Wirtschaft

Jürgen denkt groß

Aus ff 25 vom Donnerstag, den 21. Juni 2018

Jürgen Pardeller
Jürgen Pardeller, Landwirt und Vize­bürgermeister von Welschnofen, auf der Wiese, wo das Hotel gebaut werden soll: „Daran halte ich fest.“ © doc
 

Am Karersee soll ein neues Hotel mit 230 Betten aus dem Boden gestampft werden. Bauherr ist Vizebürgermeister Pardeller. Doch ein Nachbar will die Idylle retten.

In kleinen Dimensionen zu denken, ist seine Sache nicht. Wenn Jürgen Pardeller etwas macht, dann ordentlich. Davon zeugen zum Beispiel die Gebäude seines Hofes oberhalb des Karersees. Sie sind gigantisch.
Der Reitstall beherbergt derzeit mehr als 30 Pferde, im Stall daneben stehen mehr als zwei Dutzend Rinder. „Von der Kapazität her“, sagt Pardeller, „könnten es aber deutlich mehr sein.“ Man merkt: Jürgen Pardeller denkt groß.
Der 43-Jährige wohnt mit seiner Frau und den beiden kleinen Söhnen hier heroben, neben den Tieren betreibt die ­Familie Urlaub auf dem Bauernhof. Der Hof heißt Angerle-Alm und liegt auf 1.700 Meter Meereshöhe. Steht man vor dem Haus, sind Latemar und Rosengarten zum Greifen nah.
Auf einer seiner Wiesen ein paar Meter unterhalb des Bauernhauses soll in Kürze ein neues Hotel mit 230 Betten aus dem Boden gestampft werden. Der Gemeindeausschuss von Welschnofen hat dem Vorhaben bereits zugestimmt. Brisant: Jürgen Pardeller gehört diesem Ausschuss an, er ist Vizebürgermeister und zuständig für den Tourismus in der Gemeinde. Er sagt, er wisse, wie schwierig es sei, wenn man in der Gemeindepolitik arbeite und selbst eine Struktur plane.
Doch sein Bestreben sei es, den Tourismus in Welschnofen wieder nach vorne zu bringen. In den Neunzigern hatte die Gemeinde noch 2.700 Gästebetten, heute sind es nur mehr 1.700. „Das ist nicht gut für ein Tourismusdorf“, sagt Pardeller.
Er habe auch deswegen noch einmal kandidiert (für die SVP), damit Welschnofen die Schubumkehr schafft. Und weil man ihn, Zitat Pardeller, „dazu gedrängt“ habe.
Die Eckdaten des von ihm geplanten Hotels sind beeindruckend: Die Zone für touristische Einrichtungen wird rund zwei Hektar groß sein. Erforderliche Baumassendichte: 2,50 Kubikmeter pro Quadratmeter. Das heißt, die Hotelkubatur kann bis zu 50.000 Kubikmeter betragen. Zum Vergleich: Ein normales Wohnhaus kommt mit etwa 650 Kubikmeter aus.
Die Gebäude können laut Beschluss des Gemeindeausschusses bis zu 17 Meter hoch sein. Freilich verlässt Vizebürgermeister Pardeller bei Abstimmungen über seine Belange den Saal. Dennoch ist die Sache heikel.
Der Name des neuen Objektes: Königskrone. Oder auf Ita­lienisch: La Corona del Re. Genau diese italienische Bezeichnung macht Valentin Wiedenhofer stutzig. Er sitzt für die Bürgerliste im Gemeinderat und grenzt mit seiner Alm an den Hof von Pardeller. Wiedenhofer glaubt nicht, dass Pardeller das Hotel in ­Eigenregie aufbaut. Vielmehr werde er es früher oder später an einen italienischen Investor verkaufen, so seine Befürchtung.
Wiedenhofer und Pardeller sind sich seit Langem nicht mehr grün. Die gegenseitige Abneigung geht auf Pardellers Vater zurück, mit dem Wiedenhofer einst gut befreundet war. Irgendwann kam es zum Bruch. Warum, weiß keiner mehr so genau.
Valentin Wiedenhofer und Jürgen Pardeller kreuzten ihre Klingen ein erstes Mal vor etwa zehn Jahren. Damals sah das Tourismusentwicklungskonzept einen Campingplatz mit 100 Stellplätzen vor. Pardeller wollte ihn bauen, Gemeinde und Land hatten dem Vorhaben bereits zugestimmt.
Da Wiedenhofer um den Fortbestand seiner Alm fürchtete, zog er vor das Verwaltungsgericht. In seinem Rekurs beklagte er, dass: „ein gesetzlicher Rahmen ad personam geschaffen“ und „das allgemeine Interesse vernachlässigt“ werde; der landschaftliche Eingriff zu groß sei; seine landwirtschaftliche Tätigkeit zum Erliegen komme (Ruhestörung, Luftverschmutzung, Müll, erhöhtes Verkehrsaufkommen); die Zufahrt zu steil und das Gelände ungeeignet sei.
Und siehe da: Das Verwaltungsgericht in Bozen gab Wiedenhofer recht. Und zwar hauptsächlich deswegen, weil Wiedenhofers Anwalt ein in Vergessenheit geratenes Bauverbot geltend machen konnte. Es lastete just auf dem Grundstück, auf dem nun auch das Hotel gebaut werden soll.
Jürgen Pardeller hat das Bauverbot inzwischen aufheben lassen. Es war beinahe 100 Jahre alt und habe keine Berechtigung mehr gehabt, sagt er. Den Campingplatzbau hat er inzwischen abgehakt – obwohl er, wie er sagt, rund 100.000 Euro in die Planung und die Vorbereitung gesteckt hat. Jetzt konzentriere er sich voll auf den Hotelbau.
Wobei er versucht habe, seinem Nachbarn entgegenzukommen. So soll das Hotel weiter östlich als der Campingplatz errichtet werden und unmittelbar an die Karersee-Siedlung anschließen. Die Bäume zwischen Wiedenhofers Alm und dem Hotel lasse er stehen – quasi als Sichtschutz.
Auf der Wiese, wo einmal das Hotel stehen soll, gerät Jürgen Pardeller ins Schwärmen. Ihm schwebt ein Naturhotel vor: Die Gäste sollen sich hier mit Elektroautos fortbewegen und aktiv in sogenannten Workstations mitmachen – zum Beispiel Kochen, Reiten oder Klettern.
Der obere Teil soll ein klassisches Hotel sein, der untere Teil eine Art Residence, damit laut Pardeller auch „die Geschäfte und Betriebe außerhalb etwas davon haben“. Zentral sei ein riesiges Amphitheater aus Glas, in dem die Gäste zusammenkommen und den herrlichen Blick auf die Berge genießen können.
Doch kann er das ambitionierte Projekt alleine stemmen? Im Grundbuch scheint auf, dass der Hof Angerle-Alm bereits jetzt mit einer Hypothek von 3,9 Millionen Euro belastet ist.

