Wirtschaft

René Benko auf italienisch

Aus ff 45 vom Donnerstag, den 10. November 2022

Heinz Peter Hager (links) und Paolo Signoretti
„Ein exzellenter Mann“: Heinz Peter Hager (links) über Paolo Signoretti (rechts). Das Bild zeigt die beiden auf PR-Tour in Riva del Garda. © Jacopo Salvi
 

Wie der Bozner Wirtschaftsberater Heinz Peter Hager zum Investor und Bauunternehmer wurde, der mit seinen Partnern in Norditalien ganze Stadtteile aufkauft.

Von der Hauptstraße aus betrachtet, möchte man nicht glauben, dass dieses Areal besondere Begierden weckt: ein staubiger Parkplatz, der von einer Tankstelle begrenzt wird, ein bisschen Grün, okay, aber vom See keine Spur. Warum, um Himmels willen, sollte dieses Grundstück – in Riva kennen es alle unter dem Namen Ex-Cattoi – dermaßen begehrt sein? Warum wird um dieses Brachland seit nunmehr fünf Jahren gestritten und prozessiert? Sogar die Gemeinderatswahl 2020 soll sich hier entschieden haben.

„He, Sie kennen wohl Riva nicht“, sagt Adalberto -Mosaner und breitet die Arme aus, um die Ahnungslosigkeit seines Gastes zu unterstreichen. „Das Ex-Cattoi ist das Filetstück der sogenannten fascia lago. Wer hier die Hand drauf hat, besitzt den besten und teuersten Logenplatz am Gardasee. Machen Sie mal einen Spaziergang rundherum, Sie werden Augen machen.“

Mosaner weiß, was er sagt. Der 66-Jährige war in Riva schon Bauassessor, dann Vizebürgermeister, schließlich Bürgermeister. Die Zuständigkeiten für Bautätigkeit und Raumordnung lagen immer in seiner Hand. In Riva sagt man, dass er sich mit dem Ex-Cattoi ein Denkmal bauen wollte: Der Linkspolitiker (Partito Democratico) träumte davon, dieses eine Grundstück – ausnahmsweise – „nicht den Spekulanten zu überlassen“, sondern in einen Park zu verwandeln. Mosaner: „Braucht Riva noch mehr Häuser, Hotels, Geschäfte? Ich denke Nein.“

Aber dann kam Hager, Heinz Peter Hager. Als am 7. -Jänner 2017 die gerichtliche Versteigerung des Ex-Cattoi-Areals anstand – zum wiederholten Mal, die vorherigen „aste“ waren immer leer ausgegangen –, schlug ein Unternehmen zu, das hier in Riva niemand auf dem Zettel hatte: VR101214 GmbH. Ursprünglich hatte der Masseverwalter das Areal auf 12 Millio-
nen Euro geschätzt, was keine Interessen geweckt hat. Aber jetzt, wo der Kaufpreis auf 4,9 Millionen gepurzelt war, wurde zugeschlagen.

Das Rätsel um die Käufer sollte sich rasch auflösen. Adalberto Mosaner, damals noch Bürgermeister, erzählt, wenige Tage nach der Versteigerung von Paolo Signoretti kontaktiert worden zu sein. Mosaner: „Ich wusste, wer dieser Signoretti ist, allerdings kannte ich ihn nicht als einen, der über weiß Gott welche finanziellen Mittel verfügt.“ Auf Nachfrage bestätigen mehrere gut informierte Trentiner Journalisten diese Einschätzung: Signoretti sei im Fotovoltaikbereich tätig gewesen, von sich reden gemacht habe er aufgrund seiner „exzellenten Vernetzung im politischen Umfeld des ehemaligen Trentiner Landeshauptmanns Lorenzo Dellai“. Im Magazin Questotrentino kann man nachlesen, wie vormalige politische Exponenten – darunter der mächtige Boss des Trentiner Genossenschaftswesens Diego Schelfi oder der ehemalige Landesrat und A-22-Präsident Silvano Grisenti – sich jetzt ins Business stürzen („A volte ritornano“). Vor allem Schelfi diene hierbei „als apriporta per gli immobiliaristi sudtirolesi“.

