Außensicht

Zweisprachigkeit: Mitspracherecht

Aus ff 42 vom Donnerstag, den 19. Oktober 2023

Die Mehrsprachigkeit ist in Südtirol immer wieder ein heißes Thema: Sinn und Unsinn der Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung, Schulunterricht, Migranten, Zweisprachigkeitsprüfung fürs Sanitätspersonal. Meistens geht es dabei allerdings um die zwei Landessprachen, die von 96 Prozent der Südtiroler gesprochen werden.

Das Ladinische wird kaum einmal erwähnt, und das finde ich nicht nur als Linguistin schade. Die Sprache der beiden Täler, denen wir Künstler von Weltruf, eine faszinierende Sagenwelt, die schönsten Berge und – für die, denen das nicht genug ist – die schmattigsten Touristen verdanken, ist vom Verschwinden bedroht.

So ergab zum Beispiel eine im August vorgestellte Studie zum ladinischen Schulmodell hervorragende Ergebnisse, was die kognitiven Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler angeht, bei den Kompetenzen allerdings war Ladinisch das Schlusslicht.

Den Eindruck, dass die Sprache dem Untergang geweiht ist, gewinnt auch, wer nach Menschen sucht, die sie noch in Wort und Schrift beherrschen. Es findet sich fast niemand mehr, der sich zutraut, verständliches Ladinisch zu Papier zu bringen. Da hilft es auch nichts, dass unsere Politiker und sonstigen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens immer wieder fünf Gruß- und Abschiedsworte in holprigem Rätoromanisch radebrechen, oder uns die Provinz mit Print-Pamphleten zumüllt, die zwar anbiedernd-ostentativ „nëus“ und „ëres“ heißen, dabei aber im Namen nicht einmal beide Täler einbeziehen.

Wahrscheinlich ist es den Grödnern und Gadertalern ja auch egal, ich jedenfalls würde mir ein bisschen mehr Wertschätzung für eine so wunderbare, facettenreiche und alte Sprache wünschen (und ein bisschen weniger Gefrotzel über den typischen Akzent ihrer Sprecher, den manche so putzig finden).

Sprachen erweitern nämlich immer den Horizont, und der kann gerade gar nicht weit genug sein.

von Bettina Conci | Schreibt Kolumnen, Kurzgeschichten, Kindgerechtes und Kontroverses

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