Wirtschaft

Monopol Athesia

Aus ff 49 vom Donnerstag, den 07. Dezember 2017

Spielbrett
Auf dem Spielbrett sehen Sie die Athesia-Gruppe und ihre Tochtergesellschaften. Auf den Feldern unten ­angegeben wird dabei der Jahresgewinn/-verlust 2016. Beziehungsweise die Hörer- oder Nutzerzahlen. © Alexander Alber, ff-Grafik
 

Das Medienhaus der Gebrüder Ebner kontrolliert den lokalen Zeitungs- und Onlinemarkt. Jetzt erobern sie das Radio. Wie weit können sie ihre Übermacht noch treiben?

Als Roland Turk am Samstag vergangener Woche das Tagblatt Dolomiten aufschlug, traute er seinen Augen kaum. Auf Seite 18 sah er sein Bild neben einer fetten Grafik. Sie stellt dar, wie viel Geld das Land Südtirol pro Jahr an Rai Südtirol, ORF, 5 private TV-Sender, 18 Radio-Sender und 17 Onlineportale überweist.
Der Inhalt des sechsspaltigen Artikels: Während das Land Rai Südtirol die Kohle in den Rachen wirft, würden die armen Privatradios mit Brosamen abgespeist.
„Mit dem Vorschlag von Turk, hier endlich eine gerechte Aufteilung der Südtiroler Steuergelder anzugehen, kommt wieder Bewegung in die Diskussion“, heißt es in dem nicht namentlich gezeichneten Artikel.
Und weiter: „Die Landesregierung blockiert seit Jahren Anfragen und Vorstöße im Landtag, die auf die Ungleichbehandlung zwischen der staatlichen Rai und den privaten Sendern hinweisen. Vor allem bleibt die Landesregierung seit Jahren den Nachweis schuldig, wofür die Rai 20 Millionen Euro jährlich verbraucht.“
Das ist eine rüde Attacke auf Rai Südtirol und Landeshauptmann Arno Kompatscher, für die die Herren der Athesia Roland Turk benutzen. Er ist Präsident des Landesbeirates für Kommunika-
tion. Einige Tage vorher hatte sich Turk auf Rai Südtirol zum Thema Medienkonzentration in Südtirol geäußert. Anlass dafür war die Pressemitteilung von Radiomacher Heiner Feuer (Radio Südtirol 1 und Radio Tirol), dass seine Funkhaus GmbH ihre Gesellschafterstruktur verändert: 50 Prozent gehören nun der Athesia Druck GmbH.
Turk sagte also auf Rai Südtirol, dass er die Medienübermacht der Athesia zunehmend mit Sorge beobachte. Das Land müsse gegensteuern – indem zum Beispiel die Beiträge für die Großen (Athesia) gekürzt und für die Kleinen (Tageszeitung, Corriere dell’Alto Adige, Salto.bz, ff) erhöht werden.
Die Dolomiten, die zur Medienübermacht Athesia gehören, verdrehten den Sinn von Turks Aussagen in ihr Gegenteil: Nicht ihr Medienhaus sei groß, sondern Rai Südtirol. Das Budget des öffentlich-rechtlichen Senders müsse gekürzt werden, um es den frisch erworbenen ­Radiosendern zuzuschanzen.