Ein Blick in die Liste der Teilhaber an der nichtssagenden VR101214 GmbH zeigt, dass in dieser Aussage mehr als nur ein Körnchen Wahrheit steckt. Neben Signoretti und dessen Trentiner Kompagnons sowie Heinz Peter Hager tauchen hier illustre Südtiroler Namen auf: etwa Robert Pichler (Alimco), Peter Stadler (Stafil) oder Günther Schacher (Partner in der Kanzlei Hager). Kein Wunder, dass in Riva gleichzeitig mit diesen Namen auch der Name jenes Mannes genannt wurde, der immer genannt ist, wenn es um prestigeträchtige Immobilienprojekte geht: René Benko. Adalberto Mosaner: „Sobald ich den Namen Hager hörte, sagte ich mir: Aha, Benko stürzt sich also jetzt auf Riva. Denn es ist wohl kein Geheimnis, dass Hager der verlängerte Arm des österreichischen Immobilienmoguls ist.“

Ist das so, hat ff bei Heinz Peter Hager nachgefragt?: „Es ist höchst kompliziert“, antwortet der (siehe Interview auf Seite 24). Der Bozner Wirtschaftsprüfer arbeitet, wie man weiß, tatsächlich für Benko, als Präsident der Signa REM Italien zeichnet Hager sogar für Projekte verantwortlich (zum Beispiel in Bozen und Verona Porta Nuova), treibt diese voran, präsentiert sie auf Medienkonferenzen. Aber in diesen Fällen ist er, wie er klarstellt, „nur“ Dienstleister. In Riva hingegen tritt Hager selbst als Unternehmer und Investor auf: „Benko hat mit dem Ex-Cattoi nichts zu tun, gar nichts.“ Ebenso wenig stehe Benko hinter anderen Projekten in Norditalien, „und zwar weder direkt noch indirekt“. Diese ziehe Hager selbst und mit seinen Partner durch, „ohne Benko“.

Die Recherche dieses Magazins in Rovereto, Verona, Bergamo und Pavia zeigt: Es ist kompliziert. Hager und Benko marschieren mal gemeinsam, mal getrennt. Beide, mal gemeinsam, mal getrennt, blasen zum Halali auf die norditalienischen Städte. Mal der eine, mal der andere, mal gemeinsam, eignen sie sich – meist bei gerichtlichen Versteigerungen – die Filetstücke der Metropolen an. Es sind immer Deals in Millionenhöhe, wobei das Muster immer dasselbe ist wie in Bozen: „Wir schaffen das, woran andere gescheitert sind.“ „Wir bauen Zukunft.“ „Wir verwandeln vergammelte Gegenden (wie etwa den Bahnhofspark in Bozen) in Lebensqualität.“

Südtirols potentester Wirtschaftsprüfer warnt mehrmals ausdrücklich, „irgendwelche Verquickungen“ zu konstruieren, „die für falsche und deshalb ungute Spekulationen sorgen könnten“. Man müsse „Projekte und Aufgabenbereiche akribisch und genau trennen, um nicht zu vermischen, was nicht vermischt werden darf“. Will heißen: Hier baue Signa, also Benko, mit Hager bloß als „Statthalter“ (wie er immer genannt wird). Dort hingegen baue Hager mit dessen Partnern, ohne Benko. Wir wollen es versuchen.

Schritt eins: Rovereto. Die zweitgrößte Stadt des Trentino ist ein bisschen im Dornröschenschlaf. Mit dem Mart, das Museum für moderne und zeitgenössische Kunst, hat man zwar ein Aushängeschild, aber vieles in der Stadt liegt beziehungsweise lag, brach – und wartet nur darauf, „wachgeküsst“ zu werden. Wie zum Beispiel die beiden Areale La Favorita und Ex-Marangoni. Bei beiden handelt es sich um historische Problemzonen: Viele haben es versucht, die ehemaligen Industriehallen in Dienstleistungsbetriebe umzuwandeln, keiner hat es geschafft.

Hager & Co haben es geschafft. Die Rovim GmbH (dahinter stecken dieselben Investoren wie in Riva) kaufte zuerst das
Ex-Marangoni-Areal. Im Rekordtempo entstanden zwei Discounter (MD, also Patrizio Podini, und Lidl), „das höchste aus Holz gebaute Hochhaus in ganz Italien“ mit rund 100 Wohnungen sowie die entsprechenden Tiefgaragen. Die Bauarbeiten gingen dermaßen rasch über die Bühne, dass die Roveretaner aus dem Staunen nicht herauskamen: „Und was ist mit der versprochenen großen Parkanlage?“, fragte sich La voce del Trentino.

