Wirtschaft

„Der Anreiz ist nicht das Geld“

Aus ff 45 vom Donnerstag, den 10. November 2022

Heinz Peter Hager
Heinz Peter Hager: „Aufpassen, dass nicht Dinge durcheinandergebracht werden.“ © Alexander Alber
 

Warum stürzt sich ein vielbeschäftigter, steinreicher Wirtschaftsprüfer und ­Kunst­sammler jetzt auch noch auf Immobilien? Heinz Peter Hager im ff-Interview.

ff: Bozen scheint bloß der Türöffner gewesen zu sein – für noch größere Immobilienprojekte in Norditalien.

Heinz Peter Hager: Verwechseln Sie nicht die Projekte der Gruppe Signa mit jenen, die ich mit anderen Partnern realisiere. Man muss wahnsinnig aufpassen und zwischen diesen beiden Welten klar und sehr sauber trennen.

Vorausgesetzt, dass dies möglich ist. In Verona zum Beispiel baut Signa ...

Selbstverständlich ist eine Trennung möglich: Es stimmt, in Verona haben wir mit Signa den Wettbewerb für die Erstellung des Masterplans und späteren Ankauf des Areals südlich des Bahnhofes Porta Nuova gewonnen. Und wie Sie wissen, bin ich Präsident von Signa Italia. Porta Nuova hat aber beispielsweise nichts mit dem Projekt Ex-Manufattura Tabacchi zu tun, das ich gemeinsam mit meinen Partnern Signoretti und Fri-el Green Power Gostner vorantreibe.

Warum tun Sie sich das an? Sie gelten als die Nummer 1 unter den Südtiroler Wirtschaftsprüfern und dürften ausreichend ausgelastet sein. Sie hatten mit einer schweren Krankheit zu kämpfen. Sie haben keine Geldsorgen. Also warum stürzen Sie sich auch noch auf die Immobilienbranche?

Ich tue es, weil es mir Spaß bereitet. Es handelt sich um eine spannende Aufgabe. Wir bauen ja nicht nur Häuser, sondern entwickeln Projekte und größere Stadtteile. Dabei geht es darum herauszufinden, wie die Menschen morgen leben wollen, welche Bedürfnisse sie haben, was sie sich leisten können. Darin sehe ich auch eine intellektuelle Herausforderung. Schauen Sie, ich bin jetzt seit bald 40 Jahren Wirtschaftsprüfer. Diesen Job mache ich immer noch mit Begeisterung, jedoch nur mehr für ganz bestimmte Kunden, weshalb mir Luft bleibt, mich um meine neue Leidenschaft zu kümmern: strategische Immobilienprojekte. Um ein Beispiel zu nennen: In der Manufattura Tabacchi in Verona wurden Zigaretten produziert. Seit Jahren liegt das Areal brach, eine Gesellschaft mit Top-Unternehmern aus Verona mit der Cassa Depositi Prestiti schaffte es nicht, dieses Projekt zu schultern. Dann kommen wir, kaufen und ziehen ein spannendes Projekt durch, welches aufgrund seiner strategisch tollen Lage zu einem der gefragtesten Viertel von Verona aufsteigen wird: Also wenn das nicht faszinierend ist?

Wenn also Benko, wie Sie sagen, nicht mit von der Partie ist: Wer sind die Leute, die für diese finanzielle
Schlagkraft sorgen?

Da sind etwa Alimco, also Robert Pichler, dann Peter Stadler, die Fri-el, also Josef Gostner, und da ist vor allem Paolo Signoretti, und natürlich auch ich.

Stichwort Signoretti: Bis vor Kurzem kannte niemand diesen Mann. Plötzlich ist er der große Macher an Ihrer Seite.

Signoretti, Anfang 40, ist ein exzellenter Unternehmer aus Arco. Ich habe ihn 2009 im Zusammenhang mit Fotovoltaik-Projekten kennengelernt. Begonnen haben wir mit dem Ankauf von Flächen, deren Besitzer in Konkurs gegangen sind. Das Ex-Cattoi-Areal in Riva war unsere erste größere Operation. Es folgten Projekte in Rovereto und ein tolles Objekt in Toscolano Maderno am Gardasee. Aber das ist nur die eine Welt.

Und die andere Welt wäre?

Die andere spielt sich etwas südlicher ab, und hier heißt mein Partner, neben Signoretti, Fri-el, also Josef Gostner. Mit ihm haben wir gemeinsam die Ex-Manufattura Tabacchi in Verona, ein Wohnbauprojekt in Bergamo und die Ex-Necchi in Pavia. Dort haben wir auch einen Wohnkomplex dazugekauft und außerdem haben wir den Wettbewerb zur Entwicklung des Bahnhofareals in Pavia gewonnen.

Wie kann man diese Operationen verstehen? Sind das Geldanlagen, Investitionen mit Gewinnaussicht ...?

Es sind Projektentwicklungen. Wir kaufen Grundstücke, entwickeln, bebauen sie und verkaufen dann. Unser Ziel ist es nicht, ein Investment zu machen, sondern eine unternehmerische Tätigkeit.