Jürgen Pardeller redet nicht lange um den heißen Brei herum: Er werde das Hotel nicht alleine bauen, gibt er zu, sondern mithilfe von Investoren aus Deutschland und Holland, die vom Fach sind. Er werde als Präsident die Betreibergesellschaft des Hotels führen, aber sicher nicht selbst den Hoteldirektor spielen. „Wenn man so etwas aufzieht, dann muss man professionell arbeiten“, sagt Pardeller.
Valentin Wiedenhofer wehrt sich. Er hält den Bau eines weiteren Hotels am Karersee für äußerst problematisch. Und zwar aus gleich mehreren Gründen:

  1. Mit der Umwandlung von landwirtschaftlichen Flächen (alpines Grün und Wald) in eine Tourismuszone werde ein „verhängnisvoller Präzedenzfall“ geschaffen. Eine Welle von Hotels im alpinen Grün könnte die Folge sein.
  2. Der Bau eines weiteren Hotels bedeute einen Verlust bäuerlicher Kulturlandschaft und zusätzliche Verbauung und Versiegelung.
  3. Das Welterbe Schlern, Rosengarten und Latemar werde empfindlich gestört, da das neue Hotel weitum sichtbar sein würde.
  4. In Welschnofen gebe es genügend leer stehende Hotels (Grandhotel, Krone, Iris, Panorama), die man wieder nutzbar machen könnte – bevor man wertvollen Kulturgrund für neue Hotelbauten hernimmt.

Valentin Wiedenhofer steht vor seiner Almhütte und blickt sorgenvoll auf die Grundstücke des Nachbarn. Er ist ein älterer Mann mit rundem Gesicht und wachen Augen.
Kämpferisch sagt er, er werde auch diesmal nicht klein beigeben. Sollte es erforderlich sein, trete er aus dem Gemeinderat zurück und ziehe erneut vor das Verwaltungsgericht (als Gemeinderat darf man nicht gegen die Gemeinde prozessieren).
Jürgen Pardeller nimmt die Kampfansage gelassen auf. Er sagt, er habe diesmal wirklich versucht, auf seinen Nachbarn Rücksicht zu nehmen. Wenn das alles nicht hilft, lasse er es darauf ankommen. „Am Hotelprojekt“, sagt er entschlossen, „halte ich fest.“ 

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