aktuell gibt es niemanden, den die Corona-krise nicht trifft. Dieses Virus verändert unser gewohntes Miteinander, es belastet familiäre, ...
Wirtschaft
5 Kreative Unternehmen
Aus ff 14 vom Donnerstag, den 02. April 2020
Die Coronakrise stellt viele Betriebe vor schier unlösbare Aufgaben. Plötzlich müssen sie ihre Arbeit einstellen und Däumchen drehen. Es gibt aber auch diejenigen, die sich nicht so leicht geschlagen geben – und es schaffen, mit neuen Ideen obenauf zu bleiben. Fünf Beispiele. (Teil der Titelgeschichte "35 Millionen jeden Tag")
Jack & King store, Schlanders
(vp) Mit seinem Jack & King Store, einer Kombination aus Bekleidung, Friseur und Bar, hat sich Markus Stocker südtirolweit einen Namen gemacht. Seit 12. März sind die Türen geschlossen, seine drei Mitarbeiter zu Hause. „Die jetzige Entwicklung bricht uns das Genick“, sagt Jacky, wie ihn seine Kumpels und Kunden nennen.
Unter dem Slogan „SOS – Save the Jack & King Store“ versucht Stocker jetzt seinen vor vier Jahren gegründeten Concept-Store in Schlanders zu retten. Über die Crowdfunding-Plattform Startnext hat er eine Initiative lanciert, um die Krise zu überleben. Er sagt: „Als sich die Schließung der Geschäfte ankündigte, war ich ziemlich ängstlich. Wir hatten ja keinen Online-Shop und mir fehlte jede Einnahme. Ich musste mir was einfallen lassen, um meine Mitarbeiter weiterhin zu bezahlen.“ Die Idee ist simpel und raffiniert zugleich: Kunden können auf der Internet-Plattform verschiedene Dankeschöns erwerben. Das Angebot reicht von cool designten T-Shirts über einen Barber-Workshop und einem professionellen Fotoshooting bis hin zu einem Privatkonzert mit dem Sänger Patrick Strobl. Letzteres bot Jacky um 2.500 Euro an, nach nur einer halben Stunde war es verkauft. Die Aktion bewirbt er über Facebook, E-Mail und Whatsapp, Freunde aus ganz Südtirol unterstützen ihn. Innerhalb nur einer Woche hat er über 10.000 Euro gesammelt. Das Crowdfunding-Ziel liegt bei 30.000 Euro, das entspricht in etwa dem Monatsinkasso des Stores. Sollte er das Ziel erreichen, will er für seine Gönner eine ordentliche Party schmeißen.
Südtirol liefert, Effekt! GmbH, Neumarkt
(aw) Seit vergangenem Montag gibt es eine neue Webseite, deren Klickzahlen gleich in die Höhe geschossen sind. Über 25.000 User haben bisher auf suedtirolliefert.com geklickt, ein Portal, das die Südtiroler Wirtschaft in Coronazeiten fördern soll. Die Idee dazu hatten Elmar Thaler und Team von der Effekt!-Agentur, sie dachten sich: Online einkaufen, schön und gut, aber wie weiß ich, welches Geschäft nach Hause liefert? Mittlerweile haben sich über 370 Unternehmen auf dem Portal kostenlos angemeldet, vom Tante-Emma-Laden bis zu größeren Südtiroler Firmen. „Wir hätten uns nicht gedacht, dass sich da so viele in so kurzer Zeit eintragen“, sagt Thaler.
Barth Innenausbau, Brixen
(vp) Projekte aus aller Welt liegen fertig geplant in der Schublade. Es sind Inneneinrichtungen für Museen, Juweliere oder Luxusvillen von Bogotá über Toronto bis nach Paris und Oslo. Produzieren und ausliefern wird Barth Innenausbau aber wohl erst in einigen Monaten. Denn seit Mittwoch vergangener Woche stehen alle Betriebe, die keine lebensnotwendigen Güter produzieren, still. Die Mitarbeiter beim Brixner Unternehmen arbeiten in der Produktion dennoch auf Hochdruck: Sie fertigen Schutzelemente für Thekenarbeitsplätze. Zum Einsatz kommen sie überall dort, wo Mitarbeiter in Kunden- oder Patientenkontakt stehen und entsprechend geschützt werden müssen.