Das ist frech. Und unlauter dazu. Denn Rai Südtirol gehört der Allgemeinheit und muss selbstredend mit öffentlichen Mitteln arbeiten. Private Radios gehören wie private Zeitungen und private Onlineportale einzelnen Personen oder Personengruppen – sie sollen nach den Regeln der Medienförderung in Südtirol öffentliches Geld erhalten. Aber in Maßen.
Dem Quasimonopolisten Athesia ist das zu wenig. Das Medienhaus kontrolliert mittlerweile über 80 Prozent des Zeitungs- und Onlinemarktes. Mit den Radiosendern Südtirol 1 und Radio Tirol kommt jetzt auch noch ein Drittel des Radiomarktes dazu. Nicht wenige stellen sich die bange Frage: Wie weit können die Brüder Ebner ihre Medienübermacht noch treiben?
Michl Ebner ist Direktor des Medienhauses Athesia, sein Bruder Toni Ebner Chefredakteur von dessen wichtigster Zeitung, den Dolomiten. Mit ihren Familien halten die Ebners mittlerweile die Mehrheit an der Athesia-Gruppe, die einst der Kirche gehörte. Mit geschickten Aktienkäufen und der Aufteilung der Aktien in privilegierte und Stammaktien konnte die tüchtige Unternehmer­familie die Kirche als Mehrheitseigner ablösen.
Das hatte Auswirkungen. In den vergangenen Jahren machten die Brüder Ebner aus dem Medien­haus einen Mischkonzern. Man vertreibt heute nicht mehr nur Zeitungen und Bücher, sondern hat Hotels, Skigebiete, Reisebüros, Biogas- und Fotovoltaikanlagen, Internetfirmen und vieles mehr im Portfolio.
Nun also auch das Radio. Wobei: Vielen galt es als offenes Geheimnis, dass hinter Südtirol 1 und Radio Tirol (auch) die Athesia steckt. Willy Pöder, ehemaliger Radio- (Radio Holiday) und Bezirksblattmacher (Pustertaler Zeitung), sagte bereits 2008 gegenüber diesem Magazin: „Das ist alles Ebner, tutto Ebner.“
Pöder meinte damit Südtirol 1, Radio Tirol und die Nachrichtenagentur RMI. Die Agentur versorgt acht Südtiroler Privatradios mit Nachrichten und wird im Gegenzug dafür bezahlt. Das ist im Prinzip eine gute Idee, denn kein Radiosender im Land wäre dazu in der Lage, eine eigenständige Nachrichtenredaktion aufrechtzuerhalten, die diesen Namen auch verdient.
Zugleich hat das zur Folge, dass es auf acht Radiosendern (Südtirol 1, Radio Tirol, Radio Grüne Welle, Radio Nord, Radio Gherdeina, Radio Holiday, Radio Vinschgau, Stadtradio Meran) einen Einheitsbrei gibt. Jede Stunde hört man überall dieselben Nachrichten, überall dasselbe Mittagsmagazin.
Täglich erreicht das „Südtirol Journal“ 194.000 Hörer – so viel wie niemand sonst in Südtirol. In der Eigendarstellung von RMI heißt es nicht ohne Stolz: „Das Südtirol Journal bewegt sich im nationalen Vergleich trotz regionalem Sendebereich mit dieser Tagesreichweite bereits unter den Großen.“
RMI gehörte bis vor Kurzem den Radiomachern Heiner Feuer, Karl Kleinrubatscher, Winfrid Zuegg und Bernd Dresen (ACC Werbe und Marketing GmbH). Dresen ist ein alter Medienfuchs aus Innsbruck, der mittlerweile aber weit über 70 ist. Vor einigen Monaten verkaufte er seine Anteile an RMI an die anderen drei Gesellschafter.
Derselbe Dresen hatte seine Anteile an der Funkhaus Südtirol GmbH 2006 an die Innsbrucker Wirtschaftsprüfer Barenth & Freisinger verkauft. Es sind jene Anteile, die nun an die Athesia gehen. Dem Medienhaus der Brüder Ebner gehören formal 50 Prozent an den beiden Radiosendern Südtirol 1 und Radio Tirol.
Die Verluste der Funkhaus GmbH der vergangenen Jahre (2014: -185.000 Euro, 2015: -290.000 Euro, 2016: -62.000 Euro) lassen aber keinen Zweifel daran, dass es finanzkräftige Finanziers braucht, um den Laden in Schwung zu halten. Damit wird auch klar, wer die eigentlichen Herren im Funkhaus sind.