Aber da waren Hager & Co bereits mit dem nächsten Projekt beschäftigt: Auf dem Areal La Favorita, strategisch gelegen an der Ausfahrt Rovereto Süd der A-22, dürfte ein weiterer Supermarkt entstehen. Mit den Worten von Paolo Signoretti: „Unser Job ist es, strategische Areale aufzuwerten und nach den besten Lösungen für die Stadt und ihre Menschen zu suchen.“

Paolo Liserre, Journalist der Tageszeitung L’Adige, berichtet von einer „wundersamen Fügung“, die wohl das Ergebnis von „Networking auf höchster Ebene“ sei: Gut informierte Kreise loten Gelegenheiten für profitable Investitionen aus, „Türöffner“ holen kapitalkräftige Partner ins Boot, die Profis aus Bozen wickeln das Projekt ab. Heinz Peter Hager: „In Rovereto haben wir sehr gut gearbeitet und nebenbei auch ein schönes Geld verdient.“

Schritt zwei: Verona. Man muss sich das riesige Areal aus der Vogelperspektive ansehen, um sein Potenzial zu erahnen. Südlich des Bahnhofs Porta Nuova befinden sich 450.000 Qua-dratmeter (45 Hektar!) Ödland, das sich – schwuppdiwupp – in eine Goldgrube verwandeln könnte. Veroneser Bauunternehmer lechzen schon seit Jahren danach. Allerdings haben sie es nie geschafft, Nägel mit Köpfen zu machen und vor allem, das nötige Geld aufzutreiben. Schließlich kam es im Oktober 2021 zur Versteigerung. Und hier schlug Signa zu.

Signa, also Benko. Nicht Hager. Oder irgendwie doch. Denn bei der Pressekonferenz, auf der die neuen Besitzer ihre Pläne darlegten, stand Heinz Peter Hager in seiner Rolle hier nicht als Investor, sondern als Präsident von Signa Italia in der ersten Reihe: „Wir gehen mit großer Motivation an dieses Projekt heran. Mit unserer Erfahrung, unserer Willenskraft, Kompetenz und unserem Pragmatismus wird es uns mit unserem Partner Supernova gelingen, diese verwahrloste Gegend von Verona wieder aufleben zu lassen.“

Die heute tatsächlich verwahrloste Gegend hat einen großen Vorteil: Sie liegt strategisch goldrichtig. Im Norden der Bahnhof, der Verona zur Drehscheibe im Herzen Europas machen soll, im Süden das Messegelände. Verona, so die Investoren, „habe ein gigantisches Potenzial“, und auf diesem Areal – es nennt sich Parco Arena – soll nicht nur „eine der größten Parkanlagen Europas“ entstehen, sondern natürlich auch Platz sein für Wohnungen, Geschäfte, Freizeitstrukturen und und und. Laut Signa-Ankündigung stehe das gigantische Projekt natürlich „im Zeichen der Nachhaltigkeit“. Geschätzte Investitionssumme: dreistelliger Millionenbetrag. So viel zu Benko in Verona – mit Hager als seinem „Dienstleister“.

Einen Steinwurf südlich der zukünftigen Benko-City befindet sich die Ex-Manufattura Tabacchi. Die beeindruckenden Industriehallen, in denen einst Zigaretten produziert wurden, stehen seit zwanzig Jahren leer: 31.000 Quadratmeter, 180.000 Kubikmeter Bausubstanz. Genug, um bei Immobilienunternehmern die Zunge schnalzen zu lassen. Warum, fragt man sich, hat Benkos Signa diesen südlichen Wurmfortsatz des Bahnhof-Areals nicht auch gleich mitgekauft?

Eben, weil es kompliziert ist. Denn die Ex-Manufattura haben sich Hager und Signoretti geschnappt, und zwar über das Unternehmen VR.RE GmbH. Deren Anteile gehören je zur Hälfte Supernova Development und Fri-el Green Power, also der Familie Gostner (siehe Grafik auf Seite 20). Geplant sind gleich drei Hotels, ein Shoppingcenter, Büros, eine Tiefgarage mit 900 Stellplätzen und eine selbstverständlich „nachhaltige Anbindung an Stadt und Messezentrum“. Investitionssumme: rund 100 Millionen.