Es erinnert sehr an die Projekte von René Benko.

Das kann man nicht vergleichen, schon wegen der Größenordnung. Wir erwecken tote Grundstücke wieder zum Leben. Okay, in Bozen macht Benko Ähnliches.

Sind das Projekte, die in Südtirol nicht realisierbar sind?

Es gibt einen substantiellen Unterschied zwischen Südtirol und Norditalien. Aufgrund der lang anhaltenden Krise gibt es in Norditalien, vor allem in der Provinz, kaum Bauträger, die in der Lage wären, solch komplexe Projekte zu stemmen. In Pavia zum Beispiel gibt es keinen Mitbewerber, der sich mit uns messen könnte.

Südtirol ist für Sie nicht mehr interessant?

Doch – im Moment fehlen aber die Areale, die man verwerten könnte. Und es gibt kaum Non-performing-loan-Objekte (Objekte im Zusammenhang mit notleidenden Krediten, Anmerkung der Redaktion), weil die Immobilienkrise nicht so intensiv war. Natürlich schaue ich auch Projekte in Südtirol an, wobei bei diesen Signa den Vorrang hat.

Wie wär’s mit dem Kasernenareal in Meran?

Dort wird das Land bauen. Damit habe ich alles gesagt. Kurzum: Es gibt dermaßen viele Immobilienprojekte, dass wir uns nicht darum raufen müssen.

Wer sind also die Finanziers?

Wir machen sogenannte „Cub Deals“, arbeiten also mit mehreren Investoren und Geldgebern zusammen. Das sind etwa Robert Pichler oder die Familie Gostner, oder ein amerikanisch-englischer Hedgefonds, der einen 2-stelligen Millionenbetrag investiert hat.

Sie meinen „TCA ECDF III“ mit Sitz in Luxemburg?

Ja. Dieser Fonds wird von ehemaligen Goldman-Sachs-Menschen gemanagt.

Es heißt, Benko stecke hinter dieser Buchstabenfolge.

Das ist falsch. Benko hat damit gar nichts zu tun. Benko hat in Italien neben den Projekten in Bozen das Hotel Bauer in Venedig, das Projekt Porta Nuova in Verona und das Villa Eden Resort in Gardone am Gardasee. Punkt. Unsere Operationen sind zu klein und somit für Signa ungeeignet.

Zurück zur Frage nach der Motivation: Bislang kannte man Sie als Kunstsammler, nicht als Immobilienhai.

Sie werden es mir nicht glauben, aber die Sammlung von zeitgenössischer Kunst hat mir diese Tätigkeit wesentlich erleichtert. Wenn ich ein Kunstwerk kaufe, weiß ich auch nicht, wie sich sein Wert in den nächsten Jahren entwickeln wird. Ähnlich ist es mit Immobilienprojekten. In beiden Bereichen braucht es nicht nur viel Wissen und eine möglichst gute Nase, sondern eine gute intuitive Intelligenz und auch einen langen Atem. In beiden Bereichen muss man verstehen, wohin sich die Welt entwickelt. Und klar, dass man auch Geld verdient, wenn man es gut macht, das ist ein zusätzlicher Anreiz. In Rovereto, wo der Markt als schwierig gilt, haben wir gut verdient. Aber die eigentliche Faszination ist nicht das Geld, sondern das Nach-vorne-Schauen, das Umsetzen. Das Geld ist ein schöner Nebeneffekt, aber gewiss nicht der Antrieb, um solche Projekte anzugehen. Es gibt auch Soft-Facts wie Ansporn und Herausforderung, und die sind mitunter wichtiger als knallharte monetäre Überlegungen. Es ist schon befriedigend zu zeigen, dass man besser ist als andere. Normalerweise verdient man dann auch mehr als andere.

In Riva del Garda hingegen scheinen Sie sich die Zähne auszubeißen.

Dort ist die Lage etwas kompliziert. Aber wissen Sie, Immobilien haben einen großen Vorteil: Sie laufen nicht davon. Deswegen heißen sie ja Immobilien, eben weil sie nicht mobil sind. Wir können warten. In Riva besitzen wir ein sehr schönes Grundstück. Früher oder später wird es klappen, wir brauchen nur Geduld. Der Bürgermeister, der sich gegen unser Projekt gestemmt hat, wurde inzwischen abgewählt ...

Es heißt, Hager & Co hätten seine Abwahl befeuert.

Jetzt muss ich lachen.

In Riva heißt es, hinter Hager stecke Benko.

Das ist kompletter Blödsinn. Einfach falsch.

Sind Sie in Italien selbst in die Rolle des René Benko geschlüpft?

Ach was. Vergleichen Sie mich doch nicht mit dem Top-Unternehmer René Benko! Ich bin nichts anderes als ein Projektentwickler.

Man nennt Sie Benkos Statthalter. Und damit unterschätzt man Ihre Rolle.

Finde ich gut, wenn man unterschätzt wird.

Interview: Norbert Dall’Ò

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