Dasselbe gilt für die RMI GmbH. Sie gehört formal zwar nur den drei Radiomachern. Inhaltlich sind die Bande zwischen RMI, Funkhaus und den beiden Radiosendern aber so eng, dass ein Senden gegen den Willen der Athesia kaum möglich scheint.
Heiner Feuer wischt den möglichen Einfluss der Brüder Ebner auf seine Sender mit der von ihm gewohnten Leichtigkeit vom Tisch. „Sie mischen sich nicht aktiv ins Geschäftsgebaren ein“, sagt er zu ff. Alles bleibe wie bisher, die Leitung, die Inhalte. Kein Grund zur Panik.
Beide Seiten, sagt Funkhaus-Programmdirektor Feuer, verstünden sich auf ihr Geschäft. Das Funkhaus aufs Radiomachen, die Athesia auf den Zeitungs- und Onlinemarkt. Man ergänze einander wunderbar, ohne sich gegenseitig in die ­Quere zu kommen.
Das ist schön. Vor allem für die Athesia. Sie kann ihre Vorherrschaft auf dem Medienmarkt Schritt für Schritt ausbauen. Das bleibt zwar nicht unbemerkt. Doch die geschwächte Konkurrenz muss tatenlos zusehen.
Denn der Mediensektor macht eine schwere Zeit durch, allen voran der Markt der gedruckten Tageszeitungen. Ihre Auflagen fallen dramatisch. So verzeichnete beispielsweise die Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore seit Jahresanfang einen Absturz von 158.000 auf 130.000 Stück (verkaufte gedruckte und digitale Auflage). Die Repubblica schrumpfte von 232.000 auf 213.000. Und der Corriere della Sera von 280.000 auf 243.000.
„Angesichts solcher Daten“, sagte Michl Ebner bereits vor drei Jahren, „ist die Zukunftsperspektive des Mediensektors ungewiss. Es ist fallweise ein geradezu sterbender Markt.“
Natürlich leiden auch die Blätter der Athesia unter dem Rückgang. Aber bei Weitem nicht so stark wie die der nationalen Konkurrenz. Zwar ging auch die Auflage der Dolomiten von 48.300 im Jahr 2012 auf 41.600 im September 2017 zurück. Doch seit Anfang dieses Jahres (40.300) ist eine Art Trendwende festzustellen. Es geht wieder – leicht – aufwärts.
Auf diese Trendwende hofft die Athesia-Führung auch beim Alto Adige. Das Tagblatt der italienischsprachigen Südtiroler wurde im Herbst vergangenen Jahres vom Medienhaus der Gebrüder Ebner aufgekauft.
Paradox daran: Weil die Espresso-­Repubblica-Gruppe mit der Einverleibung der Tageszeitungen La Stampa und Il Secolo d’Italia mehr als 23 Prozent des italienischen Tageszeitungsmarktes beherrscht hätte, musste sie kleinere Blätter abstoßen. So sieht es das Kartellrecht vor: Niemand darf mehr als 20 Prozent des Marktes auf nationaler Ebene innehaben.
Espresso-Repubblica verkaufte daraufhin ihren 71-Prozent-Anteil an der Seta AG, die die Tageszeitungen Alto Adige und Trentino herausgibt. Käufer war die Athesia-Gruppe, die damit über 80 Prozent des lokalen Zeitungsmarkts beherrscht. Regional kommt das Kartellrecht nicht zum Tragen, obwohl die Übermacht augenscheinlich ist.
Alto Adige und Trentino kämpfen seit Jahren gegen sinkende Auflagezahlen. Waren es im Jahr 2012 noch 21.700 Stück, meldete die Seta AG für September 2017 nur noch 15.475 an verkaufter Auflage pro Tag.
Trotzdem ist die Herausgeberschaft zuversichtlich. Pietro Tosolini, der Bozner Baulöwe, der mit 11 Prozent an der Seta AG beteiligt ist, sagte gegenüber ff (48/2017): Er sei überzeugt, dass
die Übernahme durch die Athesia und die Brüder Ebner „das Beste ist, was der Zeitung passieren konnte“.
Tosolini sitzt seit einer gefühlten Ewigkeit im Vorstand der Seta, darum, sagt er, wisse er, wie es früher funktionierte und wie es jetzt funktioniert. Zitat: „Früher wurde herumgewurstelt, und das Kommando hatten letztendlich die Römer im Gruppo Espresso. Jetzt sind Profis am Werk, und der Alto Adige hat endlich einen Herausgeber, der in Bozen sitzt.“