Kritische Stimmen gibt es kaum. Einzig die Linke im Gemeinderat von Verona hat Zweifel angemerkt, „ob mit diesem Projekt den Interessen der Allgemeinheit entsprochen wird“. Alle anderen applaudieren, allen voran Urbanistik-Stadträtin Ilaria Segala (Lega), die sich glücklich schätze, ein Projekt vorliegen zu haben, „das mit der Umwelt sensibel umgeht sowie auf das Wohlbefinden und die Bedürfnisse der Menschen achtet“.

Wer die Renderings der wundersamen Verwandlung maroder Industriehallen in futuristische Wohlfühloasen betrachtet, könne nicht anders, als diesen Lobpreisungen zuzustimmen: Hager & Signoretti haben schon gewusst, warum sie die Star-
architekten von Snøhetta nach Verona geholt haben.

Schritt drei: Bergamo. Auf der Autobahn Richtung Mailand fragen wir uns, was Heinz Peter Hager wohl meinte, als er von „unserem Partner Supernova“ sprach. Dieser Begriff war schon öfter gefallen, und auch an ihm merkt man, wie kompliziert es ist, klare Trennlinien zu ziehen. Diese Gesellschaft, die mal als GmbH, mal als AG in Erscheinung tritt und in Verona Porta Nuova von Signa mit der Projektentwicklung betraut wurde, hat ihren Sitz in der Bozner Bahnhofsstraße 5. Die Teilhaber (zu je 50 Prozent) sind Heinz Peter Hager (über seine Museum GmbH) und Paolo Signoretti (über Heliopolis Urban Regeneration, einer Gesellschaft, in der auch Hager einen Anteil hält).

Supernova hat nichts mit Sternenkunde zu tun, wie Wikipedia nahelegt, sondern beschäftigt sich mit der „Entwicklung von Immobilienprojekten“. Damit macht sie dasselbe wie Signa REM Italia, deren Geschäftsbereich laut eigener Angabe wie folgt zusammengefasst ist: „Jede Tätigkeit im Bereich des öffentlichen und privaten Bauwesens im eigenen Namen wie im Auftrag Dritter, außerdem Baumanagement und Projektleitung“.

In Bergamo sollten wir Supernova wieder begegnen. Die Kulturhauptstadt 2023 (gemeinsam mit Brescia) ist ein Juwel. Was Wunder also, dass auch Hager ihr Potenzial zu schätzen weiß. Dort befindet sich – mitten in der historischen Altstadt gelegen – der Komplex Ex-Canossiane. Einst eine Klosteranlage, heute eines jener Areale, die nur darauf warten, dass finanzkräftige Bauträger es „in die Hand nehmen“.

In Bergamo ist Hager mit dem Unternehmen Heliopolis Urban Regeneration auf den Plan getreten. Diese Gesellschaft kaufte 2018 über ihre Tochter br.BE beziehungsweise Super-n-ova das fantastische Areal Ex-Canossiane. Der Kaufpreis ein Schnäppchen. Hier wollen Hager & Co aus der historischen Substanz „rund 70 Premiumwohnungen“ gewinnen, außerdem soll auf 13.000 Quadratmetern eine Grünzone entstehen („Orti Nuovi“). Wie Manuela Panzini, vorgestellt als „Senior Development Manager von Supernova“, der Presse sagte, garantiere man „höchste Standards in Sachen Wohnen und Energie“. Es ist auch hier schwierig herauszufinden, wer letztendlich die Investoren sind. Aber egal, br.BE beziehungsweise Supernova beziehungsweise Heliopolis werde „einen Funken Positivität auf diese wunderbare Stadt versprühen“.

Warum diese verschachtelten Firmenkonstrukte (ein Beispiel gibt die Grafik auf Seite 21)? Es sieht so aus, als wolle man die Geldflüsse verstecken. Auf diese Frage rollt Heinz Peter Hager mit den Augen, sein Gesichtsausdruck lässt keinen Zweifel: In diesen Dingen bin ich der Profi und du hast keine Ahnung. Seine offizielle Antwort ist ein klein wenig eleganter, aber ebenso nichtssagend: „Das ist in der Branche so üblich.“

Schritt vier: Pavia. Nähmaschinen sind längst der Wegwerfgesellschaft zum Opfer gefallen. In den Fünfzigerjahren des
20. Jahrhunderts war das anders: Da gab es kein Haus und keine Wohnung, in der nicht eine dieser Maschinen stand. Eine richtige Hausfrau, so hieß es damals, brauche eine richtige Nähmaschine. Und Vittorio Necchi baute sie.