Es war die Apotheke Peer in Brixen, für die Barth vor drei Wochen die erste Schutzwand aus Plexiglas installiert hat. Mittlerweile stattet Barth auch Arztpraxen, Krankenhäuser, Bestattungsunternehmen, Banken, Lebensmittelgeschäfte, Zeitungsläden und sogar Taxis (im Bild) damit aus. Die Vermarktung erfolgt seit vergangener Woche im Gemeinschaftsprojekt mit dem Freienfelder Spenglereibetrieb Trenkwalder. „Peter Trenkwalder hat ziemlich zeitgleich und unabhängig von uns mit der Produktion von Schutzelementen begonnen“, sagt Ivo Barth. „Am Sonntag vergangener Woche habe ich ihn angerufen und noch am Telefon haben wir beschlossen, gemeinsam am Markt aufzutreten. Es gibt kein Konkurrenzdenken, sondern wir spornen uns gegenseitig an.“ Das Beste daran: Von den 79 Barth-Mitarbeitern sind aktuell nur 21 beurlaubt. Ivo Barth ist überzeugt: Hält die gute Auftragslage an, werden auch sie wieder im Einsatz sein.
Emi-Controls, Bozen
(avg) „Wir haben unsere Tätigkeit in diesen schwierigen Zeiten nicht umgestellt, aber ergänzt“, sagt Francesco Fritz, 48, Geschäftsführer von Emi-Controls. Das 2011 gegründete Unternehmen mit Sitz in Bozen ist Teil der Techno-Alpin-Gruppe und beschäftigt 20 Mitarbeiter. Der jährlicher Umsatz beläuft sich auf 10 Millionen Euro. Emi-Controls hat angefangen mit Staubbindemaschinen, dazu kamen Brandbekämpfung mit Wassernebel und Geruchsbindung. Francesco Fritz: „Jetzt haben wir begonnen, Desinfizierungen zu machen. Wir haben alles, was wir dazu benötigen, vor allem das Wissen im Bereich Wassernebel ist aktuell von Vorteil. Die Staubbindemaschinen eignen sich für außen, innen verwenden wir die Kanonen zur Geruchsbindung. Zunächst haben wir unsere eigene Produktionshalle desinfiziert, dann kamen andere hinzu und jetzt haben wir viele Anfragen von Betrieben mit größeren Hallen. Die Idee der Desinfizierungen hat uns ermöglicht, den Betrieb aufrecht zu halten. Außerdem fällt Emi-Controls beim Codice Ateco (eine von der italienischen Statistikbehörde Istat erstellte Klassifizierung aller Betriebe nach Bereichen, Anm. der Red.) unter Forschung und Entwicklung, einer Kategorie, die vom Produktionsstopp nicht betroffen ist. Zurzeit warten wir noch die Ergebnisse eines Trientner Labors ab, um zu erkennen, wie genau das Mittel auf welchen Oberflächen wirkt.“
Jetzt-zamhelfen.eu, Schlanders
(aw) Die Idee hatte ein Osttiroler, umgesetzt wird sie auch im Vinschgau. Coworkationalps e.V., ein Verein, der von Basis Vinschgau Venosta mitgegründet wurde, will Betriebe in Bayern, Tirol, Osttirol und Südtirol unterstützen. Dafür haben die Macher vergangene Woche eine Online-Plattform (jetzt-zamhelfen.eu) ins Netz gestellt, auf der sich Betriebe aus der Region kostenlos „zeigen können“, wie es Hannes Götsch (im Bild) von Basis Vinschgau Venosta formuliert. Konsumenten erwerben online einen Gutschein, den sie einlösen, wenn der Betrieb wieder geöffnet hat. Das Motto: „Wer das Kleine nicht ehrt, ist das Große nicht wert“, sagt Götsch. Seine Erwartungen sind schon jetzt übertroffen.
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