sich unsere Eltern im Alter liebevolle Pflege verdient, als Lohn dafür, was sie geleistet haben?
Noch etwas zum Thema Kinderbetreuungseinrichtungen: Es braucht hier Öffnungszeiten, die es den Eltern ermöglichen, ihrem Beruf nachzugehen. Wer heute das Pech hat, in der falschen Gemeinde zu wohnen, hat keine Chance auf einen Betreuungsplatz. Die Öffnungszeiten des Kindergartens werden eher verkürzt statt verlängert. Anzustreben ist auch die Ganztagsschule als Zusatz-angebot. Der Nachmittag könnte beispielsweise der Aufgabenhilfe und Förderung in musischen Fächern vorbehalten sein, dem Sport oder handwerklichen Fertigkeiten. Die langen Sommerferien sind nicht mehr zeitgemäß: Für die Eltern wird diese Zeit oft zu einem Spießrutenlauf, um die Betreuung der Kinder zu organisieren.
Es wird noch viel Auseinandersetzung und Streit brauchen, um im Wohlstandsland Südtirol das Ziel von Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern auch nur annähernd zu erreichen. Lohnen würde sich diese Mühe aber allemal. Nur eine gerechte Gesellschaft ist auch eine fortschrittliche Gesellschaft.
Maria Elisabeth Rieder
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