„La Necchi“ war für Nähmaschinen das, was Fiat für die italie-
nische Automobilindustrie bedeutete. In den Fabrikhallen am damaligen Stadtrand von Pavia arbeiteten über 5.000 „operai“, die Zigtausende Nähmaschinen zusammenbauten, nahezu jedes Jahr ein anderes, neueres Modell. Der absolute Renner war die Necchi Supernova, Baujahr 1953.

Es war einmal. In den Achtzigerjahren begann der Niedergang der einstigen Vorzeigefabrik. Wer heute das Gelände betrachtet, steht vor einer riesigen Industrieruine: verlassene Hallen, die als Unterschlupf für Obdachlose oder illegale Raves genutzt werden, Müll, so weit das Auge reicht, verseuchte Böden. Ridley Scott hätte hier das ideale Terrain gefunden, um den Science-Fiction-Thriller „Blade Runner“ zu drehen.

Fabrizio Merli, Redakteur der Zeitung Provincia Pavese, bezeichnet das Necchi-Areal als Wunde: „Einst war Necchi gleichbedeutend mit Wohlstand und Aufschwung. Heute steht Necchi für Niedergang. Dieses Areal hätte längst umgewandelt werden müssen. Aber in Pavia gibt es keine Unternehmer, die über die nötige Kraft verfügen.“

Will heißen: Pavia braucht Hager. Wie Rovereto, Verona und Bergamo Hager brauchen. Der Bozner Wirtschaftsprüfer hat offenbar „die nötige Kraft“, um Projekte zu stemmen, die für einheimische Unternehmer zu groß, zu kompliziert, zu teuer sind. Hager will die Ex-Necchi zu neuem Leben erwecken. Er und seine Partner (hier mit dabei: die Familie Gostner) haben über die Firma PV01.RE das 11 Hektar große Areal um
4,8 Millionen Euro gekauft. Geplant ist eine Investition von rund 100 Millionen Euro. Um was zu bauen? Wohnhäuser, Supermarkt, Freizeiteinrichtungen, zwei Plätze, Tiefgarage und und und. Der Name des neuen Viertels: Supernova. In diesen Tagen wurde mit der Sanierung begonnen: Das Gelände gilt als hochgradig von Asbest verseucht. Fabrizio Facassi, Bürgermeister von Pavia, ist begeistert: „Diese Umwidmung eröffnet unserer Stadt den Weg in die Zukunft.“

Für die Rückfahrt nach Bozen empfiehlt sich ein Umweg am Gardasee entlang. Vorbei an Gardone, wo Benko mit einem Luxusressort sein allererstes Fähnchen in Italien setzte (inzwischen kaufte er so nebenbei auch das Luxushotel Bauer in Venedig), mit Blick auf all die malerischen Örtchen, in denen Südtiroler Häuslebauer, Unternehmer, Handwerker in beeindruckender Weise zeigen, dass sie in Sachen Hotels, Villen und Investments sowieso mindestens einen Gang schneller unterwegs sind als die Einheimischen hier (siehe Titelgeschichte „Die Übernahme“ in ff 19/2022).

Keine Gegenwehr? Egal ob Rovereto, Verona, Bergamo oder Pavia: Es fällt auf, dass die Projekte von Benko und Hager, abgesehen von der üblichen bürokratischen Schwerfälligkeit, auf keinen Widerstand treffen. Die Vorhaben – zum Teil sind sie gigantisch – können im Eiltempo abgewickelt werden – wie das sprichwörtliche Nudelschmelzen. Die Investoren aus dem Norden, einst verspottet als „crucchi“, werden jetzt als Problemlöser gefeiert.
Nicht so in Riva. Hier sind Hager & Co auf einen Mann gestoßen, der – wie er diesem Magazin sagte – „nicht nach ihrer Pfeife tanzt“. Als Paolo Signoretti im Januar 2017 in die Gemeinde gestürmt kam, um dem Bürgermeister die freudige Mitteilung zu überbringen („Wir haben gekauft, es kann losgehen mit dem Ex-Cattoi-Areal“), zeigte Bürgermeister Adalberto Mosaner ihm die kalte Schulter. Hier in Riva nutzten die guten politischen Kontakte und Netzwerke nichts, im Gegenteil: Mosaner, der Linksdemokrat vom PD, begegnet „diesen Geschäftemachern im Umfeld Signorettis“ mit Misstrauen.

