Außensicht

Rammstein: Tochter der Freiheit

Aus ff 36 vom Donnerstag, den 07. September 2023

Jetzt, wo sich die Gemüter etwas beruhigt haben und sich die Aufregung um den Rammstein-Frontmann gelegt hat (nicht zuletzt durch die Tatsache, dass das Verfahren gegen Till Lindemann wegen sexueller Über­griffigkeit eingestellt wurde), sollte man vielleicht in aller Ruhe und Nüchternheit noch mal die Frage aufgreifen, ob man jemandes Arbeit trotz seiner Verfehlungen als Mensch noch gut finden darf.

Mir ist dieses woke Rammstein-Fan-Bashing nämlich sauer aufgestoßen. Die dürfen doch wohl bitte weiterhin diese dröge Mucke toll finden? Jedem Tierchen sein Pläsierchen, und überhaupt: Seit wann hat Kunst mit Geschmack zu tun? Eines habe ich beim Lesen der Schlagzeilen rund um den „Row Zero“-Skandal endgültig beschlossen: Auf die leidige Frage, ob man Künstler und Werk trennen soll oder nicht, ist meine Antwort ein klares Ja.

Und – ich gendere hier mal ausnahmsweise bewusst nicht: Irgendwie scheinen es überwiegend die Männer zu sein, die einen derartigen Scheiß aufführen, dass sich die ganze Welt fragt: Dürfen wir den Typen überhaupt noch cool finden? Na ja, die Männer und J. K. Rowling.

Michael Jackson, R. Kelly, David Bowie, Kevin ­Spacey, Ur-Chauvi Goethe, Emil Nolde, Luis Trenker, John ­Galliano, Louis C.K. – die Liste der Künstler, die sich Vorwürfen ausgesetzt sehen, die sie als Menschen diskreditieren, scheint endlos. Und ich bin es leid, die immer gleichen Diskussionen zu lesen und zu hören, sobald ein Künstler demontiert wird, den ich bewundert habe. Aber: Kunst ist die Tochter der Freiheit, wie schon Schiller sagte. Ich will weiterhin jemandes Oeuvre cool finden können, aber als Mensch ist er nun mal beknackt. Außer Till Lindemann. Den finde ich auf allen Ebenen doof. Das wird man wohl doch noch sagen dürfen.

von Bettina Conci | Schreibt Kolumnen, Kurzgeschichten, Kindgerechtes und Kontroverses

Leserkommentare

Kommentieren

Sie müssen sich anmelden um zu kommentieren.