Der Tierschutz in der Verfassung? Titelgeschichte in ff 19/21
Wirtschaft
Fantasielose Laubenkönige
Aus ff 20 vom Donnerstag, den 20. Mai 2021

Der ehemalige Bozner Bürgermeister Luigi Spagnolli glaubt an die Kraft der Konkurrenz: Durch René Benko werde die Landeshauptstadt wieder aufblühen. Ein Gastkommentar.
Die Titelgeschichte in ff 17/2021 „Leere Läden“ greift ein wichtiges Thema auf. Kompliment! Der Leerstand greift in Südtirols Dörfern und Städten tatsächlich um sich, vor allem auch in Bozen. Einen wichtigen Aspekt streifen die Autoren des Artikels aber lediglich, sie messen ihm nicht die Bedeutung bei, die ihm aber unbedingt zukommen muss: die Höhe der Mietpreise. Aus vielen Laubenkönigen, wie die Unternehmer genannt werden, deren Geschäfte in Bozens wichtigster Einkaufsmeile liegen, sind im Laufe der Jahre reine Hauseigentümer geworden.
Die Bozner Handelsfamilien sind die historisch treibende Kraft der Wirtschaft in der Talferstadt. Und nicht nur das: Vom Mittelalter bis in die Gegenwart stellten und stellen sie viele Persönlichkeiten, die sich in den Bereichen Kultur, Politik und Wirtschaft verdient gemacht und die Geschichte der Stadt Bozen entscheidend mitgeprägt haben.
Als im Laufe des 20. Jahrhunderts Bozen wuchs und in den neuen Stadtvierteln eine Vielzahl an Geschäften entstand, konnten sie ihre Dominanz im Einzelhandel behaupten. Die Laubenkönige blieben mächtig. Auch die vielen italienischsprachigen Familien, die neu in Bozen waren, wussten: Jenseits der Talfer, in der Stadt, „in cittá“, gab es die besseren Waren zu besten Preisen. Das änderte sich aber in den Siebziger- und Achtzigerjahren.
Der wachsende Ansturm von Touristen auf Bozen weckte Begehrlichkeiten. Plötzlich interessierten sich die internationalen Einkaufsketten für Südtirols Landeshauptstadt. Für sehr viel Geld mieteten sie sich unter den Lauben ein. Die Höhe der Miete spielte keine Rolle.
Mehrere der alten Bozner Handelsfamilien lernten schnell, dass mit dem Vermieten des Geschäftslokals mehr Geld zu machen war als mit dem eigenen Laden. Aus den Laubenkönigen wurden Mauerkönige.
Der daraufhin einsetzende rasche Anstieg der Miet- und Kaufpreise der Laubenkubatur hat, nicht allein, aber doch ganz wesentlich, den Immobilienmarkt der Stadt, aber auch des ganzen Landes beeinflusst.
Bozen wurde in wenigen Jahren zu einer der teuersten Städte Europas. Das hat auch viel damit zu tun, dass das Volumen der Einzelhandelsfläche im Bozner Zentrum mit etwa 60.000 Quadratmetern konstant blieb. Es gab keine Entwicklung, keine Konkurrenz und damit auch kein Wachstum.
Die Situation schien, kurz- wie mittelfristig, festgefahren. Jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Tiroler Investor René Benko Interesse an der städtebaulichen Wiedergewinnung des Bozner Busbahnhofsareals zeigte. Sein Projekt zur Errichtung eines Kaufhauses sah die Schaffung einer Einzelhandelsfläche von rund 20.000 Quadratmeter vor – dies entspricht einem Drittel der Gesamtfläche im Zentrum von Bozen.
Die Auswirkung dieses – in Relation – so großen Einkaufsflächenangebots auf die Immobilienpreise der ganzen Stadt, sowohl was den Kauf als auch die Miete anbelangt, wird erst in den nächsten Jahren und Jahrzehnten offensichtlich werden. Zweifellos wird sie aber bemerkenswert sein.
Für die Stadtpolitik war dies einer der wichtigsten Gründe, um, neben der raumplanerischen Verbesserung des entsprechenden Stadtviertels und der beträchtlichen Einnahmen für die öffentliche Hand, das Projekt Waltherpark zu genehmigen.
Benkos Waltherpark ist ein Plus für Bozen, aber auch für seine Laubenkönige. Die werden sich künftig wieder innovative unternehmerische Initiativen einfallen lassen, sich wieder bewegen müssen, um ihre Rolle als treibende Kraft der -Bozner Wirtschaft zu bewahren. Ganz so, wie sie das in den vergangenen 800 Jahren getan haben.
Luigi Spagnolli
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