Außerdem hatte er, Mosaner, andere Pläne für das Ex-Cattoi. Der Bebauungsplan, sagt er, sei zehn Jahre alt und im Frühjahr 2017 verfallen. Dies würde bedeuten, dass dieses Areal zur „weißen Zone“ geworden sei. Die Gemeinde könne also neu beschließen, was damit geschehen soll. Bürgermeister Mosaner sagte Signoretti, dass er keine neuen Immobilien wolle, sondern eine Grünzone. Damit war das Kriegsbeil ausgegraben.

In Riva kam es zu bizarren Szenen. Hager & Co schalteten in den Zeitungen ganzseitige Inserate, mit Renderings vom wunderbaren Ex-Cattoi der Zukunft. Als sie auch noch eine Schautafel aufstellten, schritt Mosaner kraft seines Amtes ein und verbot es ihnen. Hager & Co antworteten mit einer doppelten Anzeige: Zum einen verklagten sie Mosaner persönlich auf Schadensersatz in Höhe von rund 11 Millionen Euro, zum anderen rekurrierten sie beim Verwaltungsgericht gegen die Entscheidung der Gemeinde, die 10-jährige Laufzeit des -Verbauungsplanes nicht verändert zu haben.

Mosaner geriet in die Zwickmühle: Weil Prozesspartei und deshalb befangen, sah er sich gezwungen, als Bürgermeister zurückzutreten. Bei jener Gemeinderatssitzung am 20. Januar 2020 saß auch Paolo Signoretti unter den Zuschauern. Die Botschaft des Hager-Partners an die Adresse Mosaners konnten alle im Saal laut und deutlich hören: „Bei den nächsten Wahlen bist du sowieso weg vom Fenster.“

Letzter Schritt: Ala. Hier treffen wir, fast drei Jahre nach sein-em Rücktritt, Adalberto Mosaner wieder. Er ist gesundheitlich angeschlagen, der Kampf gegen Hager & Co scheint ihm zugesetzt zu haben. Die Wahl hat er tatsächlich wie angekündigt verloren: Wegen 140 Stimmen ist er in der Stichwahl gegen Cristina Santi von der Lega gescheitert. Es gibt ein Foto, das zeigt, wie Paolo Signoretti am Tag des Wahlsieges der neuen Lega-Bürgermeisterin begeistert um den Hals fällt.

Immerhin bleibt dem Ex-Bürgermeister ein Trost: Die -Prozesse hat er allesamt gewonnen. Besondere Genugtuung bereite ihm, sagt Mosaner, das Urteil des Verwaltungsgerichtes. Darin steht schwarz auf weiß: „Das einzige Interesse, das ein Bürgermeister vertreten muss, ist nicht das Interesse des Besitzers des Ex-Cattoi-Areals, sondern das öffentliche Interesse für eine geordnete urbanistische Entwicklung des Territoriums.“

Spricht man Heinz Peter Hager auf dieses Urteil an, zuckt er mit den Schultern: „Ja gewiss, in Riva gibt es Probleme – beziehungsweise gab es welche.“ Aber inzwischen sei der störrische Bürgermeister abgewählt, beim Staatsrat sei bereits Rekurs eingereicht. Und überhaupt: „Wir können warten. Immobilien haben einen großen Vorteil: Sie laufen nicht davon.“

weitere Bilder

  • Lido Palace Adalberto Mosaner

Wunderwuzzi Benko

Heinz Peter Hager gilt allgemein als „Statthalter Benkos“. Dies deshalb, weil der Bozner Wirtschaftsprüfer Präsident der Signa REM Italia ist und für diese Projekte in Italien betreut – wie etwa den „Walther Park“ in Bozen. Hager (oben im Bild rechts beim Spaziergang mit René Benko durch Bozen) scheint sich aber von seiner Statthalter-Rolle emanzipiert zu haben. In Riva, Rovereto, Verona, Bergamo und Pavia tritt er selbst als Investor und Projektentwickler auf – ohne Benko. Der „Wunderwuzzi“ hat offenbar einen gelehrigen Schüler gefunden: In Italien ist Heinz Peter Hager drauf und dran, selbst zu einem Benko zu werden.

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