Außensicht

Reinhold Messner: Auf dem Achttausender der Gefühle

Aus ff 43 vom Donnerstag, den 26. Oktober 2023

Eigentlich sollte ich hier ja über den Ausgang der Wahl schreiben, aber es ist meinem und Ihrem Wohlbefinden zuträglicher, wenn ich das nicht tue. Stattdessen wollen wir uns einem angenehmeren Thema zuwenden, dem Thema Mann. Während nämlich die Südtirolerinnen und Südtiroler am Sonntag eine starke Sehnsucht nach dem Althergebrachten, Traditionellen, Konservativen an den Tag gelegt haben, um es höflich zu formulieren, scheint sich in puncto Männerbild endlich etwas zu tun: Ich orte ein vorsichtiges, noch zaghaftes Abkommen vom Klischee des emotional verarmten, wortkargen Bestimmers und Welt­erklärers hin zum seine Gefühle bejahenden, zuhörenden Händchenhalter. Und diesen Wandel orte ich ausgerechnet beim Südtiroler Welterklärer par excellence, bei Reinhold M. höchstpersönlich, was ihn umso signifikanter macht.

Man könnte sich natürlich wunderbar lustig machen über einen älteren Herren, der fast achtzigjährig die Liebe neu entdeckt, mit einer Partnerin, die nur halb so alt ist, und sich in Talkshows und Interviews gebärdet wie ein verknallter Teenager. Man kann auch darüber diskutieren, ob die Welt wirklich Bescheid wissen muss über das sentimentale und sexuelle Frühlingserwachen (oder doch den Altweibersommer?) eines Mannes, der in privaten Belangen bisher eher verschlossen war, was ihm wirklich niemand übel genommen hat. Den Seufzer „Ach, wenn der Messner doch endlich mal über Sex reden würde!“ habe ich in meinem Bekanntenkreis jedenfalls nie vernommen.

Und doch ist es eine schöne und auch mutige Wende, wenn so ein bärbeißiger, spröder Mann, der beim ersten Date mit seiner Zukünftigen vor allem daran interessiert war, ob sie denn kochen könne, plötzlich zum „Kuschel­typen“ wird. Reden, zuhören, in den Arm nehmen: alles kein Problem mehr für Reinhold, wie seine Frau im Interview der ff (41/2023) erzählte. Dazu kann man ihn und sie doch nur beglückwünschen und sich für alle anderen Männer dasselbe wünschen: dass sie „weich“ sein dürfen, ohne dass man darüber die Augen verdreht.

von Alexandra Kienzl | Kolumnistin, Englisch-Lehrerin und ehemalige ff-Redakteurin

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