Michl und Toni Ebner sind tatsächlich Profis, die ihr Handwerk verstehen. Sie haben es geschafft, das potenziell schrumpfende Medienhaus zu einem profitablen Mischkonzern umzubauen.
Das Land spielte ihnen dabei in die Karten. So konnte die Athesia vor einigen Jahren gemeinsam mit Partnern aus der Hotelbranche das Thermenhotel in Meran günstig vom Land kaufen.
Ähnliches spielte sich rund um den Netz- und Telefonbetreiber Brennercom ab. Den hatte das Land über Jahre kostspielig aufgebaut. Der Athesia gelang es, über verschlungene Pfade die Mehrheit daran zu erlangen.
Heute gehören sowohl das Thermenhotel (50 Prozent Athesia) als auch die Brennercom (100 Prozent) zu den gewinnbringendsten Tochtergesellschaften der Gruppe. Oder anders gesagt: Ohne die beiden Töchter wäre das Ergebnis der Athesia-Gruppe 2016 ziemlich mau ausgefallen.
Abwertungen führten dazu, dass sowohl die Athesia Druck GmbH (Zeitungen, Druckerei) als auch die KM Invest GmbH (Beteiligungen Brennercom) Verluste von insgesamt 5 Millionen Euro einfuhren. Weil aber die anderen der Dutzenden Tochtergesellschaften gut gewirtschaftet haben, fiel das Endergebnis der Gruppe recht ordentlich aus. Der Gewinn belief sich auf gut 2,7 Millionen Euro.
Was auffällt: Vor allem auf dem Werbemarkt konnte die Athesia 2016 überdurchschnittlich gut abschneiden. Die Erlöse sind von 22 auf 24,3 Millionen Euro gestiegen. Das ist auch eine Folge der Medienkonzentration. Wer einen größeren Anteil am Kuchen hat, der tut sich leichter, die Kunden zu ködern.
Theoretisch kann die Athesia Werbepakete schnüren, die alle Mittel der modernen Kommunikation enthalten: Zeitungen, Zeitschriften, Onlineportale, Radiosender, sogar die Bushaltestellen pflastert die Athesia-Tochter First Avenue mit Werbeplakaten zu.
Die Konkurrenz kann da nicht mithalten. Der Politikwissenschaftler Günther Pallaver warnt bereits seit längerer Zeit davor, dass es in Südtirol eine immer stärkere „Asymmetrie“ gebe. Der Starke im Sektor werde immer stärker, die Kleinen blieben zurück. Nicht umsonst gebe es in vielen Ländern Gesetze, die versuchen zu verhindern, dass sich Medien zu stark konzentrieren.
In Südtirol ist das anscheinend kein Thema. Hier gibt sich der Starke, also die Athesia, selbst als schwach aus – und verlangt noch mehr Förderbeiträge vonseiten des Staates und des Landes. Dabei kassiert die Athesia unter den privaten Medienbetreibern bereits heute weitaus am meisten Geld von der öffentlichen Hand.
So gibt es für die Dolomiten einen jährlichen Beitrag, weil sie eine Zeitung einer sprachlichen Minderheit ist. 2016 belief sich dieser Beitrag auf 1,1 Millionen Euro. Zum Vergleich erhält dieses Magazin, obwohl auch eine Zeitung einer sprachlichen Minderheit, 0 Euro. Und das jedes Jahr aufs Neue.
Warum? Weil das Gesetz Beiträge nur für Tages-, nicht aber für Wochenzeitungen vorsieht.
Daneben heimst die Athesia auch den weitaus größten Kuchen an Landesbeiträgen für Medien ein – für Zeitungen, für Onlineportale und nun auch für Radiosender.
ff fragte sowohl bei Toni als auch bei Michl Ebner um ein Interview zum Thema an. Der eine wollte nicht, und der andere hat dieser Tage keine Zeit dafür. Immerhin gelang es Rai Südtirol, Elmar Pichler-Rolle, zuständig für die Kommunikation im Hause Athesia, vors Mikrofon zu bringen.
Auf die Frage, warum sich Athesia nun an den zwei größten Privatradios in Südtirol ­beteiligt, antwortete Pichler-Rolle: „Ich denke, weil man ­sicherlich aktuell sein muss, weil man mit der Zeit gehen muss, weil man sich für die Zukunft rüsten und aufstellen muss.“ Und weil es darum gehe, die ­Arbeitsplätze auch in Zukunft zu sichern.
Haben wir also eine Medienkonzentration in Südtirol? Nein, sagte Elmar Pichler-Rolle zu Rai Südtirol, im Falle der beiden Radios gehe es nur um eine Beteiligung, nicht um eine Übernahme. Sowohl die Geschäftsführung als auch die Chefredaktion würden weiterhin autonom bleiben.
Beiratspräsident Turk ist vom Vorgehen der Athesia ihm gegenüber ziemlich überrascht. Er sagt, er könne nun jene besser verstehen, die mit ihrer Kritik gegenüber dem Medienhaus lieber hinter dem Berg hielten.
Trotzdem ließ Roland Turk, nicht bang, den Dolomiten Anfang der Woche eine Richtigstellung zukommen. Seine Aussagen, schreibt er, seien völlig falsch interpretiert, Äpfel seien mit Birnen verglichen worden. Immerhin. 

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